Hans Rothammer ist wohl mal der mächtigste Mann beim Jahn. Nur wenige Personen konnten den Verein in der näheren Vergangenheit so prägen wie er. Das Festhalten an Keller rettete nicht nur ihn, sondern auch unseren Verein. Schlechte Entscheidungen und die Vereinspolitik gerieten in der erfolgreichsten Zeit der Vereinsgeschichte in den Hintergrund. Aber nun läuft es eben nicht mehr und die Fehlentscheidungen häufen sich, dennoch denkt er trotz großer Kritik nicht an einen Rücktritt. Eine falsche Entscheidung, kommentiert Maximilian Aichinger. (Foto: Karina Hessland/Getty Images via Onefootball)
Der große Bruch
Ich kenne Hans Rothammer nicht persönlich und kann daher nicht über seine Motive sprechen. Ich nehme ihm weder das „Elder Statesman“-Bild ab, noch jenes, dass er alles tut, was für den Verein gut ist. Es kommt mir eher so vor, als würde er alles tun, damit er sich ins perfekte Licht rückt.
Seine Personalie war in den letzten Jahren unantastbar, man dachte sich teilweise, ob diese Position überhaupt noch vergeben wird. Doch in der schlechten Phase zu Beginn des Jahres sprach er Mersad Selimbegovic eine Jobgarantie aus. Alles schön und gut, wenn man zu seinen Worten stehen würde und sie nicht gebrochen hätte, sobald sich die nächstbeste Möglichkeit in Form eines MZ-Berichts ergeben hätte. Einige Zeit zuvor ging Roger Stilz voreilig, obwohl er nur wenige Monate im Amt war. Kurz darauf stellte man nach einem „Bewerbungsprozess“ Tobias Werner ein, um ihn nach wenigen Monaten wieder zu entlassen. Allein dieses Verhalten lässt erahnen, wie viel man im Misserfolg auf Kontinuität gibt. Die Entlassungen sind folgerichtig, eventuell auch notwendig, aber dass man zweimal in Folge einen brachialen Fehlgriff auf dieser essenziellen Position landet, hat auch Rothammer zu verantworten.
Die Personalsituation beim SSV Jahn wirkt die eines Chaosclubs. Verantwortung tragen bedeutet eben nicht nur seine Angestellten zu feuern, sondern eben auch die eigene Personalie zu hinterfragen. Dies tat er nicht, zumindest nicht eindeutig. Wenn man im Aufsichtsrat ihn nicht mehr wolle, dann würde er gehen, so sprach er. Und die Fans? Wir müssen zuschauen, wie man im Hinterzimmer verhandelt und haben dank verschiedener Beschlüsse nur noch ein minimales Mitspracherecht. Gut eingefädelt, Herr Rothammer!
Einsicht würde man sich wünschen, aber man bekommt nur Trotz. Jeder macht Fehler, auch ein Präsident, aber die fehlende öffentliche Aufarbeitung macht es einem schwer, sich nicht gegen ihn zu positionieren. Ich weiß nicht, ob er alles tut, damit er im Amt bleibt, aber der Eindruck bleibt. Sein Werk beim Jahn hat er damit auf alle Fälle beschädigt.
Zu viel Einfluss
Bei der Vorstellung von Joe Enochs saß nicht der damalige Sportdirektor Tobias Werner auf dem Podest, sondern Hans Rothammer. Im Nachhinein gilt dieser Termin wohl als die endgültige Demontage Werners. Nicht Werner durfte „seinen“ Trainer vorstellen, sondern Rothammer tat dies. Es kann eine Überinterpretation sein, aber auch ein Einblick in das Machtzentrum Rothammer. Man hat fast den Eindruck, als würde jede Entscheidung in seinem Büro getroffen werden. Und natürlich tun sich dann Neulinge im Verein schwer, wenn man stets beäugt wird und man sich fühlt, als gäbe es kein Vertrauen.
Dass die Abstände der Entlassungen immer kleiner wurden, lässt auf die Enttäuschung Rothammers zurückführen. Wollte er mehr, oder musste er sogar? Aber eigentlich stand er nie in Kritik, niemand kritisierte ihn scharf bis zur Entlassung Mersads, niemand machte seine Personalie an der Ligazugehörigkeit fest. Was führte dann dazu, dass man diese Saison am Ende so verschlimmbesserte? Man weiß es nicht, aber für seine Expertise spricht es nicht unbedingt, egal welcher Ansporn.
Auch im Aufsichtsrat versuchte er bei der letzten Mitgliederversammlung seinen Einfluss auszuweiten und versuchte ihn mit Leuten zu füllen, die ihm nahestehen. Zumindest zum Teil konnte dies verhindert werden, aber dennoch bleibt die Macht in den Gremien unantastbar. Die Fanszene hat es dazu vergessen, in der Zeit des Erfolgs einen Gegenkandidaten aufzubauen. Wer soll es denn so plötzlich machen, ohne dass man direkt jemanden verbrennt?
(K)ein Neuanfang
„Die Einleitung eines Neuanfangs erachte ich als eine wesentliche Aufgabe, die es nun anzugehen gilt“, erklärt Rothammer, während die Fans zuvor forderten, dass er den Weg zum Neustart freimachen solle. Bei der Entlassung von Selimbegovic brauchte der Verein noch einen Impuls, was jetzt? Indessen ruft man einen „Neustart light“ aus und besänftigt damit die Fans, ohne Konsequenzen aus den Forderungen zu ziehen. Fast schon respektlos gegenüber den Fanclubs, da man wohl einfach weitermacht, ohne auf die Stellungnahme einzugehen.
Gespräche zwischen den Fronten sind wohl aktuell undenkbar, da das Verhältnis wohl in den letzten Wochen sehr beschädigt wurde. So wird es wohl daraus hinauslaufen, dass es ein Wechsel zwischen agieren und reagieren wird. Die Ultras werden die Thematik nicht unbeantwortet lassen, ein Statement wird bestimmt folgen.
Die Fans in der Bewährungsprobe
Der Zustand des Vereines gibt einem zu Denken, gefühlt beginnt aktuell eine Fahrt ins Tal und das, obwohl wir uns immer noch in einer sehr erfolgreichen Zeit bewegen. Fehlentscheidungen über Monate hinweg führten uns nicht nur in die 3. Liga, sondern in eine gefährliche Lage. Der Verein hat sich mit den sportlichen Fehlentscheidungen in die Ecke manövriert und ist davon ausgegangen, dass es die Fans einfach so hinnehmen.
Es wirkt so, als könnte Rothammer auch in Zukunft die Strippen ziehen. Schließlich hat er zumindest in den wichtigen Gremien weiterhin einen guten Rückhalt und mit Achim Beierlorzer jemanden als Sportdirektor, den er wohl gut kennt. Die Fanszene steht nun vor einer Bewährungsprobe, da Appelle wohl nicht mehr reichen. Man wird neue Wege gehen, vielleicht sogar einen eigenen Kandidaten finden müssen.
Der kleine idyllische Verein droht zu einem Tollhaus zu werden, fast schon so, als wären die Keller-Jahre nur ein wunderschöner Traum gewesen.
Avanti Ratisbona – auch in diesen Tagen!