Von Agy Diawusie galt es beim Spiel gegen den SC Freiburg II Abschied nehmen, es war wohl eins der emotionalsten Spiele, welche der Jahn je erleben musste. Ganz nebenbei wurde auch Fußball gespielt. Gegen Freiburg konnte man mit 3:2 gewinnen. (Foto: NieKoe)
Ruhe in Frieden, Agy
Eine Choreo, mehrere Spruchbänder, dazu ein aktives Gedenken am Turm – die Jahnfamilie steht zusammen, auch in dunklen Zeiten. Das alles ermöglichte einen aktiven Umgang mit der Trauer, ein wichtiger Akt, um es einigen Leuten im Umfeld leichter zu machen. Fußball und Trauerarbeit gehört zusammen, wir alle sind ganz nah zusammen, wir alle lieben die gleichen 90 Minuten, wir sind eine Familie – auch Agy war ein Teil davon. Wir haben gezeigt, dass wir eine Gemeinschaft sind, wir nehmen jeden so, wie er eben ist, egal welche Funktion, gesellschaftlicher Status, jeder hat seinen Platz – Fan wie Spieler.
Dabei gilt der Dank an die UR – diese Jungs und Mädels sind stundenlang in den eiskalten Hallen gesessen, haben gemalt – für Agy. Das zeigt nicht nur, wie wichtig Fankultur ist, sondern vielmehr, wie stark die Jahnfamilie ist. Auch ein Dank an alle Helfer, alle Mitarbeiter – ohne euch wäre der Verein nichts. Ihr alle füllt die Worthülse „Jahnfamilie“ mit Leben.
Es hat vielen Menschen geholfen, die trauern und die merkten, dass sie nicht alleine sind, sondern ganz viele an diesem Augenblick anteilnehmen. Wir kämpfen, wir feiern und ja, wir trauern auch zusammen. Wir konnten Agy einen schönen Abschied geben, der Schmerz ist und bleibt aber unbeschreiblich, wir werden Agy nie vergessen.
Agy, du wirst uns allen fehlen. Nun dribbelst du mit Maradona um die Wette, mach es gut.
Spielbericht
Trotz dieser Emotionalität, versuche ich halbwegs auf die sportliche Seite der Partie einzugehen. Auch uns gibt Normalität Halt, daher haben wir uns für einen „normalen“ Spielbericht entschieden, dennoch war in diesem Spiel das Ergebnis unwichtig.
Die Anfangsphase gestaltete sich schwierig, der Jahn und Freiburg mit einigen Ballverlusten im Spielaufbau, gleichzeitig enttarnte sich das Pressing auf beiden Seiten als ineffektiv – das Ergebnis war ein sehr von Zufall geprägtes Spiel. In Folge dieser Schwäche im Regensburger Angriffspressing zog Joe Enochs Eisenhuth in die erste Pressinglinie, er sollte den zweiten IV anlaufen, nachdem Huth sich darauf fokussiert hatte, dass er möglichst viele Räume zustellt, um möglichst diese Falle zu aktivieren. In dieser schwierigen Phase gab es auf beiden Seiten vereinzelte Chancen, gerade Distanzschüsse wurden aufgrund der tiefen Blocks gewählt.
Erst in der 19. Minute funktionierte dann das Regensburger Umschaltspiel: Bryan Hein erhielt nach einem langen Ball von Bene Saller den Ball im Zentrum, legte dann auf Kother quer, welcher hinter die Kette gelangen konnte – der Ball im Tor, aber der Treffer zählte nicht. Im Stadion wirkte es wie eine klare Fehlentscheidung, aber es war im Nachhinein wohl eine knappe, aber richtige Entscheidung. Dennoch konnte man in dieser Situation 3 Prinzipien erkennen, welche im Jahn-Gen verankert sind:
- Das Überbrücken des Zentrums: Im zweiten Drittel gehen die meisten Konter aus, diesen gefährlichen Raum möchte man zielstrebig überspielen, um möglichst schnell (= vertikal) vor das Tor zu kommen.
- Rotationen: Warte…was macht Hein im offensiven Mittelfeld? Ja, das ist durchaus geplant. Die Richtung im modernen Fußball tendiert immer mehr zu freiheitlicheren Portionierungen, weg vom Positonsspiel. Auch der SSV Jahn implementiert einzelne Elemente, so rückten die AVs nicht wenige Male auf die 8, um dort den Halbraum zu überladen. Ein Kniff, der an Roberto de Zerbi erinnert. Gleichzeitig hat man mehr Spieler um den Ball, was die Effektivität im Gegenpressing deutlich erhöht, denn wo mehr Spieler, da weniger Raum und somit schnellere Zugriffsmöglichkeiten.
- Der Laufweg von Kother: Kother ist eigentlich ein Flügelspieler, dennoch tendiert er ins Zentrum. Durch das Wählen seines Laufwegs kommt er oft aus der Tiefe, ist so schwer zu verteidigen für Viererketten, und kommt so hinter die Kette, indem er sie vor Entscheidungen stellt. Wenn sich der Außenverteidiger fragt: „Gehe ich auf Kother oder mache ich den Raum zu?“, dann ist im besten Fall der Ball hinter die Kette schon gespielt.
Die Führung zum 1:0 erfolgte dann durch einen Elfmeter (33.). Erst ein Doppelpass von Kother (Rotation, da plötzlich auf anderem Flügel!) und Faber, welcher nach innen zog und dann zu Fall kam, der Schiedsrichter winkte erst ab, doch der Linienrichter stimmte ihn schnell um. Erneut eine strittige Entscheidung, aber laut Babak Rafati richtig: „Bei einem Zweikampf im Strafraum will Yilmaz den Ball spielen, verfehlt das Spielgerät aber, trifft stattdessen Faber hinten in die Hacke und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist ein Foulspiel, und die Elfmeterentscheidung somit richtig. Allerdings ist der Ablauf sehr unglücklich. Der Schiedsrichter zeigt zunächst klar und eindeutig zweimal gestenreich an, dass kein Vergehen vorliegt und entscheidet sofort danach auf Elfmeter. Es ist auch von der Körpersprache des Assistenten auf dieser Seite kein Zeichen oder eine entsprechende Körperhaltung erkennbar, dass dieser den Anstoß für diese Entscheidung gegeben hat. Fakt ist dennoch, dass die Entscheidung richtig ist, aber zugleich eine unglückliche Außenwirkung darstellt.“
Kurz darauf (34.) folgte dann das zweite Tor, nach einem Freistoß wurde der Ball immer länger und länger, ehe es dann zu spät für Jantunen war. Ein schöner Beweis, wie das Antäuschen bei Standards und die daraus zurückrückenden Ketten für einen Effekt haben können.
In dieser Zeit ereignete sich ein medizinischer Notfall auf der Hans-Jakob-Tribüne. Der Fan ist wieder ansprechbar, großer Dank an die schnellen Helfer. Gute Besserung!
Nach Problemen in den Übergaben in der Viererkette konnte sich Yilmaz in der 39. Minute einfach durchtanken, der abgefälschte Schuss landete unglücklich im Tor. Ein vermeidbares Tor, da sich niemand aktiv in den Zweikampf begibt, entsteht überhaupt die Chance. So ging die Jahnelf mit einer gerechten, aber durchaus unnötigen 2:1-Führung in die Pause.
In Minute 57, kurz nach dem Abtasten, kam der Jahn nach einem Ballgewinn nicht aus dem eigenen Drittel, Viet wurde von Ambros gestoppt, die folgende Flanke wurde auf Lienhard abgelegt, welcher glanzvoll in den Winkel vollendete. Ein Problem, welches den Jahn durch die Saison trägt: Man kann erst mit Raum umschalten, die Laufwege in die Tiefe kommen erst, sobald man einen raumgewinnenden (=progressiven) Pass spielen konnte. Dadurch begibt man sich durch die festgefahrene Struktur in eine Passivität, der Zugriff fehlt.
Eben so einen raumgewinnenden Pass spielte Anspach in der 76. Minute aus dem Mittelkreis ins letzte Drittel zu Kother, welcher sich gegen Bichsel hervorragend im 1 gegen 1 mit dem Rücken zum Tor durchsetzen konnte und dann auf Ganaus quer legte, welcher ohne Probleme vollendete. Das ist Konterfußball aus dem Lehrbuch, und einer dieser Umschaltspieler kann der aus der Verletzung zurückgekehrte Anspach sein, das bewies er bereits in Haching.
Die Schlussphase wurde von wilden Befreiungsschlägen geprägt, zu früh ließ man sich in eine tiefe Formation fallen und verfiel so in ein andauerndes Reagieren. Ex-Jahnspieler Al Ghaddioui hätte den Jahn dafür bestrafen können, aber sein Schuss wurde vom eigenen Spieler, Patrick Lienhard, kurz vor dem Tor geblockt. So blieb es beim 3:2 – ein Sieg, der in diesen Tagen nicht egaler sein könnte, aber auch ein Sieg für Agy.
Stimmen zum Spieltag
Andi Geipl zum Spiel: „Es war natürlich ein schweres Spiel, wie gesagt, es war für alle schwierig. Wir haben gesagt: „Wir wollen spielen“, das Ergebnis ist aber zweitrangig. Nichtsdestotrotz sind wir froh, dass wir es gewonnen haben.“
Andi Geipl zur Rolle als Führungsspieler: „Natürlich hat man da ein offenes Ohr für die Mitspieler, gar keine Frage. Die Situation ist schwierig, ich glaube, das ist allen klar, von dem her stehen wir das zusammen durch, wir sind füreinander da. Und dann sollten wir das hoffentlich irgendwie hinbekommen.“
Konni Faber zu einer sehr schweren Woche: „Mir fehlen die Worte, und mir fehlen nicht oft die Worte. Das war eine Woche, die ich so in meinem Leben noch nie so erlebt habe, die war voller Herausforderungen, umso stolzer bin ich auf den ganzen Verein und uns als Team, dass wir das für Agy mit einem positiven Ergebnis geschafft haben. (…) wir wollten unbedingt, wir wollten für Agy gewinnen, wir wollten uns so reinwerfen, dass es keinen anderen Sieger geben kann. Das macht uns noch viel stärker und schweißt uns als Einheit noch mehr zusammen. (…) Jeder geht mit Trauer anders um, das haben wir diese Tage auch gelernt. (…) Es tut gut, sich abzulenken und seine Freunde um sich rum zu haben. Diese Woche war niemand alleine zu Hause, niemand war Daheim und alleine für sich, überall wurde angeboten, ob wir nicht zusammen schlafen. Teils haben 3-4 Pärchen in einer Wohnung geschlafen. Das ist wirklich was ganz besonders und ich bin froh, dass ich Teil von dem Team sein darf.“
Wir versuchen wieder Halt zu finden, indem wir wieder in die Normalität übergehen. Wir werden unser Logo wieder in Rot färben und auch das Pensum an Artikel normalisieren. Wir werden Agy nie vergessen, das Andenken immer hochleben lassen. Mach’s gut, Agy.