Als ich in letzter Zeit mich im Trainer-Bereich etwas fortbildete, stand vor ein paar Wochen auch ein kleines Seminar zum Thema Psychologie an. Wie geht man mit Spielern um? Genau genommen hatte ich davon keine Ahnung. Auch in der aktuellen Lage des Jahn findet man durchaus Anwendung dafür. (Foto: Gatzka)
Der Umgang nach Niederlagen
Als Thomas Tuchel vor einer entscheidenden Partie im Abstiegskampf mit Mainz 05 stand, zeigte er folgendes Zitat: „I’ve missed more than 9000 shots in my career. I’ve lost almost 300 games. 26 times, I’ve been trusted to take the game winning shot and missed. I’ve failed over and over and over again in my life. And that is why I succeed.“ Michael Jordan drückte damit aus, dass es oft nicht auf das heute oder morgen ankommt, sondern auf etwas längerfristiges. Auch andere Stars wie Cristano Ronaldo oder Didier Drogba betonen immer wieder, dass verlorene Partien als Teil der Entwicklung gesehen werden. Hier trennt sich bei Spitzensportlern oft die Spreu vom Weizen: „Wie gehe ich mit Fehlern um, wie lerne ich daraus?“ Wer diese Fragen richtig beantwortet, der ist befreiter, mutiger und auch kreativer.
Ich war Torwart, ich habe mich oft tagelang über Fehler geärgert, ich ließ mich durch sie definieren. Ein kleiner Fehlpass in einem perfekten Spiel war für mich eine mittlere Katastrophe – das ist auf Dauer ungesund. Wenn dann noch der Druck wie in der 3. Liga dazu kommt, dann wird es nicht nur sportlich schwieriger, sondern auch gefährlich für den Sportler. Es ist wichtig, dass man nicht in die Perfektionismusfalle tappt. Es ist wissenschaftlich durch einige Untersuchungen belegt, dass Perfektionisten durchaus schlechter performen.
Was entsteht durch eine falsche Fehlerkultur? Man entwickelt automatisch eine Angsthaltung – man ist deutlich nervöser und hat Angst vor Fehlern. Oft stellt man sich die Fehler im Kopf vor – dadurch verliert man erneut. Unterbricht man diese Kettenreaktion nicht, so kommt man in die oft beschriebene „Abwärtsspirale“. Oft kommt es dann zu sportlichen Entscheidungen, wo Trainer entlassen werden, da er seine Kabine nicht mehr erreiche.
Hier muss man als Trainer ansetzen und auch das „Verlieren“ im Training und den Umgang einüben. Wer schon im Training dadurch den Kopf verliert, der wird im Spiel erst Recht Probleme bekommen. Aus einem „passt schon“ muss in der Spielbewertung ein „das Passspiel war heute super werden“, es hört sich kitschig an, aber dieses Hervorheben bringt sehr viel. Fingerzeige wie „was machst du?!“ oder „das geht besser!“ sind Gift, denn sie bringen eine Distanz zwischen dem Spieler und sich selbst. Der Teufelkreis wird dann dazu führen, dass man es eben nicht besser macht, sondern gerade kreative Spielphasen noch schlechter gelöst werden und die körperliche sowie mentale Bereitschaft sinkt.
Einige Leute werden nun die Augenbrauen heben und sagen: „Das ist ja alles verweichlicht! Ich brauche Druck!“ Nun, es ist richtig, dass zu wenig Druck ebenfalls keinen positiven Effekt hat – wissenschaftlich gesehen ist es wichtig, dass man die Mitte findet. Ein oft gefordertes Schleifen ist aber kein Druck, sondern ist gefährlich – mental wie für den Körper.
Wir stellen fest: Eine positive Fehlerkultur macht mutig und kreativ. Dafür brauche ich eine gute Kommunikation nach Fehlern – wie kritisiert wird, wie gefeiert und wie Nachrichten übermittelt werden. Oben steht immer Respekt, jeder im Team muss sich als ein Teil sehen. Wenn ein Spieler nicht spielt, dann als Ergänzungsspieler genau so wie der Teammanager. Was man nicht brauchen kann, das ist Lästern über Mitspieler, das sollten sich einige ganz schnell abgewöhnen aus der Jahnelf.
Der Umgang mit Druck
„Ich bin ich – egal, wie ich spielte“, das ist oft ein entscheidender Satz in der Sportpsychologie. Ein falsches Selbswertgefühl ist im Fußball eine Berufskrankheit, einige werden abhängig von Anerkennung, andere fühlen sich aber auch eingeschränkt in ihrer Identität. Einige setzen sich auch aufgrund kindlicher Erfahrungen immer wieder selbst unter Druck, denn wer kennt es nicht, man bringt eine gute Note heim und wird gelobt, aber bei einer schlechten hängt der Haussegen schief. Genau in diesen Situationen entwickelt sich das, was im Sport sichtbar wird.
Als ich damals kurz vor dem „Einzug“ in ein NLZ stand, war ich so fokussiert auf den Traum, dass ich den Spaß vergessen habe. Auch in Gesprächen mit anderen Amateurfußballern stellte sich oft die Frage: Warum spiele ich eigentlich noch Fußball? Die Art und Weise, wie ich über „mein“ Spiel nachdenke, entscheidet die Gratwanderung zwischen einem verkrampften, leistungsmindernden und lockeren, leistungsfördernden Zustand. Es sind dann oft diese Drucksituationen, wo ein Trainer bewusst Humor streut, einfach um Lockerheit freizusetzen. Ich dachte früher, dass mich sowas eher hemmt, aber in Wahrheit ist das Gegenteil der Fall.
Die Spieler stehen in der Mixed Zone mit gesenktem Kopf, es fallen Aussagen wie: „wir müssen weiter an uns glauben“. Eigentlich denkt man, dass dies eine ganz normale Aussage ist. Aber im Endeffekt kann das „muss“ auch etwas auslösen in uns. Oft ist die Folge, dass man sich weiter hinterfragt und sich so unter Druck setzt, damit man weiter an sich selbst glaubt. Eine Aussage wie „Wir glauben an uns; denn wir sind gut“ ist hingegen eine positive Einstellung und man ist unterbewusst deutlich bereiter.
Es ist die 89. Minute, man steht am Elfmeterpunkt, wie fühlt man sich da? Scheiße. Der Weg wird länger und länger, man wandert gefühlt in die Hölle. Oft ist man in einem Tunnel, man spürt den Druck nur durch das rasante Herz. In diesen Momenten neigen viele Sportler, dass sie sich auf die Ausführung fokussieren, dadurch gehen aber Automatismen und die Intuition verloren. Am besten ist ein Spieler, der einfach macht. Auch ich versuchte dieses „Nichts-Denken“, das Problem war, es geht einfach nicht. Sportpsychologen sagen dann, man soll an das denken, was als Erfolg am Ende dabei rumkommen kann, also der Torjubel beim Elfmeter. „Positive emotions produce optimal functioning“, um die Broaden-and-Build Theorie zu zitieren.
Die richtige Zielsetzung
Zlatan Ibrahimovic sagte einst: „Wenn du zu viel möchtest, dann verkrampfst du.“ An diesem Satz ist Einiges dran. Kennen wir es nicht alle? Man steht auf dem Platz, man denkt, dass man bereit ist, aber man sieht es schon in den Gesichtern: Heute geht gar nichts. Nicht wenige Male ist es auch mir passiert, dass ich plötzlich blockierte, der Fokus weg war und ich nur noch verlieren konnte. Es mag in Einzelsportarten noch eine größere Rolle spielen, aber auch in Teams sieht man es sehr häufig.
Auf Pressekonferenzen hört man dann oft, man müsse sich nun am Inhalt stützen. Auch das ist aus sportpsychologischer Sicht berechtigt, denn eine am Inhalt orientierte Herangehensweise kann dich vorm sportlichen Versagen zwar nicht schützen, aber vor einem mentalen, längerfristigen Loch. Wie sieht sowas aus? Gebunden an die Philosophe des Jahns kann sowas sein, dass man das beste Pressing der Liga stellen möchte, bereits den ersten Pass nach Balleroberungen nach vorne spielen oder auch einfach alles rauszuhauen. Diese Ziele sind immer erreichbar, dazu kann es der Einzelne beeinflussen und hat so eine gewisse Kontrolle. Diese Kontrolle kann dich in schweren Phasen auffangen und das kopflose Handeln verhindern.
Die Wahrheit ist im Fußball oft anders, man schafft sich Vermeidungsziele wie „nicht abzusteigen“. Das kann man als Spieler und als Team oft nicht beeinflussen, denn da spielen nicht wenige nicht kontrollierbare Effekte mit rein. Das kann dann in Folge oft das Level der Energie oder auch das Vertrauen in sich selbst sowie in das Team gefährden. Oft wird man dann in der Tabelle durchgereicht, was kontraproduktiv ist. Oft hat man einen Drang, dass man große Ziele nach außen artikuliert, aber diese werden nicht mit kleiner Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt, denn man lässt sich in der Zielsetzung oft von Träumen oder einem Idealzustand leiten, so kann die kleinste Erschütterung schon eine Kettenreaktion auslösen. Auch stützt man dadurch, dass man bei erfüllten Zielen dann nicht mehr hart an sich arbeitet und das Potenzial langfristig nicht ausschöpfen kann. Vielmehr braucht man einen Weitblick, man sollte mit Fehlern rechnen und immer wissen, dass auch schlechte Spiele kommen werden.
Der Prozess steht über allem, dabei muss man sich selbst aber auch loben und den Ist-Zustand auch einfach mal genießen. Aber ich bin ehrlich: Ich war nie jemand, der das eingehalten hat. Ich setzte mir eigentlich immer Ziele, die ich nicht erreichen konnte, da ich vom Profiußball träumte und so einfach getrieben war. In Folge verlor ich meinen Kopf in den Spielen, traf falsche Entscheidungen und konnte nicht mehr mein Spiel durchziehen. Druck ist aber für jeden anders, andere Sportler zerbrechen daran. Welche Namen würden wir heute in den Stadien dieser Welt sehen, wenn sie dem Umgang mit Zielen oder Träumen gelernt hätten? Wir wissen es nicht; aber sie hätten ganz bestimmt keine große Enttäuschung erfahren, wären vielleicht in keine Lebenskrise gefallen. Beim SSV Jahn geht es aktuell weniger darum, aber es geht um die Frage, wie gehen wir als Umfeld mit dieser Situation um? Wie können wir die Mannschaft unterstützen, ohne sie noch weiter in die falsche Richtung zu treiben? Diese Fragen kann ich nicht beantworten, aber ich hoffe, ich konnte zur Meinungsbildung beitragen.
Der Blick auf den Jahn
Der aufmerksame Zuschauer bemerkte wohl in den vergangenen Spielen verletzungsbedingt mehr Abstimmungsfehler als in der Hinrunde. Auch in der Box scheint vieles einfach weniger selbstverständlich als in der Hinserie. Umso wichtiger ist nun die Rückkehr dreier Säulen des Erfolges. Christian Viet, Andi Geipl und Felix Gebhard dürften am Samstag wieder auf dem Platz stehen. Joe gab auf der PK vor dem Spiel ein Update zu den angeschlagenen Spielern: Offenbar wären Alex Bittroff und Jonas Bauer wieder Optionen für das Duell, bei Ziege müsse man allerdings schauen, “ob die Zeit für ihn reicht”. Die Langzeitverletzten Hottmann und Tallig befinden sich weiterhin nicht im Training.
Man kommt aus einer Phase, die man bisher nicht so hatte in der Saison, Erfolgserlebnisse fehlen klar. Umso wichtiger ist, dass der laut Kicker-Noten beste Spieler, Felix Gebhard, in die Startelf zurückkehren dürfte. Die Fehler der Mannschaft wurden in den letzten Trainingseinheiten selbstkritisch von den Spielern analysiert. “Wir sitzen alle in einem Boot!”. Joe sieht alle Chancen im Team, gesterkt aus der Negativphase herauszukommen. So sähe er gute Chancen, die 3 Punkte in der Domstadt zu behalten. Kann doch gar nix schief gehen, möchte man fast schon meinen.
Die Jahnwelt lechzt nach einem Sieg. So lange nicht mehr zu gewinnen ist der in den letzten Monaten erfolgsverwöhnte Fan fast nicht mehr gewohnt. Das spiegelt sich klar im großen Andrang auf Plätze im Stadion wieder. Abgesehen davon, dass das Stadion wohl vor allem wegen dem nicht ausgelasteten Gästekontingent nicht ausverkauft sein wird, wird es wohl die höchste Zuschauerzahl der bisherigen Saison sein.