Die Moral der Geschicht’

60 Minuten hielt man mit einer guten Leistung den Befreiungsschlag in der Hand, ehe man nach einem strittigen Handelfmeter die Partie herschenkte und man sich dadurch einmal mehr in dieser Saison nicht belohnen konnte.

Beitragsbild: Gatzka

Falls ihr das Spiel nicht sehen konntet:

Die Aufstellung

Mersad Selimbegovic nahm drei Änderungen in der Startaufstellung im Vergleich zum 2:2-Unentschieden gegen den 1. FC Magdeburg vor. Der angeschlagene Andreas Albers wurde durch Prince-Osei Owusu ersetzt, auch Idrizi musste nach mehreren Startelfeinsätzen für Makridis weichen und Jan Elvedi wurde aufgrund einer Gelbsperre von Scott Kennedy vertreten.

In der realtaktischen Formation konnte man meist ein 2-2-4-2 erkennen und man versuchte mit schnellen, aber langen Bällen sowie einem explosiven Umschaltmoment die Fürther auszuhebeln.

1. Halbzeit

Anders als gegen den FCM wirkte die Jahnelf ab der ersten Sekunde wach und man spürte, dass sie unbedingt die drei Punkte mit nach Regensburg nehmen wollten. So konnten Sapreet Singh (1.) sowie Makridis (6.) direkt am Anfang der Partie Ausrufezeichen setzen, allerdings konnten beide ihre Chancen nicht nutzen. Der Jahn war weiterhin gallig und unterstrich mit einem aggressiven Zweikampfverhalten den Siegeswillen. Nachdem Linde schon in der 6. Minute gegen Babis Makridis parieren konnte, war er auch nach einem Fernschuss von Bene Gimber in Minute 20 zur Stelle und hielt somit das 0:0 fest. Nach der überzeugenden Anfangsphase hielt man den Ball auch zeitweise in den eigenen Reihen und versuchte auf Lücken in der Hintermannschaft des Kleeblatts zu warten, also eine Art Kick’n´Rush-Fußball mit Bene Gimber als Box-to-Box-Spieler und Prince Owusu als Wandspieler.

Nach einer Pressingaktion bekam Gimber in der 32. Minute einen Ball an den Kopf und musste, obwohl man es noch versuchte, daraufhin ausgewechselt werden. Laut Mersad sieht es aktuell nicht so gut aus, somit könnte er auch gegen Kaiserslautern ausfallen. Gute Besserung!

Der Jahn blieb auch nach der kurzen Ruhephase die spielbestimmende Mannschaft und kam durch einen Fernschuss von Bene Saller (37.) sowie einer Flanke von Maxi Thalhammer (39.) zu Möglichkeiten, wo im Endeffekt der letzte Punch fehlte. Fürth kam nur durch einen Entlastungsangriff zu einer Torchance, welche aber ebenfalls ungefährlich blieb (44.).

Der Jahn war in der ersten Halbzeit das überlegende Team, aber einmal mehr in dieser Spielzeit hakt es an der Effizienz, weshalb man „nur“mit einem 0:0 in die Kabine ging.

Foto: Gatzka
2. Halbzeit

Nach dem Pausentee war es anfangs Lukas Petkov (46.), der nach einer Flanke durch Simon Asta zum Abschluss kam, aber an Jonas Urbig scheiterte. In der 48. Minute herrschte aber nach einem Querpass durch Kaan Caliskaner und einer guten Durchsetzungskraft sowie einem tadellosen Abschluss durch Prince Owusu Ekstase im Auswärtsblock. Es war ein schneller Konter, der den Jahn in Führung brachte und somit eigentlich eine perfekte Basis für den weiteren Verlauf des Spiels schaffte.

Nach dem Führungstreffer spielte sich der SSV Jahn zunächst in einen Rausch und hatte durch Sapreet Singh (50.) die Chance zum 2:0, wäre da nicht die verflixte Effektivität…

Nachdem Alexander Zorniger Raschl sowie Abiama in die Partie gebracht hatte, wirkte die Spielvereinigung wie ausgetauscht und man hatte direkt durch Dickson Abiama (58.) die Gelegenheit zum Ausgleich. Die Fans des Kleeblatts spürten, dass der Jahn nun wackelte und man war so auch stimmungstechnisch plötzlich wieder voll im Spiel.

Und dann kam es, wie es kommen musste: Itter köpfte nach einer Flanke von Asta den Ball aus rund zwei Meter an den Arm von Guwara, weshalb Patrick Alt auf den Punkt zeigte. Nachdem der Elfmeter trotz der kurzen Distanz bestehen geblieben war, nahm sich Julian Green den Ball in die Hand und schob zum Ausgleich (66.) ein.

Daraufhin wirkte die Mannschaft von Selimbegovic wie ausgewechselt. Man war verunsichert, kam nicht mehr in die Zweikämpfe, währenddessen Fürth vor Selbstvertrauen strotzte und plötzlich offensiven Fußball spielte. Obwohl die Unsicherheit der Jahnelf spürbar war, hätte Owusu nach einem Entlastungsangriff fast die erneute Führung herbeigeführt (70.), was aber eventuell eh Abseits gewesen wäre.

Kurz nach der Chance des Jahns folgte der K.-o.-Schlag durch den überragenden Abiama. Nachdem Asta auf den Stürmer rüberlegte, konnte jener aus 19 Meter durch einen unhaltbaren Aufsetzer zum 2:1 treffen (77.).

Es ging nach dem Rückstand bis auf einen parierten Schuss durch Yildirim (86.) nichts mehr für den SSV Jahn Regensburg. Und so verlor man mit 1:2 nach einer kämpferischen Leistung gegen die SpVgg Greuther Fürth, nachdem man sich aufgrund fehlendem Selbstvertrauen einmal mehr die Führung und somit auch wichtige Punkte verspielt hatte.

Sachen, die auffielen:

1. Das Umschaltspiel

Der Umschaltmoment ist essenziell für ein erfolgreiches Konterspiel, da er entscheidet, wie sich der Angriff entwickelt. Beim SSV Jahn entscheiden meist die ballführenden Spieler im zentralen Mittelfeld, ob es schnell gehen soll, oder ob man das Spiel langsam aufbaut. Wenn man sich für einen Konter entscheidet, dann schieben die ZMs in die Zwischenräume der letzten Reihe, währenddessen sich die Stürmer eher im Rückraum platzieren. Da auch die Außenverteidiger eine offensivere Rolle einnehmen, entwickelt sich die Formation zu einem 2-4-4. Auch das 1:0 ist nach einem solchen Konter gefallen.

Entscheidet man sich hingegen für einen langsamen Aufbau, dann wartet man, bis sich Räume zwischen der vorletzten und der letzten Reihe ergeben, welche dann durch Owusu, anfangs auch von Gimber oder auch durch Caliskaner genutzt werden. In diese Räume sollen dann lange Bälle durch die Innenverteidigung kommen. Kommt daraufhin ein präzises Zuspiel auf einen Spieler, dann starten seine Mitspieler direkt in die Tiefe, da ein Kopfball durch die Schnittstelle gesucht wird.

Wird der Ball verloren, wird erst wieder eine stabile Formation gesucht, bis man wieder Pressingaktionen startet. So presste man nicht den zentralen Innenverteidiger Michalski, sondern wartete bis er auf seine Nebenleute spielt, ehe man presste, die Räume zustellte und somit einen langen Ball des Gegners provozierte.

Auch Leon Guwara spielt in der Pressing-Konstruktion eine wesentliche Rolle, da er in solchen Momenten in die Mitte rückte und Räume schloss, damit das Kleeblatt nicht per Ballbesitzfußball agieren konnte. Dazu zockte er auch mehrmals auf Ballgewinne und rückte weit aus seiner Position heraus.

2. Es tut mir im Herzen weh

Selten hat mich ein Spiel so zermürbt und ratlos gemacht, wie dieses am 14.04. im Sportpark Ronhof. Als Owusu zum 1:0 eingeschoben hatte, fiel mir ein Stein vom Herzen, aber nach dem 1:2 wieder ein ganzer Felsen darauf. Es ist eben die Moral, die uns den Sieg gekostet hat und die uns am Ende den Klassenerhalt kosten kann. Seitdem wir gegen Hansa Rostock auf bitterste Art und Weise im Pokal verloren haben, fallen wir nach jedem kleinen Rückschlag in den „Scheiße, es rutscht uns aus der Hand“-Modus. Es gibt zwei Plätze im Fußball, den am Platz und den im Kopf. Wir verlieren meistens das Duell im Kopf.

Es bricht mir gewissermaßen jede Woche aufs neue das Herz, wenn die Mannschaft nach einer guten Leistung vor der Kurve steht und nicht weiß, was man noch alles machen soll. Und es darf keine andere Option mehr geben, als was im Bereich der Mentalität zu unternehmen, da diese Probleme auch nach vermeintlichen Trendwenden nicht verschwinden. Und ja, da muss man auch das Trainerteam in die Pflicht nehmen, dass man diese bekannten mentalen Probleme nicht ausbalancieren kann. Christian Keller hat auch in diesem Bereich eine große Rolle gespielt, da er ein Menschenfänger ist und weiß, wie man mit den Leuten reden muss. Tobias Werner und vorher Roger Stilz haben vielleicht in dieser Sache nicht in diese großen Fußstapfen treten können und so bleibt das Vakuum offen, was Keller hinterlassen hat.

Auch in der Kaderplanung hat man definitiv Fehler gemacht. Klar, nicht jedes Jahr kann gut sein, aber diese Saison gab es vielleicht einfach zu viele Nebenschauplätze und Hiobsbotschaften. Das Kader-Konstrukt passt nicht zusammen, auch wenn man viele Spieler von großer individueller Klasse hat. Scheinbar liegt es weniger am einzelnen Spieler, sondern mehr am großen Ganzen.

Ich sehe aber auch, dass jeder Einzelne kämpft und man nach jedem Schlag ins Gesicht wieder aufsteht. Hoffentlich auch dieses Mal.

Foto: Gatzka
3. Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel – „Einwurf“

Benotung der Jahnspieler

Jonas Urbig: 2,5 (bei den Gegentoren war er machtlos, ansonsten wirkte er wie gewohnt sehr sicher)

Leon Guwara: 2,0 (war solide im Zweikampfverhalten und im Pressing, aber konnte seiner Rolle in der Offensive nicht gerecht werden) – Minos Gouras (89.): / (aufgrund zu später Einwechslung keine Benotung)

Scott Kennedy: 3,0 (Passspiel war gut, aber machte eine unglückliche Figur bei Duellen)

Steve Breitkreuz: 2,5 (Spielaufbau war solide, dazu zeigte er eine gute Zweikampfführung)

Benedikt Saller: 4,5 (war ungewohnt unsicher im Defensivspiel und konnte auch im Passspiel nicht überzeugen)

Babis Makridis: 3,5 (vor dem Gegentor brachte er viel Schwung in das Offensivspiel, aber mit zunehmender Spielzeit nahm die Leistung ab) – Aygün Yildirim (82.): / (aufgrund zu später Einwechslung keine Benotung)

Bendikt Gimber: / (aufgrund frühzeitiger Verletzung keine Benotung) – Christian Viet (45.): 3,5 (die Bälle, die er bekommen hat, konnte er gut verarbeiten, allerdings spürt man seine Schwäche im Bereich der Physis)

Sapreet Singh: 4,0 (verlor mehrmals entscheidende Zweikämpfe auf dem Flügel und zeigte zwar gute Ansätze, war aber meist glücklos) – Andreas Albers (82.): / (aufgrund zu später Einwechslung keine Benotung)

Max Thalhammer: 3,5 (unsichtbar im Spielaufbau und unsauber bei Zuspielen, konnte aber eine gute Leistung in der Defensive auf den Rasen bringen) – Blendi Idrizi (82.): / (aufgrund zu später Einwechslung keine Benotung)

Kaan Caliskaner: 4,0 (seine Laufwege und sein Umschaltspiel waren stark, aber auch er konnte sich meist nicht durchsetzen)

Prince Owusu: 3,0 (verlor mehrmals Bälle und zeigte eine ausbaufähige Ballverarbeitung, konnte sich allerdings sehr gut beim 1:0 durchsetzen)

Was sagst du dazu? – die Stimmen nach dem Spiel

Kaan Caliskaner über die Kopfsache: „Niemand in der Liga frisst soviel Dreck wie wir, keine Mannschaft muss soviel einstecken wie wir. Wir kommen immer wieder zurück, auch gegen Magdeburg nach Rückstand kommen wir wieder zurück. Es ist aktuell sehr bitter. Ich finde, wir machen das immer noch gut, wir sind geschlossen und niemand lässt jemanden hängen. Wir sind immer noch ein Team, das an sich glaubt bis zum Schluss und das werden wir auch machen. Respekt davor, dass wir uns nicht aufgeben, es gibt auch Mannschaften, die knicken dann komplett ein und wir tun das nicht. Wir müssen uns aber auch mal wieder belohnen.“

Mersad Selimbegovic über das Thema Mentalität: „Es hat was mit Kopf zu tun, aber es gibt nicht nur Kopf, sondern auch viele andere Dinge. Es gibt auch Gegner, das vergessen wir auch immer wieder. Es ist immer eine etwas andere Sichtweise, da der Gegner sagt, wir haben es gut gemacht, aber wir sagen, wir haben es nicht gut gemacht. Die Kleinigkeiten entscheiden in dieser Liga. Flanke kommt, Ball wird an die Hand geköpft und dann Elfmeter. Dann ist das Spiel da, wo es ist. Und dann nimmt der Gegner den Schwung mit, wie wir letzte Woche mit. Wir machen in der 90. Minute den Ausgleich und dann könnten wir dieses Spiel gewinnen, was du so nie im Leben retten und gewinnen darfst. Aber es ist halt so wie es ist. Es hat auch was mit Kopf und diesen Rückschlägen, die wir die ganze Saison einstecken müssen zu tun. (…) Wir haben es immer wieder geschafft, dass wir solche Spiele verlieren. Und es werden immer weniger Spiele, aber immer mehr Druck und da spielt der Kopf schon eine entscheidende Rolle.”

Maximilian Aichinger

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