Glaube an den Glauben

Das Spiel am Samstagnachmittag war ein Kampf – mit dem besseren Ende für den SSV Jahn. Durch ein Tor von Noah Ganaus machte man einen weiteren Schritt nach vorne. Ein Bericht über den zurückgekehrten Glauben. (Foto: Gatzka)

Fußball ist keine Mathematik. Das wusste Karl-Heinz Rummenigge schon vor zwanzig Jahren. Dennoch kann es erhellend sein, den Fußball durch das Brennglas der Zahlen zu betrachten. Mithilfe von Expected-Goals-Werten (xG) lassen sich zahlreiche Rechenspiele anstellen. Man kann berechnen, wie hoch angesichts der erspielten Chancen die Siegwahrscheinlichkeit einer Mannschaft ist – oder die Wahrscheinlichkeit, dass beide Teams ein, zwei oder drei Tore erzielen. Wirft man das Spiel zwischen dem SSV Jahn und der SV Elversberg durch das xG-Rechenprogramm von Danny Page, ergeben sich folgende Werte: In fast 50 Prozent der Fälle endet die Partie unentschieden, in 34 Prozent gewinnt Elversberg, und nur in 17 Prozent triumphiert der Jahn.

Man könnte das Spiel in der 2. Bundesliga anhand dieser Zahlen erzählen. Es wäre wieder mal eine Erzählung über die Ungerechtigkeit und Unberechenbarkeit des Fußballs. Vielleicht auch eine Geschichte darüber, wie sich der Jahn für die „Ungerechtigkeit“ der Zahlen in den letzten Monaten rächt. Zeitweise stand das Team nach xG-Werten nämlich über dem Strich – in der Realität war es jedoch chancenlos. Eine Mannschaft, in diesem Fall Elversberg, kann über neunzig Minuten hinweg kaum Chancen kreieren, trotz Spielkontrolle und Ballbesitz. Doch am Ende gewinnt der Gegner, begünstigt durch einen Konter und einen herausragenden Torhüter.

Doch Fußball ist, wie eingangs zitiert, keine Mathematik. Man kann dieses Spiel auch gänzlich anders erzählen.

Eine alternative Erzählung wäre weniger von Zahlen geprägt und mehr von Emotionalität. Es wäre eine Geschichte von Kampf, Einsatz und der Macht der Leidenschaft. Von der ersten Minute an warf die Jahnelf alles in die Waagschale. Sie verteidigten mit Herzblut und unermüdlichem Willen – genau das forderte Trainer Andreas Patz. Gäbe es einen statistischen Wert für „Expected Ballgewinne durch Grätschen“, Louis Breunig hätte diesen Wert um ein Vielfaches übertroffen.

Selbst als der Jahn gegen Ende der Halbzeiten auf dem Zahnfleisch ging, verteidigte die Mannschaft mit derselben leidenschaftlichen Hingabe. Grätschen, Beißen, Bälle wegköpfen – Dinge, die wie Floskeln aus der Kreisliga klingen, funktionierten auch in Liga 2. Denn letztlich ist dieses Spiel eine Geschichte des Glaubens, und dieser ist ligaunabhängig. Leidenschaft, Kampfgeist und der zwölfte Mann führten den Jahn an diesem kalten Novembernachmittag zum Sieg.

Seien wir ehrlich: Die letzten Monate waren ein Abnutzungskampf. Doch gestern und am Dienstag – es fühlte sich gleich, aber anders an. Anders, weil die Jahnelf wieder glaubte. Anders, weil auch wir wieder glauben. Nach einer Serie von Enttäuschungen gab es kaum noch Grund für Hoffnung. Doch im Mannschaftssport kann ein kleiner Funke Großes bewirken – und dieser Funke war, so leid es mir für Joe Enochs tut, möglicherweise der Trainerwechsel.

Die Elversberger sollten sich nach dem Spiel jedoch nicht nur auf das Argument des Pechs zurückziehen. Sie hatten große Schwierigkeiten mit der defensiven Stabilität des Jahn im 5-3-2. Die Innenverteidiger verlagerten das Spiel immer wieder auf die überladene Seite, blieben nicht wenige Male stecken, und der Schlüsselspieler Asllani wurde von Bulic isoliert. Selbst wenn Elversberg durchkam, scheiterte man entweder an der Boxverteidigung oder an Torhüter Felix Gebhardt. Die Fünferkette sicherte die Breite ab, während die Spieler im Zentrum eine enge Manndeckung praktizierten. Diese Mann-gegen-Mann-Ausrichtung unterband die Dynamik des Gegners – der Kernpunkt der taktischen Marschroute.

Trainer Andreas Patz zog während der Partie die richtigen Schlüsse: Robin Ziegele wurde im 5-3-2-System eingewechselt und sorgte für zusätzliche defensive Stabilität, während Pröger in die Sturmspitze rückte. Der junge Leopold Wurm absolvierte erneut die komplette Spielzeit – auch durch zahlreichen Ausfälle in der Stammelf. Auch das sollte man nicht außer Acht lassen.

Die Strategie beruhte letztlich auf der Hoffnung, dass Elversberg keine Mittel finden würde, den Mann-gegen-Mann-Fokus auszuhebeln. Das kann funktionieren, aber man darf sich nicht wundern, wenn ein besserer Gegner am Ende vier oder fünf Tore schießt. Doch im Moment zählt nur das Hier und Jetzt. Ein Schritt nach dem anderen, so Patz nach dem Spiel.

Bemerkenswert war, wie der Trainer um kurz vor 16 Uhr zu den Journalisten trat. Er philosophierte über die Alternativlosigkeit des Glaubens: Man habe nicht viel verändert, aber durch feste Abläufe versucht, den Spielern Sicherheit zu geben. Diese strukturelle Stabilität kann dem Team weiterhelfen, auch wenn sie, wie im Fall Dominik Kother, die individuelle Kreativität einschränken kann. Kollektiv vor dem einzelnen Spieler – das ist der Jahn. Räume schaffen, in denen der Gegner verwundbar ist, dort Zweikämpfe gewinnen und umschalten – so holte der Jahn den Sieg.

Andreas Patz besitzt ohne Zweifel die Attitüde eines Cheftrainers. Er versteht es, einer Mannschaft den Glauben zurückzugeben und sie souverän zu führen. Es würde daher nicht überraschen, wenn er in naher Zukunft dauerhaft an der Seitenlinie stehen würde. Da hilft es auch nicht, wenn sich andere Trainer selbst ins Spiel bringen wollen.

… über sein Tor des Tages: Darüber freue ich mich natürlich sehr, aber umso mehr freue ich mich, dass ich der Mannschaft helfen konnte. Dass wir drei Punkte eingefahren haben, ist viel wichtiger. 

… über die defensive Marschrichtung: Es war sehr laufintensiv, für jeden im Team. Aber trotz der weiten Wege haben wir auch den ein oder anderen Nadelstich gesetzt und für Entlastung gesorgt. 

… über die unverhofft erfolgreiche Woche: Das ist manchmal nicht zu erklären, aber das ist auch die schöne Seite am Fußball. Es hat im Pokal mit dem Zu-Null-Spiel angefangen, wo wir in Unterzahl waren und sehr gut verteidigt haben. Dass wir gut verteidigen können, haben wir letzte Saison auch schon bewiesen.

… über das Spiel: Wir sind genauso an das Spiel herangegangen wie gegen Fürth. Dass die Null steht, war uns wichtig und wird weiter wichtig sein, genauso wie Effizienz. Nach dem 1:0 haben wir nur noch verteidigt, aber das haben wir richtig gut gemacht, jeder Einzelne. Und Felix war zur Stelle, wenn wir ihn gebraucht haben. Die Freude über die drei Punkte hört man jetzt in der Kabine.

… über das Erfolgsrezept: Wir haben in den Spielen vorher zu viele und zu einfache Gegentore gekriegt. Wir haben uns gesagt: Die Defensive muss stimmen, wir müssen als Mannschaft und als Einheit auftreten. In Nürnberg hat man gemerkt, die Fans waren sauer. Ihnen sind wir auch etwas schuldig gewesen. Wir wollten ein anderes Gesicht zeigen. 

… über das Erfolgserlebnis: Es tut einfach gut, wieder mit den Fans feiern zu können. Die letzten Wochen waren sehr schwierig. Nachdem die Fans gegen Nürnberg ihren Unmut geäußert hatten, haben wir uns das sehr zu Herzen genommen. Es kann nicht funktionieren, wenn du so viele Gegentore bekommst und hinten raus einbrichst. Wenn du die Null hältst, ist es auch einfacher, Spiele zu gewinnen. Dann reicht auch mal ein Tor wie heute.

… über den Spirit: Es zählt nur Kampfgeist, Wille, Leidenschaft. Kühli und Hotte fallen aus, dann kommen zwei Neue rein und machen ihren Job überragend. Es geht nur zusammen. 

… über den Matchplan: Wir haben uns darauf fokussiert, kompakt zu stehen und keine Räume zu geben. Gerade Elversberg ist eine spielstarke Mannschaft, die mit Asllani versucht, über das Zentrum zu kommen. Ihn wollen wir ausschalten, indem wir immer einen Innenverteidiger nach vorne geschoben haben, der ihn dann in Manndeckung nimmt. Wir haben versucht, alle Löcher zu schließen und dass jeder dem anderen hilft, wo es geht. Wir wollten dem Gegner den Ball dort lassen, wo es ungefährlich ist. Sobald sie in den gefährlichen Räumen waren, haben wir zugeschlagen.

Florian Kronfeldner

Taktik-Notizblock

  • Tiefer Aufbau und Überladung: Der SSV Jahn nutzte im tiefen Aufbau eine 3-4-3-Formation, in der die letzte Linie durch zwei Stürmer und einen Halbraumzehner überladen wurde. Dies führte zu langen Pässen und Überzahlen.
  • Angriffspressing: Im Angriffspressing agierte der SSV Jahn in einer 5-3-2-Formation gegen das 2-1-4-3 des Gegners. Die Halbraumzehner (Ernst wie Viet) waren infolge mannorientiert auf die gegnerischen Außenverteidiger ausgerichtet, was jedoch durch das diagonale Fallenlassen eines zentralen Mittelfeldspielers (meist Damar) neben die Innenverteidiger diese Mannorientierungen des Jahns manipulierte.
  • Breitensicherung im Mittelfeld: Gegen Ende der ersten Halbzeit wechselte das Team von einer 5-3-2- zu einer 5-4-1-Formation, um die Breitensicherung zu verbessern. Noah Ganaus agierte defensiver und sollte stets den Pass zu dem Flügelspieler (über den Deckungsschatten) verhindern, was dem Schienenspieler – also Pröger – eine engere Positionierung ermöglichte.
  • Problematik der Raumkontrolle: Trotz der Breite im Mittelfeld standen die Regensburger Halbraumzehner (Viet, Ernst) oft zu tief, was den gegnerischen Außenverteidigern Raum zum Agieren gab. Dies führte dazu, dass Elversberg die Außenverteidiger anspielte und die Räume im Zwischenlinienraum ausnutzen konnten. Oft ließ sich Asllani in jene Räume fallen, wurde aber von Bulic in Sonderbehandlung genommen.
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