“Keinen Schritt zu wenig machen” – Vorbericht vor Lübeck

Am 16.03.2024 um 14 Uhr geht es für den Jahn im weitesten Auswärtsspiel der Saison darum, etwas Dampf vom Kessel zu nehmen. Man darf es nicht überdramatisieren, extremer Druck sollte es eigentlich nicht sein, dennoch hat der Jahn mehr Boden gut zu machen als es scheint. Der VfB Lübeck, unser Gegner, hat jedoch ordentlich Druck am Kessel durch den Abstiegskampf. Wir blicken mit euch voraus. (Foto: Oliver Hardt/Getty Images for DFB)

Der Blick auf den Jahn

Diese Woche schaut der Vorbericht etwas anders aus. Grund hierfür ist, dass ich zuerst etwas zur aktuellen Situation sagen möchte und dann direkt auf den Jahn blicke. Danach gibt es wie gewohnt den Blick auf unseren Gegner.

Eine kurze Rede zur “Lage der Nation”

Was war da Samstag eigentlich los? Für mich persönlich habe ich es bereits verarbeitet, doch man merkt einigen noch an, dass es in Ihren Köpfen rumort. Jedoch halte ich mich für die falsche Person, um darüber zu sprechen, was geschehen ist. Hierfür gibt es Personen, die weitaus mehr qualifiziert sind. Meine Bitte aber an dieser Stelle: Ich kann jeden verstehen, der wütend ist, aber bitte verteufelt nicht unsere “Ultras”. Ja, es war nicht gut, ja es gibt Gesprächsbedarf, aber sie sind auch für unsere Kurve einfach wichtig und es wäre nicht gerecht sie alle über einen Kamm zu scheren.
Meine “Rede an die Nation” hat andere Gründe. Einer davon ist folgende Aussage: “Welches Ergebnis wäre für uns am besten, bei Dynamo gegen Ulm?”
Diese Frage ist nicht verkehrt. Genauso wenig, wie es verkehrt ist, die Spieler in die Pflicht zu nehmen oder sie in einem normalen Maße zu kritisieren. Man kann von mir aus die Welt brennen sehen.
Aber “Denkst wirklich, der Aufstieg ist verspielt?” ist für mich eine falsche Herangehensweise. Mit Lübeck sind es noch 9 Spiele und somit eine maximale Punktausbeute von 27 Punkten. Der SSV Ulm ist punktgleich mit uns und Dynamo Dresden einen Punkt hinter uns. Nein, ich möchte nicht alles schönreden. Unsere Form in den letzten Wochen ist teilweise katastrophal. Zwar hat man den Eindruck, die Mannschaft fängt sich langsam wieder, aber es war schon eine enorme Delle, die wir uns da zugezogen haben.
Was ich aber mir gerade einfach wünsche und fordere ist: Konzentrieren wir uns doch bitte auf uns selbst!
Ja natürlich ist es interessant, welcher Ausgang uns wie beeinflussen kann. Das möchte ich auch niemanden verbieten. Aber was wir uns aktuell maximal verspielen können, ist der Flow und das Gefüge, das wir hatten. Der Jahn ist in der komfortablen Situation, es selbst in der Hand zu haben und rein rechnerisch ist es auch so, dass noch gar nichts entschieden sein kann. Sollten wir das Spiel gegen Ulm verlieren, kann ich solche Gedankengänge wirklich voll und ganz nachvollziehen. Aber vorher? Lasst uns auf uns schauen.
Oder um die Frage zu beantworten: Das beste Ergebnis von Dynamo gegen Ulm ist ein Sieg für den Jahn bei Lübeck. Wenn wir da wieder scheitern, beginnen wir uns langsam, etwas zu verspielen.
Aber vorher: Ruhig bleiben und auf sich selbst konzentrieren.

Neuigkeiten vom Kaulbachweg

Vom Kaulbachweg ist diese Woche nicht viel zu hören. Es ist erstaunlich ruhig. Fehlen wird neben den Verletzten Eric Hottmann und Erik Tallig der gesperrte Dominik Kother. Ansonsten kann Cheftrainer Joe Enochs aus dem vollem Spielerpool schöpfen und er kündigte bereits an ggf. kreativ zu werden. Noah Ganaus habe ihm z.B. rechts sehr gut gefallen.

Auch auf dem vom Jahn veröffentlichen Trainingsvideo sah man den Eifer, mit dem die Mannschaft im Training agierte. “Wir dürfen keinen Schritt zu wenig machen”, gab sich Oscar Schönfelder kämpferisch. Darauf angesprochen, wie es sei, jetzt vom Gejagten zum Jäger zu werden und ob man einen Abnutzungskampf erwarte, erwiderte Enochs, dass jeder verstehen müsse, dass spätestens ab jetzt jedes Spiel ein Abnutzungskampf sei. Es sei für jede Mannschaft nun ein Kampf um alles.

Die Statistiken des VfB und über unseren Gegner

Man kann von vielen Vereine der 3. Liga sagen, dass dort viel Historie und Geschichte steckt. Und die Jungs aus Lübeck, deren Vereinsfarben grün und weiß sind, stellen da keine Ausnahme dar. Natürlich soll es hier nicht immer eine Geschichtsstunde werden, doch ein Blick auf die Geschichte und die Umstände fördert oft einige “Aha”-Momente zutage, die ich mit euch teilen möchte.

Der VfB Lübeck

Unser Gegner, der VfB Lübeck, ist ein klassischer Breitensportverein, der viele Abteilungen sein Eigen nennt. Und auch in diesen Abteilungen gab es durchaus Erfolge zu verzeichnen. So war der VfB Lübeck einer der Vorreiter des Badminton in Deutschland.
Wir beschäftigen uns aber mit der Sparte, durch die die meisten Menschen die Lübecker kennen: den Fußball.

Und dabei kann der VfB Lübeck auf eine wilde Vergangenheit zurückblicken, die in der Zeit seit 2004 vor allem eins bedeutete: Schulden können einem das Genick brechen. War man 2004 noch in der 2. Bundesliga vertreten, musste man zur Saison 2004/2005 den Gang in die drittklassige Regionalliga antreten. Und daraus kam man in den nächsten Jahren nicht raus. Um es noch „angenehmer“ zu machen, schaffte der VfB es nicht, sich für die neugeschaffene 3. Liga zu qualifizieren. Zusätzlich dazu litt man unter einem drastischen Zuschauereinbruch und es musste die Insolvenz beantragt werden. Erwähnenswert ist hierbei, dass die Stadt Lübeck einer der Hauptgläubiger war, und zwar in Form der „lübsche Bürgerschaft”.
Man bekam allerdings die Lizenz für die jetzt viertklassige Regionalliga und konnte sich dort halten. Allerdings schaffte man es nicht, sich aus finanziellen Problemen herauszuhalten, so musste 2012 erneut ein Insolvenzantrag gestellt werden. Dieser führte dazu, dass die Lübecker aus der Wertung genommen wurden und als Zwangsabsteiger in die Schleswig-Holstein-Liga mussten. Ohne Hilfe von Sponsoren und Fans, die einen Betrag von über 150.000 € bereitgestellt hatten, wäre wohl nicht mal der Spielbetrieb gesichert gewesen. 2020 schaffte es man dann wieder in den professionellen Fußball zurückzukehren.

Die Zeit vor 2004 lässt sich – ohne sie genauer aufzudröseln – wohl kurz zusammenfassen: Zwischen 1963 und 1993 war man etablierter Regionalligist, zwischen 1993 und 2004 kehrte man in den professionellen Fußball zurück. Doch wieso zurückkehren? Nun, zwischen 1945 und 1993 war der VfB Lübeck zwischen Erst- und Zweitklassigkeit unterwegs.

Einen genaueren Blick möchte ich nochmal auf die Zeit vor 1945 werfen. Wer sich etwas mit Lübeck oder der Regionalliga Nord beschäftigt hat, dem wird aufgefallen sein, dass es dort einen Verein namens „Phönix Lübeck” gibt. Neben Holstein Kiel ist das der wohl größte Rivale des VfB Lübeck und die Gründe hierfür liegen auf der Hand. Wer ist die Nummer 1 in der Stadt?
Was man jedoch nicht vergessen darf: Die große Zeit des 1. FC Phönix Lübeck war vor allem in der Zeit zwischen 1921 und 1945. Seit 1994 war das höchste der Gefühle die Oberliga.
An dieser Stelle noch eine Anmerkung: Der VfB Lübeck scheint eine Freundschaft mit dem HSV zu haben, die sich schon alleine aufgrund der Nähe ergibt.
Doch was hat eigentlich der VfB Lübeck in der Zeit bis 1945 getrieben?
Nun, gegründet wurde der Ballsportverein Vorwärts Lübeck 1919 eben im Jahre 1919. 1933 wurde er jedoch von den Nationalsozialisten als Arbeitersportverein verboten. 1923 war aus der Fusion diverser Lübecker Vereine der VfR Lübeck entstanden, um eben dem Lübecker BV (heute Phönix Lübeck) Konkurrenz zu machen. Doch schon damals war die Kasse klamm und aufgrund finanzieller Probleme trat man der Sportvereinigung Polizei Lübeck bei, welche nach dem Krieg von den Briten aufgelöst wurde. Kurz nach Kriegsende gründeten jedoch ehemalige Mitglieder der „Polizeisportler“ und des ehemaligen BSV Lübeck den VfB Lübeck, welcher als Rechtsnachfolger der Polizeisportvereinigung gilt.

Doch gerade der Rechtsnachfolger zu sein, brachte wieder einen Streit mit sich. Und zwar um das Stadion zur Lohmühle, welches 1926 von den Mitgliedern des ATSV Lübeck erbaut wurde. Das Stadion hatte übrigens mal einen sehr unschönen Namen, den wir hier nicht nochmal nennen möchten.
Worum ging der Streit? Die SV Polizei Lübeck nutze das Stadion während des Krieges und der VfB Lübeck als Rechtsnachfolger wollte dies ebenfalls tun. Erbaut hatte das Stadion aber der ATSV Lübeck. Bis diese sich ein eigenes Stadion bauen konnten, wurde dem VfB ein Nutzungsrecht eingeräumt. Nachdem dies geschehen war, übernahm der VfB Lübeck das Stadion.

Auf der Seite der Pappelkurve gibt es noch einige interessante Themen zum Stadion und der Fankurve des VfB Lübeck zu lesen. Ein Besuch lohnt sich.

Der Blick auf die Statistik

Mit den Jungs von der Ostsee wäre auch ein Trainer zu uns gekommen, der äußerst unter Druck gestanden hatte: Florian Schnorrenberg. Und wie bestellt kam die Info, als ich gerade mit dem schreiben fertig war: Florian Schnorrenberg ist nicht mehr Trainer des VfB Lübeck. Lasst uns mal sehen, was Gründe dafür sein könnten.

Dass der VfB Lübeck spätestens seit der Niederlage gegen den Letzten Freiburg II stark ins Taumeln geraten ist, kann wohl niemanden bestreiten. Der 17. Tabellenplatz mit mageren 23 Punkten und einer Tordifferenz von -29 steht zu Buche. Dabei haben die Herren aus dem hohen Norden dank der vorher erwähnten Niederlage die wenigsten Tore der Liga zusammen mit den Freiburgern. Nur ein Tor Unterschied zum Halleschen FC bewahrt sie vor der Krone mit den meisten Gegentoren. Doch woran liegt das?
Eventuell kann man es so erklären: Der VfB Lübeck ist in einer Kategorie richtig gut, in wenigen richtig schlecht und dafür in vielem unteres Mittelfeld.
Den zweiten Rang nehmen sie bei den verursachten Strafstößen ein, was wieder eine unrühmliche Statistik ist. Dafür liegt der VfB bei den gehaltenen Bällen pro Spiel auf Rang 2 mit 3,6 pro Spiel. Also, auch wenn Philipp Klewin bisher nur 2 Spiele ohne Gegentor und die meisten kassierten Tore der Liga hat, so findet man ihn auch auf Rang 3 wieder bei den gehaltenen Bällen pro Spiel. Damit beschreibt er wohl die Situation bei den Grün-Weißen ganz gut: Er ist teilweise richtig gut, hat aber auch Felder, wo er sich im unteren Mittelfeld wieder findet (Ballabwehr in % unter anderem). Es gibt sicherlich bessere Rückhalte für eine Mannschaft, es aber auf Klewin abzuwälzen ist zu kurz gedacht.
Wie sieht es denn im Defensivverbund aus? Auch nicht gerade rosig, würde ich behaupten. Nur in der Kategorie der Torverhinderungen findet man die Lübecker in den Top 3. Ansonsten, z.B. bei den erfolgreichen Tackles, bei den abgefangenen Bällen oder bei den Eroberungen im letzten Drittel geht es ab Rang 13 los bis Rang 18 in der Liga.
Ein paar Fans waren vor der Saison ziemlich missmutig, weil die Lübecker große Namen eingekauft hatten. Namen wie z.B. Hanno Behrens im Mittelfeld. Dass dies nicht gefruchtet hat, zaubert mir schon ein kleines Lächeln auf die Lippen, bestätigt dies doch, was wir immer wieder sagen. Doch wer ist eigentlich neben dem alten Bekannten Jan-Marc Schneider in der Offensive zuständig? Der beste Torschütze des VfB ist Robin Velasco, den man eigentlich dem Mittelfeld zuordnet. Dieser hat 4 Tore erzielt. Die besten Stürmer der Lübecker sind Cyrill Akono mit 3 Toren und Mats Facklam ebenfalls mit 3 Toren. Doch auch Tarik Gözüsirin, ebenfalls im Mittelfeld beheimatet, hat 3 Buden erzielt. Auffällig ist, dass die gesamte Mannschaft der Lübecker von der Defensive bis zur Offensive immer für ein Tor gut ist. So gut das klingen mag, so wenig fällt es bei 26 Treffern jedoch ins Gewicht. Dabei hat der VfB mit Sören Reddemann den Spieler in der Mannschaft, der mit die meisten zielgenauen langen Bälle der Liga spielt.
Wenn man sich die Kategorien auf fotmob so anschaut, so wird einem als Anhänger der Mannschaft von der Ostsee schwummrig. Die beste Platzierung im Ligavergleich ist Rang 18! Ansonsten eher noch Rang 19. Da werden Erinnerungen an den Jahn der letzten Saison wach. Gerade gegen eine solche Mannschaft sollte unsere Defensive wieder auf Touren kommen und versuchen sich Selbstvertrauen zurückzuholen.

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