Nachbericht: Wieder an der Spitze, trotz Regen und Hagelschauer

Am gestrigen Samstag stand viel auf dem Spiel, ein Heimsieg im Kampf um den Aufstieg war Pflicht. Zum Glück hatte man sich nach dem letzten Debakel aber wieder gefangen – trotz all den widrigen Bedingungen der letzten Wochen kämpfte man sich also wieder an die Tabellenführung. (Foto: Gatzka)

Vorgeplänkel

Auf die bestürzende Niederlage im hohen Norden reagierte Joe Enochs mit Veränderungen: Konrad Faber agierte wie schon beim Testspiel gegen die WSG Tirol auf dem rechten Flügel, dafür konnte Bene Saller wieder auf seine Stammposition als Rechtsverteidiger rücken und Oscar Schönfelder startete als Linksverteidiger. Florian Ballas stand zwar wieder im Mannschaftstraining, musste aber dennoch wegen Knieprobleme passen, für ihn rückte Robin Ziegele in die Startaufstellung. So wurde vor heimischem Publikum wieder ein 4-2-3-1 aufgeboten, bei dem die Flügelspieler sowie Noah Ganaus teils einen flachen Dreiersturm bildeten. Gegen den Ball wurde es zu einem 4-2-4, wo Christian Viet als zweite Spitze agierte.

Chemie Halle spielte auf dem Papier in einem 5-2-3, wobei es sich um ein sehr flexibles Konstrukt handelte. Mit dem Ball wurde es zu einem 4-1-2-3, wobei es selbst hier ständige Rotationen sowie Veränderungen gibt. Die Hallenser wechselten auf drei Positionen: Kreuzer, Casar, Hug (zurück nach Gelbsperre) und Berko tauschten mit Eitschberger (Bank) Bonga (Knieverletzung), Deniz und Halangk (je 5. Gelbe Karte). Gerade der Ausfall von Deniz tat Sreto Ristic weh, denn der zentrale Mittelfeldspieler gab am meisten Torschüsse ab und kreierte am meisten Torchancen. Auch Bonga gilt in diesem System als Schlüsselspieler, er hatte am meisten lange Bälle empfangen und harmonierte sehr mit Baumann, den er damit oft in die Tiefe schickte.

Die Systeme der beiden Mannschaften

1. Halbzeit: Lauf, Konni, lauf!

Von der ersten Minute zeigte sich, dass Joe Enochs sein Team gut auf den Gegner eingestellt hat. So stellte man sich selbst auf Standardsituationen ein und merkte: „Hey, die verteidigen ja nur im Raum“. So platzierte man bei jeder Ecke oder bei jedem Freistoß den Großteil der Angreifer vor dem Deckungswall, der somit zur Reaktion gezwungen wurde. Dies wurde bereits in der 3. Minute gefährlich, aber nachdem die Hereingabe spät geblockt wurde, hielt Schulze den Kopfball von Viet. Ein Muster im Spiel war, dass mehrere Spieler in den gedeckten Raum liefen, aber auch einige davor stehen blieben und somit keine direkte Deckung erhielten.

Aber auch die Gäste hatten durchaus bereits früh in der Partie Feldanteile. Der Hallesche FC baute immer wieder aus dem im Trend liegenden 2 (+ Torwart) – 3 auf, was bedeutet, dass gerade der Sechser oft in Dreiecke mit den Innenverteidigern involviert ist und die Außenverteidiger gerade im Spielübergang eine essenzielle Rolle spielen. Damit fremdelte der SSV Jahn Regensburg zu Beginn, denn das Anlaufen mit zwei Stürmern bedeutete, dass meist der Sechser frei war, sobald ein Stürmer den Passweg nicht mehr zustellen konnte. Man kam so immer wieder in das letzte Drittel, aber dann hakte es.

Probleme bei der Zustellung des Passwegs in den Sechserraum

Die nächste Möglichkeit hatte aber wieder die Jahnelf, so suchte Saller den zwischen den Linien stehenden Noah Ganaus, welcher den Ball gut verarbeiten konnte und den nachrückenden Oscar Schönfelder einsetzte, der aber verzog. Immer wieder kippten Ganaus oder auch Viet aus ihren Stammpositionen in das zweite Drittel, in den Halbraum, wo Halle durch das aufgerückte zentrale Mittelfeld im Pressing stark unterbesetzt war. In dieser Szene konzentrierte man sich dann so auf Ganaus, dass Schönfelder ohne Gegenspieler starten konnte.

Halle hatte in dieser Saison bereits 10 Tore aus Standardsituationen erzielen können (der Jahn 12), am Samstag war es so gut wie die einzige Option, um in die Box der Rot-Weißen einzudringen. Mit kreativen Laufwegen durchbrach man immer wieder die Manndeckungen der Jahnelf, so auch in der 13. Minute, wo Behrendt nach einem abgeblockten Kopfball erst an Viet, dann an Breunig und dann ernaut an Viet scheiterte. Eine Situation, in der man an einem anderen Tag gut und gerne das 0:1 fängt, aber manchmal müssen auch wir Glück haben. Darauf folgend musste sich der Jahn erstmal erholen, es ergaben sich einige technische Fehler im Mittelfeld, immer wieder verlor man den Ball und kam nicht ins Gegenpressing – dadurch konnte Halle teils kontern und man selbst aus einem tiefen Block verteidigen, somit genau das Gegenteil von dem, was man sich vorstellt. Der Gegner nahm diese Einladung aber eher nicht an, sinnbildlich stand die Flanke von Nicklas Kreuzer, die fast den Weg auf die A3 fand.

Eben weil Halle so ungefährlich war, kämpfte man sich aus dieser kurzen Schwächephase raus und konnte die hoch aufrückenden Hallenser mit Kontern wie in Minute 22 überraschen. Felix Gebhardt schaltete schnell um und setzte Faber ein, der gut 50 Meter dribbelte, trotz der abgeblockten Flanke nachsetzte und auf Saller ablegte, der aus 18 Meter den Fernschuss leicht über das Tor setzte. Das sind genau diese Situationen, die Konni ausmachen, wenn man sich nur noch denkt: „Lauf, Konni, lauf!“ und er plötzlich schon an der Box steht. Das oft auch von mir bemängelte Nicht-Nachsetzen zeigte er hier nicht, wodurch erst die Chance entstand. 5 Minuten später spielte er erneut eine Rolle. Breunig eroberte im Gegenpressing den Ball, setzte den ersten Pass nach vorne auf Viet, welcher bis vor die Box dribbelte, dann mit Ganaus kreuzte und auf Faber ablegte. Der flankte wieder zu Viet, der zur Führung einköpfte – ein Jahr-Tor in Reinform.

Die Stärken in der Offensive brachten das Momentum auf die Seite des Jahn, aber die Schwächen gegen den Ball blieben. Immer wieder fehlte die Intensität, wenn der HFC aufbaute, gerade durch das schwierige Anlaufen mit zwei Stürmern und den dadurch entstehenden Räumen im Sechserbereich. So kam man auch in der 33. Minute in das letzte Drittel, nachdem man sich so weit nach vorne über Nietfeld gearbeitet hatte, dass Baumann über Hug Berko hinter die Kette schicken konnte, dessen Hereingabe von Gebhardt entschärft wurde.

Der Schlagabtausch blieb aber erhalten, Faber erhielt den Ball nach einer Seitenverlagerung durch Schönfelder. Mit einem Dribbling nach innen schlug er erst Casar, dann Hug, am Ende wurde sein Abschluss nur noch von Schulze verhindert, ansonsten wäre das perfekte Dribbling gekrönt wurden. Auch hier konnte der Jahn eine Antwort auf eine Schwäche der Ostdeutschen finden: Durch die Dreierkette waren vor den Außenverteidigern immer wieder Räume, diese nutzten sowohl Schönfelder sowie Faber, so entstand erst die Seitenverlagerung ohne Bedrängnis und dann das Dribbling in den freien Raum.

Aufgrund der 5er-Kette hatte der Jahn mehrmals viel Platz

Danach endeten die Ansätze meist im zweiten Drittel und der Jahn ging mit einer verdienten, aber auch etwas glücklichen 1:0-Führung in die Katakomben.

2. Halbzeit: Deckel drauf

Die Heimmannschaft kam deutlich aktiver aus der Pause, bereits 30 Sekunden nach Wiederanpfiff setzte Ganaus Faber auf dem Flügel ein, dessen Flanke Kother nur knapp nicht verwerten konnte. Halle war noch nicht anwesend – Landgraf war deutlich überrascht von dem Pass auf den Flügelspieler und konnte mit seinem Stellungsspiel sowie seiner Zweikampfhaltung keine Gegenwehr darstellen. Infolge dessen merkte Enochs, dass noch mehr geht und ließ die Außenverteidiger eine noch höhere Position einnehmen, was die Innenverteidiger dazu zwang, dass sie die Passwege zwischen den Linien noch mehr forcierten. In der 51. Spielminute wurde dieses Risiko dann belohnt, nach einem Einwurf wurden die Flügel so stark überladen, dass Halle 5 Meter vor dem eigenen Tor stand, nach einer Hereingabe legte Viet auf Kother ab, welcher zum 2:0 in den Winkel traf.

Der Schlagabtausch in der ersten Hälfte wurde immer mehr zu einer einseitigen Partie, auch weil der SSV Jahn im Spielaufbau ruhig agierte und Halle weder Intensität noch Wille zeigte. Die Innenverteidiger aus Ziegele und Breunig dribbelten immer wieder die erste Pressinglinie des Gegners an, passten dann ins Zentrum und es wurde sofort gefährlich. Andreas Geipl wurde durch die aufgerückten Außenverteidiger zu einer Absicherung und nahm so temporär teils die Außenverteidiger-Rolle ein – diese Feinheiten gaben Sicherheit. Halle lief mit Dominic Baumann die Innenverteidiger an und mit Berko sowie Gayet die Außenverteidiger. Aber was, wenn die Außenverteidiger plötzlich so hoch schieben, dass sie schon fast Flügelspieler sind? Dann ist ein normales Anlaufen fast nicht möglich, dies verunsicherte Halle sehr. So konnte sich bspw. Faber ohne große Gegenwehr bis in das letzte Drittel arbeiten, auf Kother ablegen, welcher Ganaus (im Abseits) einsetzte und der dann alleine vor dem Tor die Nerven verlor (60.).

Das Durchbrechen des Pressing-Konstrukts des Gegners gab der Innenverteidiger mehr Raum zum Spielaufbau

Eben weil die gesamte Mannschaft der Oberpfälzer so kollektiv nachrückte, war das Gegenpressing so erfolgreich, dass Halle nur sehr wenig Umschaltmomente kreieren konnte. Wenn sie in das letzte Drittel kamen, dann mit den typischen langen Bällen hinter die Kette auf Baumann, aber auch diese wurden eigentlich immer aus dem Gefahrenbereich geköpft.

So plätscherte das Spiel langsam aber sicher vor sich hin, auf beiden Seiten ließ die Intensität nach. Die Jahnelf merkte, dass der Gegner nicht die Mittel für eine Gegenwehr hatte und so plätscherte es langsam, aber sicher vor sich hin. Lediglich ein daneben gegangener Distanzschuss von Wolf (87.) nach einer Ping-Pong-Situation und eine fehlende Klärung seitens der Hintermannschaft sowie ein über das Tor gegangener Freistoß aus eigentlich gefährlicher Situation durch Hakimi (90.) sind noch nennenswerte Aktionen, die aber eher zufällig, aber auch aus dem Druckabfall entstanden.

Fazit zum Spieltag

In gewisser Weise war der Hallesche FC für den SSV Jahn Regensburg der richtige Gegner zur richtigen Zeit. Aus diesem Blickwinkel belohnt sich die Mannschaft also mit den drei Punkten dafür, dass man seine Stärken insbesondere auf den Flügeln so ausspielte, wie man es aus der Hinserie gewohnt war. Auf die gute Defensivleistung des zweiten Durchgangs kann das Team von Joe Enochs aufbauen, auch wenn es durchaus noch Gegner geben wird, wo gerade das Anlaufen in dieser Form zu mehr Problemen führen wird.

Aber aus rein mentaler Sicht war das kein Aufbausieg, sondern vielleicht der wichtigste Sieg der Saison. Wer in der Endphase der Liga einen Lauf startet, der wird am Ende oben stehen. Es könnte nämlich theoretisch wirklich was werden. Jeder Sieg wird aber zur Pflicht, wenn wir am Ende oben stehen wollen. Die Zweifel stehen jedem verständlicherweise ins Gesicht geschrieben nach den letzten Wochen, auch ich bleibe skeptisch, mache ich mir zumindest vor.

Mit diesem dann doch tollen Heimsieg bin ich nämlich dann eigentlich fast schon wieder geneigt, etwas optimistisch auf die kommenden Aufgaben zu gucken. Die Jahnfans, die das Spiel über sehr starken Support ablieferten, sangen zum Ende hin jedenfalls: “Jahn Regensburg ist da!”. Vielmehr sind wir aber wieder da, wir waren vielleicht auch nie aus dem Aufstiegskampf weg. Konstanz wird diese Liga entscheiden, gerade im Endmarathon – das am Samstag war der Anfang.

Fahrt alle nach Münster und unterstützt die Jahnelf, soweit alles klappt, wird auch der Blog am Start sein.

Gemeinsam nach vorne – Avanti Ratisbona!

Stimmen zum Sieg: “7 Spiele, welche wir gewinnen müssen”

Dominik Kother zur Trendwende: “Die Tabellenführung fühlt sich gut an, aber das ist eher komplett egal, denn es stehen noch 7 Spiele an, welche wir gewinnen müssen, damit wir dort bleiben. Nächstes Spiel wird gegen den direkten Konkurrenten richtungsweisend und dann sehen wir, wo wir stehen. (…) Wir können einige Situationen noch besser aussspielen, um zu Torchancen zu kommen, daran können wir arbeiten. Aber am Ende war es sehr wichtig, dass wir unsere Chancen nutzten und die 0 steht.”

Oscar Schönfelder zum Sieg: “Ich glaube, wir haben uns heute noch mehr vorgenommen, gerade für die Fans. Nach Lübeck haben wir uns eingeschworen, nochmal einen Mannschaftsabend veranstaltet, wo uns klar gemacht wurde, dass wir in dieser Saison wirklich was erreichen können. Jeder hat sich heute nochmal mehr reingehauen, es war nicht unser bestes Spiel, aber der Einsatz hat gestimmt. Jeder wollte, das waren vielleicht in den letzten Wochen die Prozentpunkte, welche uns fehlten.

Oscar Schönfelder über die Konkurrenten: “Es bleibt eng, ich hätte aber von Dreden noch mehr erwartet qualitativ, da sie den besten Kader haben. Münster ist in unfassbar guter Form, aber die Phase hatten wir in der Hinrunde auch, man kann nicht ewig gewinnen, oder? Nächste Woche wird es Zeit, dass wir deren Siegesserie beenden.”

Andreas Geipl über die Leistung nach dem Tor: “Wir sind mit einer gewissen Erwartungshaltung in das Spiel gegangen, nach 6 sieglosen Partien, dann gerade vor den Heimfans musste ein Sieg hier. Das haben wir probiert und zum Glück geschafft. Das 1:0 war der Dosenöffner, denn dann kannst du dich auch auf das Verteidigen konzentrieren. Wir haben nur sehr wenig zugelassen, Felix musste keinen fangen. Das war heute eine zufriedenstellende Leistung, aber wir müssen weitermachen.”

Andreas Geipl über seine Erinnerungen an Münster: “Da habe ich sehr gute Erinnerungen, gerade mit dem verwandelten Elfmeter, auch wenn mir damals garnicht bewusst war, dass das der entscheidende Elfmeter sein könnte. Das war noch eine Zeit, wo ich die Elfmeter noch getroffen habe. Da haben wir natürlich noch gute Erinnerungen, die haben zwar einen Lauf, aber es ist unser Anspruch, dass wir da etwas mitnehmen. (…) mit der heutigen Leistungen habe ich gegen keinen Gegner Bedenken, wir können jeden schlagen.”


Hans Jakob prägte den SSV Jahn wie kaum eine andere Person, die Ultras würdigten die Legende mit einer Choreo zum 30. Todestag des Nationaltorhüters. Danke an alle Organisatoren und Künstler – ihr lasst Fußballkultur im Jahnstadion leben! (Foto: Gatzka)
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