Am Samstag, den 10.02.2024, um 14:00 Uhr bitten unsere rot-weißen Jungs die rot-weißen Jungs aus dem Ruhrgebiet zum Essen. Den SSV Jahn packt am Anfang der Rückrunde das Verletzungspech – wer ausfällt und was uns mit dem nächsten Gegner erwartet, erfahrt ihr hier. (Foto: Christof Koepsel/Getty Images)
Was macht Rot-Weiss Essen denn eigentlich aus?
All jene, die sich mit Fußball beschäftigen, kennen es. Es gibt immer wieder Vereine, von denen man mal gehört hat, aber nicht so recht weiß wieso. Sei es an bekannten Stadien wie der Tivoli in Aachen oder einfach nur ein Name wie der von den Leipziger Vereinen Lokomotive oder BSG Chemie.
Unser nächster Gegner ist ebenfalls ein solcher Verein: Rot-Weiss Essen – eine der vielen Traditionsmannschaften aus dem Ruhrgebiet. Die Essener sind übrigens Nachbarn unseres letzten Gegners, des MSV Duisburg. Aber wie unterschiedlich Wege gehen können, zeigen diese beiden Vereine. Während es Duisburg alles andere als gut geht, hat Essen nach der Insolvenz 2010 sich Stück für Stück von der NRW-Liga wieder in die 3. Liga zurückgearbeitet.
„Zusammen hoch 3“ ist dabei ein Satz, der bei vielen schon das Gefühl hervorrufen dürfte, Rot-Weiss Essen zu kennen. Das könnte an der Doku “Traditionsvereine nach dem Absturz” liegen. In dieser Doku nimmt Essen, die damals noch in der Regionalliga unterwegs waren, einen Teil ein. Zusammen hoch 3 war ein Projekt der Essener, mit welchem man die Region mitnehmen wollte. Man stellte sich die Frage „Was haben wir erreicht? Wo stehen wir jetzt, 5 Jahre nach der Insolvenz?“. Man versuchte, innerhalb von 3 Jahren in die 3. Liga aufzusteigen. Dies gelang jedoch nicht ganz und mit etwas Verspätung erst 2022, doch nun sind sie seit vergangener Saison wieder da und das furioser als wohl manch einer dachte.
Doch woher sagt einem RWE noch etwas? Jeder, der sich etwas mit der Fußballhistorie in Deutschland beschäftigt, weiß oder wird feststellen, dass Essen bereits Deutscher Meister war: im Jahr 1955 im damaligen Niedersachsenstadion Hannover vor 76.000 Zuschauern. Apropos Meister: Der allererste deutsche Meister war der VfB Leipzig, der mittlerweile im o.g. Verein Lokomotive Leipzig mit aufgegangen ist. Durch diesen Erfolg war RWE der erste deutsche Verein, der am Europapokal der Landesmeister teilnahm.
Einer der wohl mit bekanntesten Gründe ist wohl das “Wunder von Bern”. Entweder weil man das reale Ereignis oder den Film von Sönke Wortmann kennt. Im Jahre 1954 wurde Deutschland zum ersten Mal Weltmeister. Helmut Rahn, der sich im WM Tunier immer mehr durchsetzte, erzielte damals den Siegtreffer, begleitet von der berühmten Moderation von Radiokommentator Herbert Zimmermann: “… Kopfball – abgewehrt – aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen – Rahn schießt! – Tooooor! Tooooor! Tooooor! Tooooor! …”
Rahn, gebürtiger Essener, spielte die meiste Zeit seines Lebens in Essen und von 1951-1959 für Rot-Weiss. Am Ende seiner Karriere spielte er allerdings beim heutigen MSV Duisburg. Ob das sein Bild für manche trübt? Ich denke, man kann darüber hinweg sehen.
Wenn man jedoch die Liste der bekannten Spieler liest, die sich bei Essen verdingt haben, so fallen einige bekannte Namen auf. Ebenfalls ein Essener Original und auch Spieler des Rivalen aus dem vornehmen Süden der Stadt, Schwarz-Weiß Essen, ist Sascha Mölders. Heute noch von vielen Fans der Münchner Löwen als „Wampe von Giesing“ geliebt, verbrachte Mölders in seiner Heimatstadt nicht nur seine Jugend dort, sondern auch als Profi. Für Rot-Weiss Essen war er zwischen 2008 bis 2010 am Ball.
Auch ein Essener Jung und Rekordtorschütze des BVB ist Manfred Burgsmüller, der von 1969-1990 in der Bundesliga und insgesamt 6 Jahre bei RWE spielte. Nach seiner großen Karriere – er belegt Platz 5 in der ewigen Torschützenliste der Bundesliga – war er noch einige Jahre in der NFL Europe als Kicker tätig.
Und damit nicht genug von Essener Profifußballern: Wir dürfen nicht Otto Rehhagel vergessen, welcher mit Kaiserslautern als Aufsteiger Deutscher Meister wurde. Er began seine Karriere als Spieler ebenfalls in seiner Heimatstadt und war von 1960-1963 dort tätig.
In der Jugend verbrachte auch Mesut Özil 5 Jahre bei den Mannen aus dem Pott. Der Weltmeister von 2014 spielte von 2000-2005 bei Rot-Weiss Essen, bevor er zu Schalke 04 ging und seine große Karriere startete.
„Nur“ 4 Jahre verbrachte Werner Lorant in seiner Spielerkarriere bei RWE. Von 1973-1977 schnürte der deutschlandweit bekannte Trainer seine Schuhe für den Verein.
Man sieht also, dass mit Rot-Weiss Essen ein Verein mit viel Geschichte, Rang und Namen auf die Jahnelf zukommt. Doch was sagen eigentlich die Statistiken über den Verein aus?
Der Taktik-Blick auf RWE
Joe Enochs warnt immer vor dem nächsten Gegner, das gehört als Trainer zum guten Ton, denn wer respektiert werden will, der muss auch selbst Respekt zeigen. Bei Rot-Weiss Essen aber ist es berechtigter als bei anderen Gegner.
Mischung aus Ballzirkulationen und Vertikalfußball
Ich erwarte den nächsten Gegner auf dem Papier in einem 4-2-3-1-System (Wienand – Brumme, Götze, Alonso, Voufack – Müsel, Eisfeld – Young, Harenbrock, Obuz – Vonic). Im Spiel mit dem Ball steht die Außenverteidigung breit und hoch, auch die Innenverteidigung baut breit auf, dazu formiert sich der Torwart als alternative Anspielstation und wird gerne als „Notfallknopf“ nach Druckstituationen genommen.
Mit Eisfeld erwarte ich eine pendelnde Sechs. Seine Aufgaben? Er soll nicht nur schablonenhaft zwischen den Innenverteidigern abkippen, sondern auch Dynamik anbringen und zwischen den Linien pendeln. Dadurch zieht er Gegenspieler an, provoziert Pressing und öffnet Räume.
Insgesamt sieht man wie immer häufiger ein dynamisches Gebilde mit einem 2-4-Aufbau, was auch Rotationen zulässt. Der Jahn wird versuchen, hoch zu pressen, dafür wird man lange Bälle und aktiv den Raum vor den Ketten ersuchen, denn gerade in „linienbrechenden“ Pässen ist die Mannschaft große Klasse. Was bedeutet das? Wir werden sehen, dass unser Pressing durchaus überspielt werden kann, es wird ein schmaler Grat zwischen Intensität und Sicherheit. Es wird essenziell sein, wie die Mannschaft vertikal und horizontal verschiebt.
Die Innenverteidigung versucht, selbst ins Dribbling zu gehen und die erste Pressinglinie zu überspielen, wenn der Gegner eben jene Intensität nicht aufzeigen kann. Da bewies gerade die Hintermannschaft in meinen Augen ein gutes Gefühl, wann man welche Aktion wählt.
Erste Phase im Spielaufbau: Innenverteidigung sucht Räume, zieht sich auf, bindet auch Torwart mit ein, die Sechser versuchen hinter der ersten Linie zu agieren und die (teils eher tiefe) Dreierreihe steht sehr breit, um die AV auseinanderzuziehen (Fokus auf Zwischenräume). Frühzeitiges Antizipieren und Starten in die Tiefe aus dem Zentrum hinter die Abwehrreihe.
Zweite Phase im Spielaufbau: Nach Ballbesitz mit Raumgewinn sucht man die Vertikalität, dabei sieht man oft inverse Flügelläufe und Verlagerungen vom Flügel ins Zentrum. Um die Zirkulation zu fördern, versucht man auch eine Dreiecksbildung auf den Flügel zu generieren (Überladung).
Dritte Phase im Spielaufbau: Oft Vorstöße dann über die Flügel, dazu eine hohe Boxbesetzung aber auch im Rückraum, man versucht aber auch den Angriff neu zu ordnen und wählt den spielerischen Ansatz als bloßes Flanken. Anfälligkeit nach Ballverlust, gerade lange Bälle durch hohe Ketten sind eine Gefahr.
Nach Ballgewinn: Hat man nicht genug Raum, dann geht man in den strukturierten Ballbesitz, tendenziell aber schon Fokus auf vertikales Umschaltspiel, nachdem man den Ball gewonnen hat. Es ist aber eher flexibel.
Schwächen gegen den Ball
Im Pressing sehe ich die Essener sytematisch in einem 4-1-4-1 bzw. einem 4-2-2-2. Was erwarte ich? Erwartungsgemäß werden sie konservativ unsere Innenverteidigung anlaufen, aber die zweite Linie (Außenverteidigung und zentrales Mittelfeld) aggressiv. Die Spielmacher bzw. die Sechser werden dazu isoliert und eng zugestellt, hierbei wird es für sie wichtig, wann man von dieser Mannorientierung rotiert und ob man dadurch nicht eher andere wichtige Zonen vernachlässigt.
Das von hinten Pressen, wenn die Linie überspielt wurde, sieht man bei ihnen nicht. Vielmehr liegt der Fokus beim Zustellen von Passwegen, gerade im Zentrum. Durch diesen Fokus wirkt es oft sehr statisch und man verpasst den Moment, wann man aus dem Konstrukt ausbricht und in die Zweikämpfe geht. So können Gegner ziemlich einfach das Pressing-System brechen, wenn sie den Raum zwischen den Linien suchen.
In der Vergangenheit hatten sie dazu Probleme, wenn der Gegner die letzte Reihe mit einer hohen Anzahl an Angreifer besetzt, da man dann ebenfalls sehr oft aus der Statik nicht in eine Dynamik kommt. Ähnliches gilt, wenn der Jahn beispielsweise Positionen rotiert und etwa Viet plötzlich am Flügel und Kother auf der 10 spielt, da dann sich der direkte Gegenspieler ändern würde.
Man lässt dem Gegner immer etwas Spielraum, gerade im zweiten Drittel, dazu wirkt das Herausrücken vor allem bei langen Bällen etwas naiv und es entstehen überdurchschnittlich viele Räume hinter die Kette.
Nach Ballverlust: „Anfälligkeit nach Ballverlust, gerade lange Bälle durch hohe Ketten“, hier wird das Gegenpressing essenziell. Wie kann man nachsetzen, den Raum verengen, wenn man den Ball verloren hat und kann man den langen Ball verhindern?
Kann man im Gegenpressing keine Nadelstiche setzen, so verfällt man in einen tiefen Block. Daraufhin versucht man den Ball auf die Außen zu lenken und den Raum im Zentrum zuzustellen.
Respekt, aber keine Angst
Ich habe Respekt vor Rot-Weiss Essen, es ist ein Verein, welcher gerade so vor Historie strotzt. Auch in der Gegenwart ist der RWE wieder angekommen. “Der RWE ist wieder da!”, hallte es durch die Hafenstraße. Ja, ihr seid wieder da.
Auf uns wartet nicht nur ein schlafender Riese, sondern auch eine eklige Mannschaft. Es wird essenziell sein, ob wir unser Spiel durchziehen können oder ob wir nur Reagieren auf den Gegner. Dahingehend müssen wir mit klarem Kopf im Jahnstadion auftreten, mit der Tabellenführung im Rücken.
Essen ist nichts weniger als ein Gradmesser, kannst du gegen sie bestehen, dann darfst du dich als Aufstiegskanditat bezeichnen. Wenn nicht, solltest du auch deine taktische Herangehensweise hinterfragen. RWE hat seine Stärken, aber auch klare Schwächen, die ein Tabellenführer ausnutzen muss.
Aber nie vergessen: Es ist aktuell so schön wie lange nicht mehr, vielleicht wie noch nie. Eine Saison wie ein Gedicht, bleibt weiter so kreativ – es ist erst der Anfang.
Gemeinsam nach vorn – Avanti Ratisbona!
Maximilian Aichinger
Der Blick auf die Jahnelf
Joe Enochs musste auf der PK beim Thema Verletzte eine bittere Neuigkeit verkünden – Erik Tallig wird mit einen Kreuzbandriss gut 10 Monate fehlen. Das sei sehr bitter für den jungen Spieler und jener sei auch am Boden zerstört gewesen nach der ersten Diagnose, sei aber ebenso ab Tag 2 auch schon wieder kämpferisch unterwegs gewesen am Trainingsgelände.
Neben den bekannten Verletzungen von Felix Gebhardt und Eric Hottmann sind Oscar Schönfelder und Christian Viet fraglich für das Wochenende. Schönfelder plagt eine muskuläre Geschichte nach dem Spiel in Duisburg und „Chrille“ Viet sei noch nicht ganz bei 100%, würde aber am Mannschaftstraining wieder teilnehmen. Eng soll es für beide werden!
Dafür ist Kelvin Onuigwe von der Jahnschmiede seit Montag wieder fest im Training.
Beim Ausblick auf das Spiel gegen Essen konnte unser Trainer abermals nur betonen, dass wir gegen den Gegner unsere Basics bringen müssen und jedes Spiel in der 3. Liga einfach keine Selbstverständlichkeit sei. Jedes Spiel ist schwer, sei es gegen ein Tabellenkind wie Duisburg letzte Woche oder eben gegen den Fünftplatzierten dieses Wochenende. Das Spiel gegen 1860 unter der Woche könne man auch nicht als Blaupause verwenden, da den Essenern wichtige Spieler fehlten. Der Übungsleiter unserer Mannschaft konnte aber auch feststellen, dass wir seit dem sehr schweren Hinspiel (damals ein eher glückliches 0:0) eine sehr deutliche Entwicklung genommen hatten und daher hoffentlich besser performen werden.
Bei den vielen Ausfällen derzeit sei der US-Amerikaner heilfroh über unsere Jahnschmiede, man schenke dort keinem Spieler etwas. Die Jahnschmiede sei definitiv kein Gimmick, sondern die Spieler hätten sich die Einsätze auch immer hart erarbeitet. Max Meyer trainiere nächste Woche in den Ferien auch mal die komplette Woche bei den Profis mit.
Jeder im Kader sei wichtig und Wochen wie diese würden das nur erneut beweisen.
Florian Zeiller