Blutleer steigt man nicht auf

Der Auftritt vom Jahn beim letzten Spieltag gegen Saarbrücken in einem Wort: Blutleer. Und das ist noch nett ausgedrückt. Der SSV stolpert über die eigenen Erfolge und geht ohne Selbstbewusstsein in die Relegation.

Ich will ganz ehrlich sein: Ich bin maßlos enttäuscht von diesem Spieltag und möchte es einfach abhaken, zu groß der Schmerz. Es ist nun kurz nach dem Spiel keine Zeit für eine Taktikanalyse, vielmehr möchte ich meine persönliche, emotionale Sichtweise auf diese Niederlage mit euch teilen. (Foto: Gatzka)

Dabei hatten wir so viel Hoffnung, der Aufstieg war noch zum Greifen nahe. Ein Fanmarsch wurde organisiert, es schepperte durch die gesamte Stadt, im Stadion wurden die Spieler lautstark begrüßt, auch bei der Hymne sah man viele Schals. „SSV Jahn, du sollst heute Sieger sein“, hallte es bis zur A3 hinunter. Alles war angerichtet.

Die Jahnelf hatte so viel Vorsprung verspielt, dass man dachte, man hätte nichts mehr zu verlieren, Platz 2 wäre ein Wunder gewesen, die Jahnfans erwarteten nur einen Kampf bis zum Ende. Doch dann fangen die Konjunktive auch schon an: Es hätte alles so schön werden können, hätte die Mannschaft diese Erwartung erfüllt – man könnte mit Mut in die anstehende Relegation gehen. Keine drei Minuten waren gespielt, da zeigte sich der Jahn bereits in der Offensive, dann ging es aber wie aus dem Nichts in die andere Richtung: Nach einer Doppelchance und einer starken Parade von Gebhardt steht es wegen individuellen Fehlern der Jahnelf 1:0 für Saarbrücken. Die Fans lieferten weiter, standen hinter der Mannschaft, die trotz hohen Ballbesitzanteilen verunsichert wirkte, alle Ansagen der vorherigen Tage verpufften nach wenigen Minuten. Keine Intensität, kein Biss – es plätscherte nur vor sich hin.

Aus der Halbzeit kam man ohne Wechsel, aber mit Schwung. Blöd nur, dass die Saarbrücker weiter die Nervosität des Jahns ausnutzten – man wählte immer die richtigen Hebel, taktisch wie in den Zweikämpfen. Während der Jahn musste und so in Nachlässigkeit verfiel, provozierten die Saarbrücker, beruhigten aber in den richtigen Momenten auch das Spiel. Dazu zählt aber auch, dass der Schiedsrichter wahrlich kein Roter an diesem Samstagnachmittag war, ihm glitt das Spiel aus den Händen und übersah einen eindeutigen Rückpass der Saarländer – davon ließ man sich aber als Jahn auch zu sehr aus der Fassung bringen. Es fehlt die Gier, auch weil man zu viel Angst hatte. Und diese Gier unterscheidet einen im Zweifel von Aufstieg und Relegation. Monatelang wurde man von Spielern gerügt, wenn man den Druck ansprach, in dem Spiel mit am wenigsten Druck wurde dieser zum Verhängnis – nicht vorteilhaft, wenn es in zwei entscheidenden Spielen um Aufstieg oder Krise geht.

Hätte mir einer vor der Saison gesagt, wir würden Relegation spielen, hätte ich es sofort genommen. Aber verspielt man 12 Punkte Vorsprung, steht auf Platz 18 der Rückrundentabelle und zeigt eine derartige Leistung, dann bin ich schlichtweg enttäuscht. Mit der Meinung ist das immer so eine Sache. Denn diese verändert sich nicht selten im Laufe der Zeit oder es verändert sich eben derjenige, über den man sich eine Meinung gebildet hat. Ich hatte bis zuletzt gepredigt, dass der Jahn die Entwicklung in den Vordergrund stellen müsse, dass man mit dieser Basis die Langfristigkeit fokussieren sollte. Und dahinter stehe ich weiterhin. Das ist natürlich, was alle Vereine wollen, aber die Zeit dafür muss man sich erst einmal erspielen, wenn man sie davor verschwendet hat mittels eines Abstieges. Aber dennoch darf das nicht über die aktuelle Realität hinwegtäuschen. Immer wieder macht man den Gegner stark, baut individuelle Fehler ein oder stellte diese über Wochen hinweg nicht ab. Dazu ruhte man sich wohl zu lange auf den Erfolg der Hinrunde aus, was man auch von einigen Spielern zwischen den Zeilen herauslesen kann. Dann gewinnt man eben in dieser Liga gegen keinen Gegner, auch gegen Lübeck oder Freiburg II nicht.

Relegationsspiele sind Push genug. Man muss halt wollen einfach, 90 Minuten – alle, auf der Bank, nicht im Kader. Jeder muss einfach wollen. Das müssen wir wieder hineinkriegen.

Rasim Bulic nach dem Spiel

Es kann schlichtweg nicht sein, dass man sie erst in der Halbzeitpause wachrütteln muss, um sie aus ihrem Tiefschlaf zu wecken. Ich wünschte, es würde mich noch überraschen, aber dies sind halt seit Wochen die gleichen Muster. Und man fragt sich dann doch, ob die Spieler dachten, dass ihnen die Erfolge zwangsläufig in den Schoß fallen würde, weil sie nachweislich über 12 Punkte Vorsprung verfügen? Larifari-Fußball funktioniert nicht und passt übrigens auch nicht zum Jahn. Denn das ist einfach nicht genug. Es ist nicht genug, im Kampf um den Aufstieg wichtige Punkte auf der Tabelle wie für die Mentalität zu sammeln.

Dafür musst du das Spiel gewinnen, das gilt es jetzt mit voller Überzeugung, mit allem, was wir haben, als Einheit, um den vollen Fokus auf diese beiden Spiele zu legen. Auch mit der Überzeugung, die wir lange in dieser Saison hatten, wieder in diese beiden Spiele zu kommen. (…) es ist mir egal, wen wir runterschießen.

Bene Saller zur Relegation

Diese Prinzipien der Intensität sind unsere Basis. Der Jahn-Fußball wird nie ohne Intensität funktionieren. Regensburg wird niemals alleine über die individuelle Klasse erfolgreich sein, sondern nur, wenn Spieler ihre unbestrittene Klasse in den Dienst der Mannschaft stellen – im Pressing brennen, Zweikämpfe aktiv suchen, sofort nach vorne spielen. Dafür muss aber kein einzelner Spieler uns alleine retten, wie es bei anderen Vereinen in dieser Liga ist, aber jeder Spieler muss ein gewisses Maß an Leistung erbringen. Shoutout an der Stelle an Jonas Bauer und Max Meyer, ohne die es offensiv in Sachen Intensität noch ganz anders aussehen würde. Es spricht nicht für die anderen Teile der Mannschaft, wenn diese so jungen Spieler derart in diesem Punkt herausstechen.

Hier stellt sich ein wenig die Frage nach dem Huhn und dem Ei. Nicht alle Spieler wirken den körperlichen, taktischen und mentalen Ansprüchen des Aufstiegskampfes gewachsen. Bei vielen Spielern wirkt das Spiel mittlerweile auf jeden Fall etwas mutlos und gehemmt. Der Biss im Pressing sowie in den Umschaltphasen, der uns so durch die Hinrunde getragen hat, wirkt verschwunden. Hätte man früher als Trainerteam darauf eingehen müssen, vielleicht mehr Erwartungshaltung projizieren, um dieses Wohlfühlen im Vorsprung zu umgehen? Vielleicht, aber hierbei muss man auch in allererster Linie an die Ehre der Spieler appellieren. Und das sage ich nicht, weil ich sauer bin, sondern weiß, was diese einwandfreien Jungs können. Aber man hat sich, leider, in eine Lage gebracht, in der nur noch das zählt, was einer alten Fußballerweisheit zufolge ohnehin immer nur zählt: Was zählt, ist aufm Platz.

Und über diese Weisheit muss man enttäuschenderweise sagen, dass das Saarbrücken-Spiel zeigt, dass das Beschwichtigen der Lage in der Rückrunde, sowie das Kleinreden des Erfolgs in der Hinrunde, einen wesentlichen Teil zur Krise beigetragen hat. Da mag ich mich gar nicht herausnehmen, aber aus diesem „wir wissen, wer wir sind und wo wir herkommen“, wurde zu schnell ein „aber wir kommen da her“. Bedauerlicherweise lähmte das, anstatt uns zu unserer Identität zu führen.

Die letzten Wochen haben mich zum Pessimisten gemacht. Hunderte Kilometer gereist, immer wieder sich hingesetzt, um für diesen Verein was zu machen, Gespräche geführt, sich aufgerichtet, diskutiert, gestritten – immer hielt ich den Glauben hoch. Für ein paar Tage, insbesondere ab der Niederlage von Münster in Verl, war ich wieder Optimist. So habe ich die gleiche Leere gespürt wie letztes Jahr nach Fürth oder Sandhausen, leider.

Wie sollen wir eine Relegation gewinnen? Der Drittligist lebte von einer Euphorie, aber in diesen beiden Duellen wird der Verein aus der zweiten Liga mehr Euphorie verspüren. Ich kenne mich, leider. Ich werde spätestens ab morgen davon ausgehen, dass wir es schaffen können. Ein ewiger Kreislauf, aber hilft ja ned. Und egal wie es ausgeht, ich werde mich mal wieder auf die Liga freuen. So bin ich halt. Und erneut werde ich ein Spiel wie dieses erleben und enttäuscht das Jahnstadion verlassen oder hunderte Kilometer heimfahren.

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