Auf dem absteigenden Ast

Der Jahn verliert in Paderborn mit 0:3. Die Mannschaft bleibt damit auswärts weiterhin sieglos und steckt tief im Abstiegskampf fest. Der Druck auf Trainer Enochs und sein Team wächst. (Foto: Gatzka)

Der Spielfilm

Das Trainerteam um Joe Enochs vertraute auf dieselbe umgebaute Elf, die gegen Lautern noch die Null halten konnte. Der einzige Neuzugang in der Startelf war aufseiten der Ostwestfalen zu verzeichnen: Der spätere Torschütze Klaas startete für Ansah.

Im Vorfeld sorgte eine ausgedehnte Spieltagsaktion des SC Paderborn für Gesprächsstoff: Im Rahmen einer kontrovers diskutierten „Aufklärungskampagne“ zweier Pharmaunternehmen, die unter anderem medizinisches Cannabis vertreiben, wurden zahlreiche Aktionen im Stadionumfeld sichtbar. So wurden T-Shirts verteilt, Infostände aufgestellt und das Heimtrikot des SCP für ein Spiel knallgrün gefärbt. Aufgrund dieser letzten gravierenden Einschränkung der Vereinsfarben verzichteten drei Gruppen der Paderborner Ultras auf organisierten Support.

Erste Halbzeit: Fehlendes Selbstvertrauen und ständiges Hinterherlaufen

Die Jahnelf versuchte zu Beginn, die Paderborner konzentriert vom eigenen Sechzehner fernzuhalten. Dies gelang in der ersten Halbzeit recht gut, was – ähnlich wie in der Vorwoche – zu großen Ballbesitzphasen des Gegners führte. In der Offensivbewegung des Jahn waren erneut gute Ansätze zu sehen, jedoch kamen zum Beispiel eröffnende lange Bälle selten präzise hinter die letzte Linie, weswegen Ganaus und Kühlwetter ziemlich in der Luft hingen. (Man könnte jede Woche das Gleiche schreiben.)

Bis zur 15. Minute konnte man alle Möglichkeiten der Paderborner souverän verteidigen. Dann jedoch kam es zu einer Szene, in der alle (!) Feldspieler des Jahn im eigenen Strafraum waren, als Obermair von außen in den Strafraum eindrang. Der Rückraum an der Sechzehnmeterkante wurde dabei völlig aus den Augen gelassen, sodass Klaas abziehen konnte. Geipl warf sich in den Schuss und fälschte ihn noch minimal ab. Trotzdem war der Schuss zu stramm und schlug unten links ein.

Wie bereits gegen Münster hatte man den Eindruck, dass die Jahnelf oft einen Schritt zu spät kam und in den Zweikämpfen nicht gedankenschnell genug agierte. Erneut war es Gebhardt zu verdanken, der wie so oft ohne Schuld an den Gegentoren war, dass es zur Halbzeit nicht 2:0 stand: Nach einer halben Stunde vereitelte Gebhardt einen Volleyschuss auf der Linie.

Natürlich hätte man als Jahnfan gern einen Elfmeter für sich gehabt, aber der Sturz von Ganaus in der 40. Minute war dafür zu wenig.

Zweite Halbzeit: Sichtlich bemüht, aber glücklos vorm Tor

Zur zweiten Hälfte versuchte man mit Ernst und Hottmann einen offensiveren und mutigeren Ansatz. Dieser „Placebo-Effekt“ durch die Wechsel zeigte sich zwar in der höheren Aktivität und im größeren Ballbesitz, resultierte jedoch nicht in nennenswerten Chancen aus dem Spiel heraus.

Nachdem durch den offensiveren Ansatz einige Chancen für Paderborn glänzend von Gebhardt pariert wurden, kam die Jahnelf zu einer guten Freistoßmöglichkeit: Hein probierte es mit einem Direktversuch, der ans Lattenkreuz knallte. Die Jahnelf war nun am Drücker, doch wie es im Fußball oft läuft, stach Paderborn mit großer Mithilfe der Oberpfälzer zu.

Pröger versuchte, schnell nach vorne zu ziehen, blieb jedoch an einem aufgerückten Paderborner hängen. Dieser leitete auf die indessen entblößte rechte Außenseite weiter. Michel flankte eigentlich völlig ungefährlich in den Strafraum, doch Breunig wurde zum Unglücksraben und ließ den Ball in Richtung eines Paderborners abtropfen. Dieser nahm das Geschenk jedoch nicht direkt an, sondern ging gegen Wurm in den Zweikampf. Geipl wurde noch getunnelt, und der Ball schlug ein.

Entgegen aller Erwartungen kam der Jahn wenig später zu einer berühmten 100-prozentigen Chance aus dem Spiel heraus: Eine Hein-Flanke leitete Hottmann kurz weiter, Kühlwetter zog ab, doch der Paderborner Torhüter parierte mit Monsterreflexen. Stets bemüht versuchte es der Jahn weiter, doch es sprang nichts Zählbares dabei heraus. Den Schlusspunkt setzte ein Elfmeter für die Paderborner, den Kinsombi souverän verwandelte.

Natürlich ist die Verunsicherung der Spieler verständlich. Ohne Belohnung für die eigene Arbeit wird jeder Mensch unglücklich. Jedoch macht man sich mit einer, auf dem Papier, erneut hohen Niederlage langsam zum Gespött ganz Fußballdeutschlands.

Leider akkreditierte uns der SC Paderborn nicht, daher entfallen die Stimmen.

Die Meinung zum Spieltag

Platz 18 tut weh, diese Tordifferenz tut ebenso weh, aber dennoch hatte die Jahnfamilie nach dem Punkt gegen Lautern gewissermaßen Hoffnung. Stabilität – das sollte der neue Trumpf der Jahnelf sein. Ein Zeugnis von harten Wochen. Wochen voller Angst vor hohen Niederlagen, Wochen fehlender Wettbewerbsfähigkeit. Das Auswärtsspiel in Paderborn war die Chance, dem Ruf nach Stabilität eine stabile Basis zu bereiten.

Aber nein. Danke. Bitte. Der Jahn halt. 0:3. Und wenn dann heute Münster oder der Club auch noch gewinnt… ist ja auch egal, solange wir so auftreten. Spielt so oder so keine Rolle, denn jetzt ist erst mal Ruhe für eine Woche. Diese wiederkehrende und eigentlich verhasste fußballfreie Zeit war uns selten so willkommen wie nach dieser Niederlage. Nations League, kein Fußball. Das tut uns kurz mal allen gut. Dann können wir diesen kleinen Schrecken der letzten Wochen verarbeiten und Kraft tanken für eine sicherlich nervenaufreibende Rest-Hinrunde. Acht Siege im gesamten Jahr 2024 – die Bilanz eines Krisenclubs. Solche Vergleiche über Saisons hinweg hinken ja oftmals, aber wenn man zugrunde legt, dass die Spielerbasis größtenteils noch vorhanden ist und sogar eher verstärkt wurde, ist das durchaus legitim.

Es ist unübersehbar, dass sich in meinen Worten eine gewisse Frustration und Ratlosigkeit über die Leistungen unserer Mannschaft in den letzten Monaten widerspiegelt. Wir alle sind diesen steinigen Weg gemeinsam gegangen und werden ihn auch weiterhin beschreiten – notfalls bis zum bitteren Ende. Doch es ist schwer zu verstehen, wie eine Mannschaft, die in der Vergangenheit bewiesen hat, dass sie Fußball spielen kann, plötzlich den Faden verliert und sich nicht mehr für ihre Bemühungen belohnt. Spieler, die bereits gezeigt haben, was in ihnen steckt, bleiben hinter ihren Möglichkeiten zurück – und das sorgt für Besorgnis. Besonders die Neuzugänge, die geholt wurden, um sowohl auf als auch neben dem Platz Führungsqualitäten zu zeigen, lassen diese bisher vermissen. Der Verein hat investiert und auf Qualität gesetzt, aber es bleibt die Frage, auf welcher Grundlage diese Transfers – stand heute – gerechtfertigt werden können. Denn Führungsspieler zu sein, bedeutet mehr als nur auf dem Platz zu stehen – es geht darum, Verantwortung zu übernehmen, voranzugehen, sei es auf dem Feld, in der Kabine oder vor den Fans und Medien. Nicht alles kann man bewerten, aber das, was auf dem Platz passiert. Und das reicht nicht.

Es wäre fatal, wenn sich die Verantwortlichen nun nur darauf konzentrieren würden, ihre Position abzusichern und die Schuld präventiv abzuwälzen. Das ist nicht der Jahn-Weg. Genauso gefährlich wäre es aber auch, wenn man die Zukunft des Vereins zu eng mit der des Trainerteams verknüpft und nicht differenziert genug analysiert.

Diese Aussagen wirken zwingend so, als würde man gemeinsam und in eine Richtung am Karren ziehen. Die Gefahr besteht natürlich, dass man am Ende mit dem Karren zusammen im Dreck stecken bleibt. Man muss sich aber vielmehr die Frage stellen, warum der Karren im Dreck steckt und nicht, wie man ihn hinausbekommt. Angesichts der Spielweise, die die Mannschaft spätestens seit Ende des letzten Jahres zeigt, dürfte langsam jedem dämmern, dass der Klassenerhalt als Ziel eine Mammutaufgabe wird. Zu der Wahrheit der Tabelle gehört auch, dass wir vor allem gegen Teams des oberen Drittels spielten, aber erstens in einem der entscheidenden Spiele gegen Münster katastrophal auftraten und zweitens wir in egal welchen Spielen an entscheidenden Momenten versagten. Dazu kommt die Schwäche in den ersten 15 Minuten der Halbzeiten, welche durchaus Besorgnis über die Ansprachen erregt. Stand jetzt ist nicht ausgeschlossen, dass nach der Länderspielpause noch unangenehmere Fragen aufkommen.

Da mag es eine menschliche Reaktion in diesem Geschäft sein, aber im Sinne des Jahns wäre es folglich fatal, wenn sich die handelnden Personen – wie in der Abstiegssaison 22/23 – darauf konzentrieren würden, im Falle eines weiteren Misserfolgs ihre eigene Stellung zu sichern und die Schuld präventiv in die andere Richtung zu schieben. Das wollten wir mit dem „Jahn-Weg“ nie. Aber nicht weniger fatal wäre es, wenn die Seriosität eines Sportdirektors durch sehr große öffentliche Bekenntnisse mehr oder weniger an die des Trainers gekoppelt wird.

Aktuell wirkt es so, als fehle nicht mehr viel, bis die Stimmung im Umfeld kippt, und dann steht uns allen eine echt ungemütliche Zeit bevor. Das geht schneller als man denkt, hier bin ich aber natürlich noch aus der Abstiegssaison beeinflusst. Dabei war es doch alles so schön. Wiesbaden, ach war das geil. Ach, ist diese Liga geil. Eigentlich. Und wenn das nicht als Motivation für ein gemeinsames Ziehen am selben Strang ausreicht, sollte sich jeder überlegen, dass wohl keiner unbescholten aus der Nummer herauskommen dürfte, wenn man mit diesen Leistungen weiter durch diese Liga fährt. Dafür ist die Fallhöhe mittlerweile zu groß, um mit dem „Wir sind ein kleines Licht“-Fallschirm sanft zu landen. Das sind wir. Aber der Anspruch, sich nicht so abschießen zu lassen und sich für seinen Kampf zu belohnen, sollte ebenfalls bestehen.

Autor: Redaktion