Der Jahn steht zwei Spieltage vor Schluss auf einem Abstiegsplatz. Schlimm genug, würde man denken, aber dazu kommt mit der Auseinandersetzung zwischen Tobias Werner und Mersad Selimbegovic ein neuer Nebenschauplatz. Wohin führt dieser Weg? (Foto: Karina Hessland/Getty Images)
Diese Nachricht hat gesessen. Als die „MZ“ Montagmittag vermeldete, dass auch intern beim Jahn Chaos herrscht, brach bei vielen Fans Unverständnis aus. Im Grunde witterten schon einige weit vor dieser Meldung solche Weltuntergangsszenarien, aber nun bejahte sich dies. Ebenso ist es eine Bestätigung für den Niedergang des Vereins – kommunikativ, sportlich sowie atmosphärisch.
Die Normalität führte zum Konflikt
Nach mehreren Niederlagen berät sich eine sportliche Leitung verständlicherweise über den Trainer, was ganz normal ist. Mersad Selimbegovic hingegen wollte diese Normalität wohl nicht hinnehmen und ging mit Tobias Werner in einen Schlagabtausch. Ergebnis ist ein Kontaktverbot für Werner zur Mannschaft und Eiszeit zwischen den Fronten. Mehrmals soll es zu Streitigkeiten gekommen sein, insbesondere vor der Partie gegen Kaiserslautern soll es gerappelt haben. Grund hierfür ist scheinbar, dass Selimbegovic von Werners Überlegungen über eine mögliche Entlassung mitbekommen haben soll. Die Verweisung des Sportdirektors auf die Tribüne folgte.
So oder so: Dass die Öffentlichkeit von einem solchen Disput erfährt, ist kein gutes Zeichen, schließlich hatte sich der Verein in Zeiten von Christian Keller von solchen Schlammschlachten distanziert. Eine einzige Überlegung seitens der sportlichen Leitung führte zu einer handfesten Krise. Ist das noch der Jahn, den wir aus den letzten Jahren kennen? Wohl eher nicht.
Scheitern mit Ansage
Man hatte trotz sämtlicher Differenzen an Mersad festgehalten. Eine entscheidende Rolle hat hier wohl Jahn-Präsident Rothammer gespielt, welcher weiterhin auf der Seite des Trainers steht. Dieses Einmischen kennt man wohl eher von Chaosclubs wie dem HSV oder Hannover 96, nun hat sich der SSV Jahn innerhalb einiger Monate selbst in einen verwandelt. Schuster bleib bei deinen Leisten, würde man wohl eher sagen.
Die immer kritischer werdenden Aussagen des Cheftrainers deuten eindeutig darauf hin: die Luft wird dünner. Man muss kein Hellseher mehr sein, um festzustellen, dass sich die Kluft zwischen Mannschaft und Trainerteam vergrößert hat. Sowohl was die Spielweise als auch die Mentalität betrifft. Der Jahn performt seit mehreren Monaten unter und man entwickelt kein notwendiges Feuer mehr. Braucht es vielleicht einfach den Bruch? Braucht der Verein ebenso wie der Trainer einen Neuanfang?
Ruhe im Verein ist die Basis für Erfolg
Eigentlich sollten sich Verantwortliche schützend vor das Team stellen. Aktuell müsste man diese These wohl eher umdrehen. Im Jahn herrscht Unruhe, und das hauptsächlich aufgrund eines Machtkampfs, der den Klassenerhalt unmöglich macht. Es braucht eine gewisse Ruhe im Umfeld, damit sich eine Mannschaft auf das Kerngeschäft konzentrieren kann und dies scheint seit einiger Zeit nicht mehr gegeben.
Auch die Spieler werden mitbekommen haben, dass Werner ein Kontaktverbot erhalten hat und Ungewissheit herrscht. Vertragsverhandlungen werden ebenfalls dadurch erschwert. Wer will in diesem schon Chaos bleiben? Plötzlich kann man sich nicht mehr auf das nächste Spiel konzentrieren, schließlich gab es schon wieder Streit.
Es ist schlichtweg fahrlässig, dass man diesen Machtkampf austrägt. Niemand kann es gebrauchen. Wer den Verein im Herzen trägt, sollte mit sich selbst und mit anderen Mitarbeitern ehrlich umgehen. Selimbegovic hingegen scheint komme, was wolle, seinen Job behalten zu wollen. Wo ist da die Dankbarkeit für diese Zeit? Man sollte als langjähriges Mitglied der Jahnfamilie auch eingestehen können, dass man weichen muss, damit man sich persönlich und dem Verein keinen Schaden zufügt.
Vereinsführung ist erneut gescheitert
Schon bei der Wahl von Roger Stilz hat man in der Nachbetrachtung kein glückliches Händchen bewiesen und das Engagement endete nach nur wenigen Monaten, nun könnte eine ähnliche Geschichte folgen. Als Werner vorgestellt wurde, waren einige durchaus überrascht, schließlich kann er keine großen Erfahrungswerte aufweisen.
Für die Wahl des Sportdirektors nahm sich die Führung einige Zeit, es erinnerte schon fast an eine Papstwahl. Aber Gott, also Christian Keller, wirst du wahrscheinlich nie ersetzen können. Der Verein war zu naiv. Man dachte sich, es wird sich schon wieder so ein junger, ambitionierter Sportdirektor finden. Man bedachte allerdings nicht, dass man im darauffolgenden Jahr ohne Mannschaft dasteht. Es ist dasselbe, als würde man einen Maurer-Lehrling ein Hochhaus bauen lassen.
Dennoch muss man Tobias Werner Zeit geben. Wer einen Werner holt, bekommt eben in erster Linie einen unerfahrenen Sportdirektor und keinen Wunderheiler. Und natürlich muss er Lehrgeld zahlen. Es ist auch nicht weit hergeholt, dass Werner in seiner ersten Transferphase nicht alle Abgänge kompensieren kann und dadurch noch mehr Unruhe entsteht. Aktuell wirkt er in die Ecke gedrängt und das von Leuten, die ihn eigentlich eingestellt haben. Man muss einer neuen Personalie Zeit geben, auch in dieser Situation und man sollte sie nicht schon nach wenigen Monaten aus dem Verein drängen.
Ambition, Bodenständigkeit und Glaubwürdigkeit
Drei Werte wie aus einem Marketing-Katalog. So stellt man sich also den modernen SSV Jahn vor. Aber es war scheinbar nur ein Vorhang und mit dem Abgang von Keller wurde dieser abhängt. Der Verein entwickelte sich über diese Zeit zurück. Man gibt mit Rothammer, Selimbegovic und Werner ein jämmerliches Bild ab. Niemand im Club war wohl auf diese sportlich Krise vorbereitet, keiner hatte einen Plan B und man durfte auch keinen entwickelt. Es wird niemanden wundern, wenn einige Trainer im Sommer absagen sollten. Wer will schon diesen Scherbenhaufen übernehmen?
Vermutlich bleiben diese Begriffe nur Floskeln. Vermutlich geht es bestimmten Protagonisten nur um sich selbst. Will der SSV Jahn einen wirklichen Neuanfang starten, dann braucht es einen Wechsel im Denken und auch im Personal. Es braucht jemand, der seine eigenen Entscheidungen und „Spezln“ trennen kann. Jemand, der den Verein als Ganzes im Blick hat und nicht nur seine eigene Position.
Der Abstieg wäre zu verhindern gewesen. Definitiv. Und vielleicht hätte auch ein neuer Impuls geholfen, aber es gehört vielleicht eben auch zu den Werten, dass man die Realität akzeptiert. Vielleicht braucht der Verein einen gewissen Neuanfang, um neu durchzustarten.
Wenn ein Verein, der in Ruhe arbeitet, einen Abstieg zu verzeichnen hat, dann ist es meistens kein Beinbruch. Der Jahn hat sich in den letzten Jahren exzellent entwickelt und steht so gut da wie noch nie. Wir haben schlichtweg das Poker-Spiel um einen Kader verloren und dann reicht es eben mal nicht. Dann liegt es vielleicht weniger an Personalien, sondern mehr an der Realität. Schließlich ist jedes Jahr ein Wunder notwendig. Und dieses bleibt leider aus.
Dennoch ist in diesen Tagen ein fader Beigeschmack dabei. Fast als würden die ganzen Erfolge und diese wichtige Kontinuität innerhalb weniger Stunden abgerissen werden. Wenn man nur wüsste, wo dieser Weg hinführt…
Maximilian Aichinger