Der Fußball entfernt sich immer weiter von der Basis, das ist ein Fakt. Die DFL schafft mit dem Investoreneinstieg eine ganz neue Ebene der Nicht-Kommunikation mit Fans, Fanszenen und Vereinen. Die Kurven des Landes protestieren und stehen auf – endlich. (Foto: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images via Onefootball)
Eigentlich dachte ich: „Ich schreibe dazu nichts.“ Die größte Ansammlung von Populisten im Ruhestand, von Spielern, die nur vom Gestern leben und sogenannten Qualitätsmedien – nämlich der Doppelpass – hat mich dann doch bewegt, dass ich meinen Senf dazu gebe.
Zurück zu den Wurzeln
Warum gehen wir ins Stadion, warum lieben wir diesen Sport? Diese Frage stellt sich eigentlich jeder nicht wenige Male in seinem Leben als Fan. Meistens hat man als Kind angefangen selbst zu spielen, ist dann in einem Verein eingetreten und wurde dann zum nächsten Profiverein mal ins Stadion mitgenommen. In der Phase der frühen Jugendzeit sozialisiert man sich dann mit diesem Verein, man findet diese unbeschreibliche Faszination und möchte immer mehr, immer weiter. Man ist fasziniert von den Trommeln, den Fahnen, den Spielern und der Moment des Tores bleibt einem tagelang in den Kopf.
Diese Gefühle haben auch mich dahin gebracht, wo ich heute bin. In die Kurve, neben den Platz als Analyst und hier als Pseudo-Journalist – was verbindet das alles? Die Liebe zum Spiel, das Leben für die 90 Minuten. Es treibt doch uns alle an, viele geben ihren letzten Cent für ihre Auswärtsfahrt und ihre Gruppe aus, man überlegt Stunden, wie man nun am besten nach Sandhausen, Langquaid oder Dresden kommt.
Die Fans spielen eine wichtige Rolle. Das Sehen und das Hören der Unterstützung durch die Fans in Form von Anfeuern, Fahnen, Bannern und Schals kann sich positiv auf die Psyche der Spieler auswirken und ihre Einsatzbereitschaft um bis zu 8 % steigern, laut einer Studie. Die Kurve ist ein wichtiger Teil des Spiels.
Doppelpass abschaffen!
Da wurde am Sonntag ernsthaft diskutiert, ob Fans das Recht haben, dass man protestiert. Darf der Doppelpass denn darüber urteilen? Um den Sport1-Chefredakteur zu zitieren: „Hat man überhaupt das Recht dazu?“. Nein, hat man nicht. Viele dieser Experten wissen doch gar nicht, welche Kultur hinter dem Sport steht, wie wichtig es ist, dass dieser Teil im Leben vieler Menschen bleibt. Und zwar nicht als Produkt, sondern als Sport und als Ort der Sozialisierung.
Dazu wissen diese Leute nicht, welche Strapazen viele Anhänger auf sich nehmen müssen, oft mehrmals in der Woche. Vielleicht sollten einige dieser Anzugträger mal um 19:30 Uhr am Sonntag nach Duisburg fahren und am nächsten Tag eine Sendung abhalten. Übrigens spielt weder der Jahn noch Duisburg international und spielt trotzdem am Sonntagabend, Grüße an Stefan Effenberg.
Es wurde einem durch die Blume erklärt, dass man eigentlich kein Teil der 90 Minuten ist, dass man nur als Nebenprodukt dasteht. Das stimmt A) wissenschaftlich nicht und B) sollte man als Strafe für diese Behauptung ein Spiel aus der Corona-Zeit ansehen, denn das geht über das deutsche Strafmaß hinaus. Der Fußball wird auch ohne Fans gespielt, aber wird nie ohne diese Kultur leben. Das sollten sich einige vor Augen führen.
Ein Format, welches so an den Menschen und der Basis vorbeiredet, welches eigentlich mehr vom Populismus und vom Gestern lebt, sollte nie über die Basis jammern und die eigenen Privilegien dabei vergessen.
Die Mehrheit steht auf
Doch warum diese ganze Aufregung? Nach dem Investorendeal der DFL haben die deutschen Fanszenen zum Protest aufgerufen. Mit Schokotalern, Tennisbällen, Zitronen und sogar Klopapier protestiert man gegen diese Entscheidung. Friedlich, aber der normale Ablauf wird gestört – so muss Protest aussehen! Und dennoch malen einige wieder ein Bild von Verbrechen, weil man wenige Minuten vor dem TV gestört wird, absurd. Mit dem bedingungslosen Hetzen gegen Fanszenen werden auch Boulevard-Blätter nichts erreichen, denn die Basis fühlt sich vom Sport entfremdet und nicht nur eine kleine Minderheit.
Wenn 30.000 Fans in der Ostkurve von Hertha BSC und ein Auswärtsblock vom HSV rund 30 Minuten gegen die DFL stellen, dann ist dies mehr als das halbe Stadion. Darf man da noch von einer Minderheit sprechen? Nein! Es ist nur ein weiteres Versteckspiel von Boulevard-Journalisten und Verbänden vor den Folgen des eigenen Geschäftes, zwangsläufig hat man Angst vor Solidarisierung mit dem Protest und muss sich daher einen Gegner suchen, auf den man einfach schießen kann. Man möchte Protestierende entfremden und so einen Gegenpol aufstellen. Das wird aber nicht gelingen.
Dass dazu ganz nebenbei friedlich protestierende Fans von der Polizei in Gewahrsam genommen werden und möglicherweise Stadionverbot belommen, weil sie Klopapier aufs Spielfeld werfen, wirkt wie eine schlechte Komödie, ist aber Teil der Wahrheit. Wer andere unbeteilligte Menschen bedroht oder körperliche Gewalt im Stadion anbringt, der verdient Konsequenzen, aber dieser Protest verläuft friedlich und ruhig. Lasst euch nicht unterkriegen, Jungs und Mädels.
Ein neues Kapitel der Nicht-Kommunikation
Anfangs sagte Hans-Joachim Watzke noch, dass man den Weg für den Investoren-Deal nur ebnet, wenn man eine „klare Mehrheit“ findet, dazu pries er eine gute Kommunikation an. Nun kann sich jeder ein eigenes Bild formen, ob dieses Versprechen eingehalten wurde, wenn man es nun mit einer Stimme Unterschied macht. Dazu ist diese Stimme nicht ansatzweise „klar“, denn Martin Kind hat sich wohl über den entscheidungsbefähigten e. V. hinweg gesetzt und dafür gestimmt. Rechtlich kann man dies aber nicht belangen, denn die Entscheidungsträger haben eine geheime Wahl beantragt, wohlgemerkt mit Papier und Stift, denn digital war ihnen zu gefährlich. Da wird es für einen Deal der Digitalisierung durchaus Zeit!
Dieses Vorgehen von Martin Kind zeigt einmal mehr auf, dass sich einzelne Personen über die Regeln und Versprechungen hinwegsetzen dürfen, sobald es um sehr viel Geld geht. Es kann nicht sein, dass man die 50+1-Regel so aushebeln kann, es braucht hier Reformen, ansonsten wird 50+1 nur eine Worthülse. Ein Übergehen von Fans und Verein mit dem einzigen Willen, selbst im Recht zu stehen, ist nicht weniger als Egoismus pur.
Die DFL schweigt öffentlich weiter zur Thematik Hannover 96. Auch wenn es rechtlich keine Möglichkeiten gibt, fand diese Abstimmung ohne Legitimation statt. Man stelle sich vor, es würde in einem Parlament zu so einer Situation kommen, eine Abstimmung würde immer wiederholt werden. Jetzt so zu tun, als wäre nichts gewesen und irgendwie den Deal durchzudrücken, wirkt fernab jeglicher Realität. Auch ein Aufsichtsrat schweigt, obwohl es durchaus nach Paragraf 7, Nr. 4, Buchstabe C, Satzung der DFL, unter seinen Aufgaben liegt: „Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung.“
Aber die DFL ist eben kein Parlament und kein Zentrum der Demokratie. Vielmehr regiert man wie ein Königshaus oder eine Scheindemokratie. Das Zeitalter der Hinterzimmerdeals im Fußball muss enden und das eher heute als morgen.
CVC als mahnendes Beispiel
Dazu ist es an Absurdität nicht zu überbieten, dass wir einen Deal abschließen wollen, um näher an die internationale Konkurrenz gelangen, welchen die anderen Ligen fast genau so schon vor Jahren geschlossen haben. Was ergibt das für einen Sinn? Auch muss man erwähnen, dass diese Ligen sehr unzufrieden sind, zum Beispiel hat Frankreich Marketingrechte bis in die Ewigkeit aufgrund eines Vertragsfehlers verkauft. Die DFL ist auch nicht vor solchen Fehlern mit schwerwiegenden Folgen geschützt. Es wäre nicht das erste Mal, dass man aufgrund zu wenig Absicherung Wege für umstrittene Entscheidungen öffnet. In Italien, Spanien und Frankreich haben sich nach den Deals die Spieltage weiter zerstückelt, dazu werden teils Spiele im Ausland gespielt und die externe Einflussnahme ist um ein Vielfaches gestiegen – wollen wir das wirklich?
CVC hat dazu in Spanien die Büchse der Pandora geöffnet und die Liga in die finanzielle Abhängigkeit gestürzt. Nebenbei war der Deal so schlecht, dass Real Madrid und Barcelona aus dem Deal ausgestiegen sind. „Dieser Deal ist desaströs, erbärmlich und, wie ich finde, illegal“, kommentierte der spanische Verbandspräsident. Im Nachhinein wurden Stimmen laut, man hätte es anders besser finanzieren können. Auch hier bei der DFL ist man sich sicher, mit einem Plan das geforderte Geld erwirtschaften zu können, ganz ohne Rechteverkauf. Das Problem: Man müsste kurzfristig auf Geld verzichten und mehr an die Langfristigkeit denken – was man wohl nicht will.
CVC, die als Favorit für den Einstieg gelten, beziehen ihr Geld zu einem großen Teil aus Saudi-Arabien. Wollen wir das? Können wir uns da als Fußball-Deutschland wirklich noch in die Augen sehen? Mit diesem Deal würden wir die Einzigartigkeit in Europa verlieren und würden mit dem Wahnsinn der anderen Nationen beginnen. Wir können es nicht zulassen, dass Menschenrechtsverbrecher unseren Fußball unterwandern. Außerdem wären wir nicht mehr der einzigartige Fußball, sondern nur eine Investition von vielen, denn CVC hält rund 26 Milliarden Euro an Gesamtvolumen.
Historische Beispiele, auch im Fußball zeigen: Modelle, wo man einen kleinen Teil an Rechten verkauft, werden nie mehr unabhängig sein. Es entsteht ein Kreislauf, in dem immer mehr veräußert wird. Sehr wenig Nachhaltigkeit für einen Verband, welcher seine Vereine zu eben jener mit einer Richtlinie verpflichtet.
Die Folgen für den Jahn
Chaled Nahar, Freund des Blogs, schreibt dazu: „In einem Anschreiben an den DFB, der die 3. Liga organisiert, verwiesen die Klubs auf die Dringlichkeit des Themas. Aus zeitlichen und organisatorischen Gründen sei es nicht möglich gewesen, sich mit allen Vereinen aus der 3. Liga und aus den Regionalligen abzustimmen.“ Das war wohlgemerkt nach der ersten Abstimmung. Und heute? Bis wenige Monate nach der Abstimmung liegt kein Konzept für die Ligen unter der 2. Bundesliga vor, das Thema scheint den Verantwortlichen egal zu sein. Zukünftige Vereine, welche in die 2. Bundesliga aufsteigen, sollen davon profitieren, heißt es aus dem Lager der DFL – bei einem Aufstieg also auch der SSV Jahn.
Doch was könnte der Jahn mit dem Geld machen? Ein großer Teil soll laut dem Verband zufolge zweckgebunden in infrastrukturelle Maßnahmen bei den Klubs fließen und nicht frei in den Kader oder auch in den Abbau von Schulden. Das hängt vom Zustand ihrer Infrastruktur ab. Wer also keine oder wenig Maßnahmen nötig hat, kann das übrige Geld frei verteilen. Mit dem Bau des NLZs wäre also wohl klar, dass es auch dort einen Schub geben könnte.
Wie wird das Geld verteilt? Die Verteilung des Geldes richtet sich nach dem stark in der Kritik stehenden TV-Schlüssel. Der Jahn würde dort bei einem Aufstieg auf Platz 17 stehen, ganz unten in der Verteilungskette. Beim 2024 anstehenden Neuverkauf der TV-Rechte ab 2025/26 werden große Einbußen erwartet, daher wird der Schlüssel aktuell diskutiert. Wie sich das Investoren-Geld dann verteilt, ist unklar.
Wir sind in der Pflicht
Der Protest der Fanszenen ist wichtig und richtig. Es hat sich bei allen Fans etwas aufgestaut, nachdem die DFL seit Jahrzehnten die Belange der Fans ignoriert. Der Deal um den Investor ist ein Skandal, aber am Ende auch nur die Kirsche auf der Torte. Zerstückelte Spieltage, RaBa Leipzig, Geldverteilung usw. – all diese Themen werden kritisiert, aber seitens der Entscheidungsträger ignoriert.
Desehalb ist es an der Zeit, dass wir aufstehen. Und zwar nicht nur die Fanszenen, sondern auch normale Fans, welche diesen auch Sport lieben. Wir als SSV Jahn Regensburg sind eine Insel im Profifußball, bei uns ist die Welt noch in Ordnung, aber auch uns könnten die Folgen einer weiteren Entfernung zu direkten oder indirekten Konkurrenten sehr treffen.
Der Protest wird weiter gehen, es wird auch weiter Schokotaler regnen – egal was Verbände, Boulevard-Journalisten oder Offizielle den Protestierenden unterstellen.
Nein zu Investoren – in der DFL, in Vereinen, überall!