Stutzt ein Abgang den Spatzen die Flügel?

2. Spieltag in der 2. Bundesliga: Der SSV Jahn trifft auf den SSV Ulm. Wir blicken gemeinsam mit euch auf das bevorstehende Spiel und die Auswirkungen des Abgangs von Leo Scienza. (Foto: Sebastian Widmann/Getty Images)

Der erste Spieltag der Saison 2024/25 ist Geschichte, und wir bewegen uns mit rasanten Schritten auf den zweiten Spieltag zu. Dabei treffen wir erneut auf die Spatzen aus Ulm, deren letzte Begegnung mit dem Jahn noch in frischer Erinnerung ist. Das letzte Duell, dessen Ausgang dem Jahn einiges schwieriger gemacht hat, liegt noch nicht lange zurück und hat Spuren hinterlassen – schließlich musste der Jahn auch wegen dieser Niederlage den Umweg über die Relegation nehmen. Aber Aufstieg ist Aufstieg.

Ein wesentlicher Akteur der Ulmer, der gerade in dieser Partie großen Einfluss hatte, hat den Verein jedoch inzwischen in Richtung der Rivalen aus Heidenheim verlassen. Dieser Abgang wirft die Frage auf: Können die Ulmer diesen Verlust kompensieren? Die Spatzen versuchen es zumindest mit zwei vielversprechenden Neuzugängen, die das Potential haben, die Lücke zu füllen. Diese beiden Spieler bringen frischen Wind und neue Möglichkeiten ins Team, aber es bleibt abzuwarten, ob sie die gleiche Wirkung erzielen können wie ihr Vorgänger.

Der Abgang von Leo Scienza

Der SSV Ulm profitierte im letzten Jahr vor allem von einer Sache: kaum Veränderungen im Kader. Dass die eingeschworene Truppe aus der Regionalliga Südwest zusammenblieb, hatte durchaus Auswirkungen auf den Erfolg in der 3. Liga.

Ein weiterer Name, der in diesem Zusammenhang oft fällt, ist Leo Scienza, der Topspieler der Ulmer Spatzen in der abgelaufenen Saison. Er erzielte die meisten Tore, sammelte die meisten Scorer-Punkte und sorgte auf seinen Außenbahnen für ordentlich Wirbel. Dies war am Ende der Grund, warum der 1. FC Heidenheim zugeschlagen hat und sich die Dienste des Spielers der Saison der Ulmer gesichert hat.

Für ihn persönlich ist es ein riesiger Erfolg. Für Ulm hingegen ist es ein schmerzlicher Verlust, denn nun muss man einen neuen Topscorer und offensiven Wirbelwind finden. Die Werte aus der unten angefügten Grafik zeigen, was für ein guter Kicker dieser Offensivspieler war.

Sehr gute Werte bei Schüssen, Berührungen im Strafraum, aber auch bei erfolgreichen Dribblings, Vorwärtsbewegungen, einer guten Beschleunigung mit Ball und einigen Assists zeigen, wie talentiert und wichtig dieser Spieler war.

Doch am Ende lautet indessen die Frage: Wie ersetzt man einen so wichtigen Spieler?

Aus einem macht zwei: Krattenmacher & Keller

Um einen so wichtigen Spieler aufzufangen, verpflichtet man am besten direkt zwei starke Talente. Oder man sichert sich ab und versucht, dadurch den nächsten Scienza zu finden. So oder so ähnlich müssen die Gedankengänge der Verantwortlichen des SSV Ulm gewesen sein, als sie Maurice Krattenmacher und Aaron Keller verpflichteten. Büßen musste dafür die Spielvereinigung Unterhaching, die zwei unglaublich talentierte Spieler verlor – beide standen über 30 Spiele auf dem Platz – und damit fest eingeplante Kräfte. Zudem sind beide Spieler auch ein gutes Stück jünger als Leo Scienza, was es natürlich spannend macht, zu sehen, wohin die Reise gehen wird.

Wobei man anmerken muss, dass Maurice Krattenmacher erst vor zwei Monaten vom FC Bayern München verpflichtet wurde und nur an Ulm ausgeliehen ist. Aaron Keller hingegen konnte fest verpflichtet werden.

Letzterer, Aaron Keller, ist vermutlich der eher vorgesehene Ersatz für Scienza, da er offensiver orientiert ist. Krattenmacher ist eher als Mittelfeldspieler anzusehen, zumindest wird er so laut diverser Fachzeitschriften eingestuft. Ob das so bleibt und ob der ein oder andere von den beiden umgeschult wird, bleibt offen.

Was kann man nun aus diesen Grafiken erkennen? Was sagen sie uns?

Aaron Keller

Widmen wir uns jedoch den einzelnen Grafiken und beginnen hier mit Aaron Keller. Dessen Abschlüsse haben teilweise ein ähnliches Niveau wie die von Scienza. Jedoch bleibt festzustellen, dass er deutlich weniger schießt als der scheidende Spieler. Bei den Werten zum Spiel mit dem Ball (roter Balken) bewegen sich beide Spieler, bis auf geringe Unterschiede, nahezu auf dem gleichen Niveau. Keller war minimal weniger erfolgreich bei Dribblings, konnte jedoch dafür leicht mehr Pässe spielen, die das Team deutlich näher ans Tor brachten (sogenannte progressive Pässe).

Hier merkt man jedoch den Erfahrungsunterschied: Scienza gehörte fast ausnahmslos zur Elite der Liga, während Keller großteils „nur“ überdurchschnittlich war. Aaron Keller ist defensiv deutlich effektiver als Scienza und arbeitet auch mehr nach hinten als dieser. Im Passspiel hat Keller noch deutliche Defizite bei der Seitenverlagerung und bei langen Pässen. Bei den Assists hat der Spieler keine schlechten Werte, war zu diesem Zeitpunkt allerdings im Durchschnitt der Liga zu finden.

Maurice Krattenmacher

Nun werfen wir einen Blick auf den Leihspieler, der nochmals zwei Jahre jünger als Aaron ist.

Beginnen wir mit der Offensive, genauer gesagt den Schüssen (grüne Balken). Krattenmacher gibt, wie auch Scienza, überdurchschnittlich viele Schüsse ab. Bei den restlichen Werten wie Berührungen in der Box, Schüsse aufs Ziel oder auch XG pro Schuss ist er bestenfalls Durchschnitt in der Liga, aber überwiegend unterdurchschnittlich. Man darf dabei natürlich nicht seine originäre Position außer Acht lassen.

Bei den Assists (orange Balken) befindet er sich dagegen überwiegend im überdurchschnittlichen Bereich, und bei den zweiten Assists, also den Assists, die dem Assist direkt vorausgehen, ist er sogar in der Elite der Liga zu finden.

Im Bereich der Pässe (blaue Graphen) ist er überdurchschnittlich bei kurzen und langen Pässen, hat jedoch noch Defizite bei klug gespielten Pässen und bei Flanken. Interessant ist der Bereich der Defensive (lila Balken), in dem er teilweise unterdurchschnittlich unterwegs ist. Auffällig ist daher, dass er bei Unterhaching oft im zentralen Mittelfeld blieb und sich auch teilweise defensiv orientierte, obwohl das anscheinend nicht seine große Stärke zu sein scheint.

Bei den Bewegungen mit dem Ball (roter Bereich) ist er größtenteils überdurchschnittlich unterwegs.

Wie bereits erwähnt, ist auch Krattenmacher deutlich jünger als der scheidende Scienza – er ist erst 18 Jahre alt. In diesem Alter sind, wie bereits gesagt, noch weitere Entwicklungssprünge möglich. Der FC Bayern wird den Spieler nicht umsonst verpflichtet haben.

Konsequenz der Transfers

Das Ziel dieser Verpflichtungen ist klar: Ulm möchte den Abgang ihres Topscorers auffangen. Natürlich besteht eine Mannschaft nicht nur aus zwei Spielern, und auch Chessa, Rösch und Higl sind weiterhin gefährliche Spieler.

Aber gerade das angesprochene Alter und die teilweise Defizite lassen möglicherweise zu, dass man Druck auf die Spieler ausüben kann und ihnen eventuell nicht die Möglichkeit gibt, ihr Potenzial abzurufen. Indem man einen Krattenmacher beispielsweise zu Luftduellen zwingt oder einen Keller zwingt, lange Bälle zu spielen, können ihre vermutlichen Schwächen hervorgehoben werden.

Und dass es wichtig ist, die Schwächen der Gegner offenzulegen und auszunutzen, ist eine grundlegende Sache bei jeder Taktik im Fußball.

Knappe Niederlage an Spieltag 1 für den SSV Ulm: Stolz und Frust

Die Vorfreude auf das erste Zweitliga-Spiel seit 23 Jahren war am Sonntagvormittag im Donaustadion greifbar, als Schiedsrichter Robert Schröder um 13:30 Uhr den Anpfiff zum Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern gab. Der SSV Ulm trat wie man es gewohnt ist in Weiß an, während die Gäste aus Kaiserslautern in Rot spielten. Rund 17.400 Zuschauer, darunter etwa 5.000 Fans der “Roten Teufel”, sorgten für eine elektrisierende Atmosphäre im ausverkauften Stadion.

(Foto: Sebastian Widmann/Getty Images)

1. Halbzeit

In den ersten Minuten des Spiels zeigte der SSV Ulm viel Einsatz und Kampfgeist. Auch wenn die Mannschaft anfangs Schwierigkeiten hatte, fand sie schnell ins Spiel. Einzelne Akzente, insbesondere über die linke Seite mit Romario Rösch, sorgten für Druck auf die Lauterer Abwehr.

In der 23. Minute hatte Nicolas Brandt eine gute Möglichkeit, dessen Schuss aus der Distanz jedoch das Tor verfehlte. Der Ulmer Schlussmann Christian Ortag war schon Liga 3 ein wichtiger Bestandteil und rettete in der 30. Minute glänzend gegen Marlon Ritter, was der Ulmer Defensive zusätzliche Sicherheit gab. Trotz guter Chancen durch Philipp Strompf und Rösch vor der Halbzeit blieb das Spiel torlos. Ulm zeigte, dass man auch in der 2. Liga mitspielen kann und sich nicht verstecken musste, gerade in der offensiven Dreierreihe fehlte bislang aber gerade die technische Klasse für noch mehr.

2. Halbzeit

Die zweite Halbzeit begann vielversprechend für den SSV Ulm. Bereits in der 49. Minute gelang Felix Higl, nach einer starken Vorarbeit, die etwas glückliche Führung. Mit einer Torwahrscheinlichkeit von nur 18 Prozent war sein Treffer umso bemerkenswerter. Diese Szene war der Höhepunkt einer kämpferischen Leistung, unterstrichen durch 8 gewonnene Tackles in dieser Phase, die zeigte, dass Ulm in der neuen Liga angekommen ist.

Nach dem Tor wurde der SSV Ulm jedoch stärker gefordert. Die Ulmer Defensive, die bis zu diesem Zeitpunkt solide gearbeitet hatte, musste nun dem Druck der Lauterer standhalten. Trotz gelegentlicher Unsicherheiten blieb Ulm bis zur 77. Minute in Führung und hätte sich mit etwas Glück und einer besseren Chancenverwertung sogar das Remis oder den Sieg sichern können.

Wendepunkt: Elfmeter für den FCK

In der 77. Minute kam es dann jedoch zu einem Wendepunkt im Spiel. Ein umstrittener Elfmeter wurde nach einem Eingriff des Videoassistenten für Kaiserslautern gegeben, was den Ulmer Spielern verständlicherweise missfiel. Johannes Reichert erklärte nach dem Spiel: “Ich habe gedacht, ich habe Zeit, und der Lauterer kam aus meinem Rücken.” Boris Tomiak verwandelte den Strafstoß sicher und glich für die Lauterer aus, was die Ulmer Motivation auf eine harte Probe stellte.

Siegtreffer durch Opoku

Nur sechs Minuten später fiel der entscheidende Treffer für den FCK. Aaron Opoku sorgte in der 83. Minute für die Führung der Lauterer nach einer starken Aktion von Jannik Mause. Diese beiden Treffer warfen einen Schatten auf die bis dahin ordentliche Leistung des SSV Ulm, der trotz des späten Rückschlags mit viel Engagement und Teamgeist auftrat.

Trainer Thomas Wörle zeigte sich trotz der Niederlage zufrieden mit der Leistung seines Teams: “Wir wussten, dass wir in der neuen Liga mehrfach Lehrgeld bezahlen müssen. Heute ist das der Fall. Ich denke, dass wir insgesamt ein gutes Spiel gemacht haben und auch sehr gut verteidigt haben. Leider haben wir zwei Fehler gemacht, die uns am Ende den Sieg oder zumindest einen Punkt gekostet haben.”

Felix Higl, der Torschütze, war enttäuscht über das Resultat, jedoch stolz auf die gezeigte Leistung: “Wir haben die Härte der 2. Liga direkt mitbekommen. Fehler werden sofort bestraft. Ich hätte lieber die drei Punkte mitgenommen und kein Tor gemacht. Das ist zwar ein kleiner Trost, aber wir müssen weitermachen.”

Fazit & Ausblick

Trotz der Niederlage können die Ulmer viel Positives aus dem Spiel mitnehmen. “Einsatz und Wille haben wir gezeigt, das nehmen wir mit”, sagte Geschäftsführer Markus Thiele. Kapitän Johannes Reichert fügte hinzu: “Wir haben nach so langer Zeit heute unser Comeback gegeben, und ich denke, wie wir aufgetreten sind, war sehr, sehr gut.”

Romario Rösch blickte bereits optimistisch nach vorne: “Sich zu ärgern, bringt nichts mehr. Es ist vorbei. Wir müssen uns auf die nächsten Spiele konzentrieren und dort die Punkte holen.”

Auch abseits des Spielfeldes gab es im mit 17.400 Zuschauern ausverkauften Donaustadion besondere Momente. Vor dem Spiel gedachten die rund 5.000 mitgereisten FCK-Anhänger mit einer bewegenden Choreografie dem verstorbenen Peter Miethe.

Der Start in die Zweitliga-Saison 2024/25 hat zwar nicht mit einem Sieg geendet, doch der SSV Ulm hat gezeigt, dass er bereit ist, sich auch durch ein eher reagierendes Spiel in der neuen Liga zu behaupten. Der Fokus liegt nun auf den Jahn, Selbstvertrauen holte man sich gegen Lautern allemal. Die sehr nach links überladende Spielweise kann gerade dem SSV Jahn weh tun, nachdem dieser Flügel schon in Hannover ein Problem darstellte.