Der Blick auf den Gegner
Die Erwartungen sind tendenziell hoch in Niedersachsens Landeshauptstadt. Im dritten Jahr der Ära von Manager Marcus Mann und Trainer Stefan Leitl sollte gemäß dem aufgestellten Dreijahresplan eigentlich am Ende der Aufstieg stehen. Zuletzt war man zwei Saisons im Blickfeld der Topränge, spielte aber nie wirklich um den Aufstieg mit.
Das soll dieses Jahr besser werden. Hannover baut auf ein eingespieltes Gerüst, das wenig Änderungen erfahren hat. Mit Louis Schaub (Rapid Wien), Sebastian Ernst (SSV Jahn), Yannik Lührs (BVB II) und Julian Börner (unbekannt) verlor man keine zentralen Säulen. Dazu kamen einige Leihspieler, die zu ihren Stammvereinen zurückkehren. Ins Gewicht fällt der Abgang von Bright Arrey-Mbi, der für zweitligaverhältnisse astronomische 6,2 Millionen Euro Ablöse zum portugiesischen Erstligisten Sporting Braga wechselte.
Seine Planstelle wurde ablösefrei mit Josh Knight vom englischen Drittligisten Peterborough ersetzt. Dazu kamen mit Jessic Ngankam (Frankfurt) und Hyun-Ju Lee (Bayern München II) interessante Leihen. Letzter Baustein war der 1,5-Millionen-Euro-Kauf des Elversberger Topspielers Jannik Rochelt.
Im Gegnergespräch mit: H96-Podcaster Tobi Groebner
Um euch unseren Gegner noch etwas genauer vorzustellen, haben wir ein kurzes Interview mit Tobi Groebner vom Hannover-96-Podcast „Vorwärts nach weit“ geführt. Viel Spaß beim Lesen!
Hallo Tobi, stell dich doch mal kurz vor. Wer bist du, was machst du im Alltag und rund um den Verein und wieso bist du Fan des Hannoverschen Sportvereins von 1896?
Moin, ich bin Tobi, 45 Jahre alt und seit fünf Jahren Moderator des Hannover 96-Podcasts »Vorwärts nach weit«. Wenn ich mich nicht mit 96 beschäftige, arbeite ich als Fachbereichsleiter in einem mittelständischen Unternehmen in der Gesundheitsindustrie. Wieso ich 96-Fan bin? Das ist doch klar: weil 96 einfach der geilste Klub der Welt ist. Nein, im Ernst. Ich bin wohl der klassische Erfolgsfan und habe meine Liebe zu 96 beim Pokalsieg 1992 entdeckt.
Martin Kind wurde am 16. Juli vom Bundesgerichtshof als Geschäftsführer der Profiabteilung abberufen – ein weiterer Meilenstein in der konfliktreichen Beziehung zwischen Kind, Verein und Fans. Kannst du uns diese kurz schildern und sagen, was die Abberufung nun bedeutet?
Ihr habt es ganz richtig beschrieben: Es ist in der Tat ein Meilenstein. Der BGH stellte mit seinem Urteil unmissverständlich klar, dass der Verein das volle Durchschlagsrecht in Bezug auf die Geschäftsführung der Profispielbetriebsgesellschaft. Es bedeutet vor einem eins: das endgültige Ende der Alleinherrschaft von Martin Kind. Jetzt werden sich Verein und Kapital einigen müssen, was eine Nachfolge angeht. Gelingt das nicht, kann der Verein die Geschäftsführung allerdings auch allein bestimmen. Angestrebt wird das nicht. Allerdings bleibt Kind Geschäftsführer der Stadiongesellschaft und somit der Vermieter und Geschäftsführer der Gesellschaft, in der die Anteile an der Profispielbestriebsgesellschaft liegen.
Die Dauerkartenpreise steigen noch auf Wunsch von Kind aufgrund von Pyrotechnik, es gibt kein Rechtssystem nach dem Werteverständnis eines Rechtsstaates, welches Kollektivstrafen enthält, Verfassungsgerichte sehen es ebenso problematisch. Warum darf sich Herr Kind einmal mehr über alles und jeden stellen, ohne dass jeder, außer die aktive Szene, auf die Barrikaden geht?
Das ist eine berechtigte Frage und es war auch lange Zeit offen, ob die Dauerkarteninhaber in der Nordkurve – der Stadionbereich, für den die Kollektivstrafe gilt – verlängern. Letztlich wollte man sich von Kind allerdings nicht vertreiben lassen. Wie wenig zeitgemäß dieses Vorgehen ist, zeigen auch die Bestrebungen der DFL, sich einer Legalisierung zu öffnen.
Von außen wirkt es, als wolle der Verein seit Jahren mit hochkarätigen Transfers wieder in die erste Liga zurück, wo ihr lange gespielt habt. Warum klappt das bislang nicht?
Ich finde es spannend, dass unsere Transfers von außen betrachtet als hochkarätig wahrgenommen werden. Im Innenverhältnis wird das doch durchaus kritischer bewertet. Die Entwicklung der letzten beiden Saisons war ja durchaus positiv und gemäß dem selbstauferlegten Dreijahresplans, müsste jetzt der Aufstieg stehen. Allein der Glaube fehlt mir. Es fehlt dem Kader Stand jetzt auf jeden Fall noch Personal auf links und im defensiven Zentrum.
Stefan Leitl genießt aufgrund seiner vorherigen Stationen durchaus großen Respekt in Bayern. Was hältst du von eurem Chef?
Ich habe ein zwiespältiges Verhältnis zu unserem Trainer. Er hat in seiner ersten Saison schon viele Fehler gemacht und auch in der letzten Saison mit der Mannschaft in entscheidenden Situationen nicht den Schritt nach ganz oben gemacht, obwohl er möglich gewesen wäre. Einzelne Spieler hat er durchaus besser gemacht und wir dürfen uns über üppige Transfereinnahmen, vor allem für Arrey-Mbi freuen. Er ist sicher einer unserer besseren Trainer.
Ein weiterer Strippenzieher ist Marcus Mann, er gilt als großes Talent bei den Sportdirektoren in Deutschland. Teilst du diese Begeisterung?
Ich persönlich bin sehr zufrieden mit seiner Arbeit. Wenngleich wir insgesamt im Podcast, da nicht alle derselben Meinung sind. Ein Großteil seiner Transfers ging auf und er hat es auch geschafft, gut zu verkaufen. Allerdings waren auch Spieler dabei, die nicht gezündet haben. Alles in allem aber eine positive Bilanz bisher und er darf sich zurecht Hoffnungen machen, in die Geschäftsführung aufzusteigen.
Ex-Jahnler Max Besuschkow darf Hannover noch verlassen, man plant nicht mehr mit ihm. Wie behältst du den Zentrumsspieler in Erinnerung, ist man gerade nach den starken Leistungen in Klagenfurt enttäuscht über die kontinuierliche Formkrise in Hannover?
Seht ihr, da haben wir schon das Paradebeispiel eines Transfers, der nicht gezündet hat. Oh, Max ist noch gar nicht weg. Er ist in den Drittligakader der U23 versetzt und hat am Wochenende eine überzeugende Leistung im Testspiel bei Energie Cottbus gezeigt und einen Treffer zum 3:0-Erfolg beigesteuert. Ich war sehr erfreut, als er zu uns kam und habe mir viel von ihm versprochen. Bei euch war er ja der überragende Akteur. Leider konnte er daran bei uns nie anknüpfen. Trauriger Höhepunkt war sicher sein kläglich verschossener Elfmeter in der 1. Pokalrunde letzte Saison. Ich denke nicht, dass er sich mit der 3. Liga zufriedengeben wird und wünsche ihm, dass er noch ein neues Team findet.
Was erhoffst du dir sportlich für die neue Saison?
Wir sind im dritten Jahr unseres Dreijahresplans, an dessen Ende der Aufstieg stehen sollte. Ich selbst glaube aber nicht daran. Dafür fehlt es dem Kader wie gesagt noch an einzelnen Stellen. Ich gehe davon aus, dass wir zwischen Platz 5 und Platz 8 einlaufen werden.
Was verbindest du mit Regensburg und dem SSV Jahn?
Einen der hässlichsten Trikotsponsoren der Liga. Nein, ganz im Ernst, ich freue mich, dass ihr den Wiederaufstieg geschafft habt. Ihr gehört in die 2. Liga, ich bin immer gern bei euch zu Gast und werde aufgrund Sebi Ernst bei euch diese Saison genauer hinsehen.
Was dürfen wir von Ernst erwarten?
Ich halte Sebi für einen überragenden Typen. Die Freude war groß, als er statt mit Fürth in der 1. Bundesliga zu spielen, lieber in die Heimat gewechselt ist. Leider hat er auch aufgrund einer schwerwiegenden Verletzung nicht an die Leistungen anknüpfen können und der Vertrag wurde zurecht nicht verlängert. Ihr erhaltet einen sehr spielingelligenten klassischen Zehner, der immer für besondere Pässe gut ist. Leider ist er in der Rückwärtsbewegung nicht mehr der Schnellste. An Einsatz mangelt es ihm aber nie.
Was ist dein Tipp fürs Spiel?
Ihr seid Aufsteiger, wir wollen hoch. Die Vorzeichen sind klar. Ich erwarte da schon einen 96-Sieg. Mein Tipp lautet 3:1.
Und der SSV Jahn?
Nach dem emotionalen Aufstieg über die Relegation machten sich Achim Beierlorzer und Joe Enochs umgehend an die Kaderplanung für die 2. Liga. Zum Trainingsauftakt waren alle Neuzugänge an Bord. Gerade offensiv hatte man Nachholbedarf ausgemacht. Ich erspare euch jetzt die Auflistung aller Neuzugänge, als gute Jahnfans habt ihr sie in den vergangenen Wochen ohnehin verfolgt. Namen wie Christian Kühlwetter, Kai Pröger oder Sebastian Ernst zeigen jedoch, dass man dem jungen Aufstiegsteam eine Portion Erfahrung hinzufügen wollte. Dazu wird man wohl versuchen, variabler und verbessert im eigenen Ballbesitz aufzutreten.
Die Testspiele lassen noch keine eindeutigen Schlüsse zu. Zuletzt gegen Dresden hat schon einiges funktioniert, auch das Ergebnis stimmte. Ein gewisses Grundgerüst mit Gebhardt (neu im Mannschaftsrat), Breunig, Geipl (der wieder Kapitän ist), Viet und Kother wird zunächst wohlgesetzt sein. Beim Rest ist man variabel und auch breit aufgestellt.
Dennoch wartet mit Hannover gleich eines der Topteams der Liga, und man wird den Niveausprung in die 2. Liga merken.
Getrieben von Emotionen
Als wir in der Relegation in Wiesbaden den Abpfiff hörten und den Aufstieg in den Händen hatten, blickte ich auf eine Tribüne voller Freude, voller Freudentränen und voller Leidenschaft. „Und wir geben nicht auf, dieses Jahr steigen wir wieder auf…!“, dieser Satz wird ewig in meinem Ohr bleiben, die Fackeln werden mir immer in den Augen bleiben. Diese Saison war eine einzige Achterbahnfahrt, aber dieses Happy End – war das wirklich passiert? Hatte man den Aufstieg auf so dämliche Art und Weise in der Endphase verspielt, um dann am Ende doch zu feiern? Ja, hatte man. Um 10 Uhr des nächsten Tages sah man trotz Reisestrapazen überall strahlende Gesichter voller Vorfreude. Auch Monate danach kann man bei diesem Thema jedem Fan ein Lächeln ins Gesicht zaubern.
Es gab doch so viele Tiefschläge vorher, so viele Diskussionen. Und dann war es doch der Aufstieg. Nichts blieb mehr von der ganzen Grantlerei und Kritik. Mich übermannte die totale Euphorie, und sie verließ mich auch in den folgenden Wochen nicht. Immer wieder wurde ich gerügt, dass ich zu euphorisch sei – ein Gefühl, das in den Jahren davor ziemlich verloren gegangen war. Ich möchte hier nur dafür werben, dass wir diese Euphorie und diese Momente weiter aufleben lassen. Warum? Weil wir das, diese Liga und diese Gegner, zusammen erleben dürfen! Alles mitnehmen, was geht.
Wir wissen kaum, was uns erwartet, und es kann sich so schnell so viel in diesem Sport ändern. Ich will das gar nicht alles aufzählen, ihr wisst es selbst, wie schnell sich Diskussionen in der Fußballwelt wenden. Daher wäre meine Bitte: Lasst uns nicht vergessen, was wir zusammen gefeiert und durchgestanden haben. Lasst uns alle durch unsere Erlebnisse verbinden und eine Einheit sein – komme wer und was wolle!
M.A.