Die Geschichte des SC Freiburg
Oft genug wird in diesen Tagen über die Zweitvertretungen geschimpft. Doch auch, wenn man nicht unbedingt ein Fan von diesen ist, so kann man nicht abstreiten, dass bei vielen ein großer, traditionsreicher Verein dahinter steht. Dieses Wochenende ist es der SC Freiburg bzw. deren U23, auf die wir treffen. Der SC Freiburg ist ein Verein, der kaum wie ein anderer in den letzten Jahren mit seinen Entscheidungen, seinem Trainer und seiner Art viele Bewunderer gewonnen hat. Doch wer ist dieser Club, der oft einen etwas anderen Weg gegangen ist als manch anderer Verein? (Bild: SC Freiburg, Mitarbeit: Maximilian Aichinger)
Die Zeit vor der Ära Volker Finke
Im März 1904 wird im Vereinslokal des Freiburger Turnerbundes der Freiburger Fußballverein 1904 gegründet, mit den Farben schwarz und weiß. Wie viele Clubs durchlebte auch er viele Fusionen und auch wieder einige Trennungen. FC Schwalbe Freiburg, Freiburger FV 04 oder die Freiburger Turnerschaft sind ein paar der Vorgängervereine des SC. Der SC an sich entstand 1912 als der FV04 und der mehrmals umbenannte FC Schwalbe Freiburg fusionierten, dabei entstand eine erste Jugendabteilung. Das heute oft herangezogene Gründungsdatum 1904 bezieht sich auf den Freiburger FV 04, der sein erstes Spiel am 3. Mai 1904 austrug.
Den ersten Pokal, den der SC Freiburg für sich beansprucht, ist der Ehrenpreis-Pokal von 1909, den der FFV gewann. Hier könnte es nun enden, aber das Turnier fand nie statt. In der Presse wurde nie ein Turnier erwähnt, der Pokal kam nur durch einen Wechsel eines ehemaligen Funktionärs der Ausrichter in den Besitz des Vereines. Der Symbolwert war aber dennoch enorm, die Vorgängervereine des Sportclubs wollten ihre selbstbewusste Stellung nach wenigen Jahren im Fußballbetrieb rund um Freiburg behaupten, da tut sich so ein goldener Pokal in der Vietrine ganz gut.
Die ersten internationalen Spiele gab es kurz vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges in einer Freundschaftsreise nach Italien rund um das Jahr 1914, dabei wird zum ersten Mal der Greif, wenn auch nur vorerst vorübergehend, im Wappen getragen. Ausgestattet mit 800 Lira Fahrgeld von seinen Gastgebern, folgte ein 2:2 gegen die SG Andrea Doria Genua, einem Vorgängerverein von Sampdoria Genua. Am Ostermontag rund 100 Kilometer weiter nördlich im Piemont verlor man 1:4 beim FC Alessandria. Bis heute weiß niemand so recht, wieso diese Reise angetreten wurde, überliefert ist aber, dass man im damals üblichen 2-3-5 auflief. In Genua vor einer “ungeheuren Menschenmenge im Stadion” traf der spätere Nationalspieler Oskar Müller doppelt, auf dem dem Exerzierplatzgelände in Alessandria fanden sich dann wohl über 6.000 Zuschauer zu diesem Duell zusammen. Die Reise machte nicht nur in Freiburg die Runde, die Erwähnung in der “Frankfurter Zeitung” stellt die erste gesamtdeutsche Aufmerksamkeit dar. Vier Spieler der damaligen ersten internationalen Elf des SCs kamen leider im ersten Weltkrieg ums Leben. 1923 war man erneut in Italien zu Gast, beim FC Turin musste man eine 2:4-Niederlage verzeichnen und nahm dabei in diesen 9 Jahren die “Fortschritte” des italenisches Fußballs wahr. In einer Festschrift berichtete man dabei von der Gastfreundlichlkeit der Turiner, wobei bei der Heimfahrt der “durstige Jahn” fast den Zug verpasste. Kaum angekommen, stellte man aber fest, dass Karl fehlte, der plötzlich in Como wieder auftauchte. Über die Gründe kann nur gerätselt werden. Trotz “Mussolinis Wächter” konnte man den Grenzkontrollen entkommen und einige Genüsslichkeiten mit in die Heimat nehmen, dazu verlor ein Spieler seinen Ausweis auf der Reise und kam beim Grenzübertritt sehr ins schwitzen. Über die Schweizer Alpen kam man wieder in die Heimat, weitere Reisen folgten.
Immer wieder machte man aber auch Ausflüge in andere Nachbarländer, so wurde in der Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Vereines auch von Reisen nach Frankreich berichtet, wo es unter anderem gegen Straßbrug, eine Stadtelf aus Paris oder auch in andere Länder wie Luxemburg ging, dazu trat man ein paar Mal in Schweizer Ligen an gegen bekannte Vereine wie den FC Zürich, die Grasshoppers oder den FC Winterthur. Rund um Pfingsten 1924 folgte eine weitere Reise mit Zug, aber dieses Mal nach Spanien, besser gesagt, in das “wunderschöne baskische” San Sebastian, wo es in zwei Spielen (4:4, 0:2) gegen Real Santander ging, wobei in der Vereinszeitung auch von Schieberei des Spiels der spanischen Spielleiter gemunkelt wurde. Die Heimreise aus Spanien war dazu von Strapatzen geplagt, so wurde man mitten in Spanien durch Polizeibeamte aus dem Zug geworfen und musste mehrere Stunden verweilen, aber Legenden besagen, diese Zeit hatte die Mannschaft durch mehrere “Wettspiele” und wohl etwas Alkohol zusammengeschworen.
Hintergrund: SC Freiburg Archiv
Im ersten Weltkrieg taten sich ein paar Heimaturlauber mit Schülern, auch von den Regionalfeinden vom Freiburger FC, zusammen und bildete eine sogenannte Kriegermannschaft, dabei sammelte man sogar Pokale, denn man verteidigte man die Oberrheinmeisterschaft, dazu gewann man gegen den SC Stuttgart (heute Landesliga) die Südkreismeisterschaft. Zuvor war “weder Zeit noch Sinn für das Vereinsleben”, da das Heimatland gerufen habe.
1919 schloss sich dann die Freiburger Turnerschaft an. Dieses Bündnis hielt jedoch nicht lange, denn 1924, nach heftigen Streitigkeiten, verließen die Fußballer den Verein und gründeten den SC Freiburg erneut. Dabei spielte man weiterhin an der Schwarzwaldstraße und gab mit der SC-Rundschau sogar als Novum eine Vereinszeitschrift dabei, gleichzeitig wurde Oscar Müller für die deutsche Nationalmannschaft nominiert. 1925 knackt man sogar die 1000 Mitglieder und sogar gründete ein eigenes Orchester sowie einen Chor und 1927 gründete sich eine der erste Frauenmannschaften in Deutschland.
Im zweiten Weltkrieg wurde der SC Freiburg, wie der gesamte Fußball, von den Nationalsozialisten vereinnahmt. Bereits 1933 bei der Machtergreifung Hitlers wurde dies bei den Freiburgern gefeiert, anschließend einstimmig ein neuer Vorstand aus lokalen NSDAP-Größen gewählt – fortan wurde die menschenverachtende Ideologie im Verein verbreitet, inklusive sportlicher Vorbereitung auf den Krieg mit Geländesport und Wehrertüchtigung. Das jüdische Leben wurde damit im Verein immer schwieriger, selbst ein Jugendtrainer des SC propagierte in der badischen Propagandazeitung “Der Alemanne”. Aber auch tragische Schicksale mussten die Freiburger hinnehmen, so wurde Sigmund Günzburger, Vizepräsident beim SCF nach dem 1. Weltkrieg, nach Auschwitz verschleppt, wo er 1942 sterben musste. Robert Neisen, Historiker, berichtete dazu dem SWR, dass sich der Vorstand an der Vertreibung einiger Menschen jüdischen Glaubens beteiligt hat. Umgekehrt half aber auch ein kommunistischen Spieler einer halbjüdischen Familie zur Flucht nach Südafrika. Wie im gesamten Deutschland ist die Aufarbeitung noch lange nicht abgeschlossen, Neisen sei aber bestrebt, dieses schwere Erbe weiter aufzuarbeiten, auch der SC Freiburg selbst: “Wenn man sich Antidiskriminierungsarbeit auf die Fahnen schreibt, gehört es zur Selbsthygiene, seine eigenen Hausaufgaben zu machen.” (Hanno Franke, SC Freiburg, Projektverantwortlicher NS-Studie)
Als der Krieg zu Ende ging begann für den Verein, wie für eigentlich alle Vereine in Deutschland, eine neue Zeit. 1946 entstand der VfL Freiburg als erster Nachfolgeverein. Sie bekamen ebenfalls in diesem Jahr ihren alten Namen zurück. Und Geschichte wiederholt sich: Wie bereits 1924 traten die Fußballer 28 Jahre später wieder aus dem gemeinsamen Verein aus und bildeten den heutigen SC Freiburg.
– 30.Mai 1904 | Freiburger FV 04 |
30. Mai 1904 | Gründung FC Schwalbe Freiburg |
1905 | FC Mars Freiburg, vormals FC Schwalbe Freiburg |
1910 | SV 1904 Freiburg, vormals FV 1904 Freiburg |
1912 | Fusion Union Freiburg/SV 1904 Freiburg zum SC Freiburg |
1919 | Beitritt zur FT 1844 Freiburg als FT/SC Freiburg |
1928 | SC Freiburg eigenständig aus der FT 1844 Freiburg |
1938 | Beitritt des SC Freiburg an die FT 1844 Freiburg als FT/SC Feiburg |
1945 | Auflösung nach Weltkrieg |
1946 | Neugründung als VfL Freiburg |
1950 | Rückbenennung zum FT/SC Freiburg |
1952 | SC Freiburg selbstständig aus FT/SC Freiburg |
Zur Eröffnung eines eigenen Stadions im Jahr 1955, welches erst nach einer langwierrigen Suche einen Platz fand, fanden sich 40 Gäste am neuen SC-Platz ein, die durch ein provisorisches Gebäude bewirtet werden konnten, welches von einer örtlichen Brauerei bereitgestellt wurde. Auch der Bau der ersten Tribüne fällt in die unmittelbare Zeit des Umzugs an die Dreisam. Diese „Tribüne“ bestand lediglich aus um die 300 Betonstücken und wurde auf der “Strandbadseite” über eine Länge von 100 Metern errichtet und einbetoniert. 1946 feierte der SC Freiburg dazu sein 60-jähriges Bestehen mit der Errichtung eines eigenen Vereinsheimes: dem Dreisamblick. 1967 erfolgte die Umbennung zum “Dreisamstadion”, dabei orientierte man sich am FFC, wo eben der “Mösle” neben dem “Möslestadion” floss und beim SC die “Dreisam”. Übrigens: Das 1922 erbaute Möslestadion ist heute die Heimat der Freiburger Fußballschule.
1972 übernahm Achim Stocker als erster Vorsitzender des Vereins das Ruder, dazu habe er zum Schutz seiner Gesundheit keine Spiele seines eigenen Vereins ansehen wollen. Der Erfolg von ihm ist essenziell für den Erfolg des heutigen SC Freiburg. Unter seiner Führung gelang nach Spielen gegen unter anderem den SSV Ulm 1846 und den SSV Reutlingen 1978 der Aufstieg in die 2. Bundesliga, somit der erste Schritt in den Profifußball. Hierfür musste erneut das Stadion wieder ausgebaut werden, da sich die Freiburger immer mehr für den Sportclub interessierten, dabei trug die Stadt die Kosten von 100.000 DM. Vor dieser Zeit war der SC Freiburg in den verschiedensten Ligen vertreten, sozusagen war man ein Fahrstuhlclub im oberen Amateurberich. Für die erste Profisaison, die man aufgrund der Umbauten bei den Rivalen im Möslestadion spielen musste, wurde ein gewisser Joachim Löw verpflichtet, der sich im Laufe seiner Karriere noch einen Namen machen sollte.
1980 wurde man nach dem Klassenerhalt 6. in der 2. Bundesliga Süd und schlug im 15.000 Zuschauer fassenden Dreisamstadion den 1. FC Köln im DFB-Pokal. Dabei war das Interesse so groß, dass man das Kontingent trotz Sicherheitsbedenken auf 17.000 Zuschauer erhöhte. Gerade zu dieser Zeit war die Rivalität mit dem Freiburger FC (FFC) noch aktueller als heute, auch weil sich der SCF für die eingleisige 2. Bundesliga im Jahre 1981 qualifiziert. Der FFC stieg ein Jahr vor dem SC in die 2. Liga auf und man stand lange im Schatten des FFC, aber schon diese Zeit markiert eine Wachablösung. Der FFC stieg 1982 jedoch ab und kam seitdem nicht mehr richtig auf die Füße, während der Sportclub 15. wurde und so den Grundstein für weitere Jahre im Profitum legte. Der SC Freiburg blieb im Tabellenmittelfeld der 2. Liga und wurde somit der höchstklassige Verein in Freiburg.
Das Dreisamstadion, übrigens das erste CO2-neutrale Stadion mit Solaranalagen und Blockheizwerk in Deutschland, war von 1954 bis 2021 Heimat der Freiburger, dabei berüchtigt für den eher mäßigen Gästeblock und den Golfballwurf gegen Olli Kahn. In den letzten Jahren konnte es den Aufgaben eines modernen Fußballstadions nicht mehr so gerecht werden, wie man es sich wohl wünschte, und man musste sich von der alten Heimat verabschieden. 2021 zog man in das neue Europa-Park-Stadion um, dabei wurde die aktive Szene stets in die Planungen eingebunden, um den Flair des SC Freiburgs zu erhalten. Dass das alte Stadion die Aufgaben nicht mehr erfüllte, zeigt meines Erachtens schon, dass es im Dreisamstadion ein unangenehmes Gefälle gibt. 1 Meter ist der Höhenunterschied zwischen den Toren, aufgrund eines Fundaments kann das Spielfeld nicht geebnet werden. „Auf Dauer wären wir in unserem alten Stadion eben einfach nicht mehr konkurrenzfähig gewesen. Und da rede ich nicht von der ersten Liga.“, so Christian Streich. Der damalige Präsident Keller sieht das ähnlich: „Ohne ein neues Stadion werden wir uns im Haifischbecken Bundesliga nicht halten können. Wir brauchen es für die erste, aber im Fall eines Abstieges auch für die zweite Liga.“
Wir waren ja gerade beim Jahr 1982. In diesem Jahr wechselte Joachim Löw nach drei überragenden Jahren zum regionalen Primus aus Stuttgart. 1982 kehrte er dann wieder zum SC Freiburg zurück. Ein einjähriges Intermezzo beim KSC sollte noch folgen. Ansonsten blieb Löw dem SC bis 1989 treu. Mit seinen 81 Toren in 252 Spielen ist er Rekordtorschütze der Breisgauer.
Volker Finke und die Zeit danach
Wir springen nun ins Jahr 1991. Nachdem er 1990 den TSV Havelse in die 2. Bundesliga geführt hatte, wurde Volker Finke von Achim Stocker verpflichtet. Damit begann eine lange Erfolgsgeschichte für beide Seiten. Finke ist heute noch, nach Frank Schmidt, der Trainer mit der zweitlängsten Amtszeit im deutschen Profifußball. Der Coach führte seinen Club bereits in seinem 2. Jahr in die Bundesliga und das als Tabellenerster. Im zweiten Bundesligajahr wurde der Sport-Club sensationell Dritter und qualifizierte sich für den UEFA-Pokal, wo er in der ersten Runde gegen Slavia Prag ausschied, danach stieg man nach einem Jahr im Mittelfeld 1997 wieder ab. Mit Finke schaffte man aber 1998 den sofortigen Wiederaufstieg auf Platz 2, dazu wurde Andreas Rettig in diesem Jahr der erste Manager des SCF. Finke stand schon früh für einen Fußball, den auch der Jahn heute integriert hat: hohes Pressing, dann sofortiges Umschalten, dazu sagte er bereits 2008 der TAZ: “Offensivpressing spielen, wenn der Gegner den Ball hat, sind wir stark, weil wir das suuuuper können, den Gegner jagen. Und wenn wir ihn haben – dann gehts ab, hohes Tempo, zwei, drei Stationen zum gegnerischen Sechzehner, möglichst mit ein, zwei Kontakten. Diese Spielweise galt plötzlich als die modernste Entwicklung (…) der damalige Bayern-Spieler Alain Sutter sagte nach so einem Spiel, er habe neunzig Minuten lang das Gefühl gehabt, der Gegner sei ein Mann mehr auf dem Platz gewesen”. Dieser Finke-Stil wird heute noch gelebt und Christian Streich philosophiert immer wieder über Intensität im Spiel und hohes Angriffspressing.
Gerade in der heutigen Zeit, wo sehr oft ein Trainer nach dem anderen rausgeworfen wird, erscheint dies sehr ungewöhnlich. Doch oftmals ist nun mal eine Trainerentlassung nicht unbedingt das optimale Mittel. Dem Verein hat es jedenfalls nicht geschadet, stieg man in der Folgesaison direkt wieder auf. Danach war man eher im Tabellenmittelfeld zuhause, bevor es 2002 wieder nach unten ging. Es folgte wieder der direkte Aufstieg und nach 2 Jahren wieder der Abstieg, obwohl man 2001 wieder für den UEFA-Pokal qualifiziert war. Dort setzt sich der Sport-Club in der ersten Runde gegen Matador Puchov (Slowakei) und anschließend gegen den FC St. Gallen durch und schied erst im Dezember in der dritten Runde gegen Feyenoord Rotterdem aus.
Doch dann ging wohl einiges schief und ein gefährlicher Strudel begann. 2005/06 hatte man eine schwere Zeit und war kurzzeitig sogar abstiegsbedroht. Man erreichte dennoch am Ende Rang 4, verpasste aber den Aufstieg. Im Dezember 2006 dann der Paukenschlag: Der Verein gab bekannt, die Zusammenarbeit mit dem Trainer zum Ende der Spielzeit zu beenden. Die Fans waren nicht begeistert, starteten sogar eine Initiative, um Finke hierzubehalten. Am Ende sollte dies aber nicht passieren und nach 16 Jahren verließ er den SC Freiburg. Über seine Entlassung sagte er dem Spiegel: “Die Nische, die wir hier in Freiburg geschaffen haben, ist labil. Deshalb verstehe ich auch, dass bei einigen aus dem Vorstand angesichts der Tabellensituation im Dezember einfach die nackte Angst da war”.
Sein Nachfolger wurde Robin Dutt, der zuvor unsere Freunde aus Stuttgart blau trainierte. Unter Dutt erreichte man nach 2 Jahren wieder den Aufstieg in die 1. Bundesliga. Einen wichtigen Anteil hatte hierbei der Stürmer Papiss Demba Cissé, welcher 22 Tore erzielte. Rückblickend solle Dutt den SC auch auf seine Weise geprägt haben, die sich wohl deutlich von der von Volker Finke unterschieden haben soll.
Und dann kam Christian Streich
Der Nachfolger von Robin Dutt wurde Marcus Sorg. Doch irgendwie sollte das alles nicht so richtig klappen für ihn beim SC Freiburg. Bereits in der Winterpause gab der SC erstmals die Trennung von seinem Cheftrainer in der Bundesliga bekannt.
Nachfolger wurde der bisherige Co-Trainer Christian Streich, welcher bereits als Jugendtrainer seit 1995 im Verein ist. Und genau solche Geschichten machen den SC Freiburg unter den Fans so beliebt. Unter dem neuen Trainer konnte man sich stark verbessern und im Jahr seines Antritts den 12 Platz erreichen. So sicher war das mit Platz 18 in der Winterpause nicht.
Auch Streich sollte nicht von einem Abstieg verschont bleiben. Doch auch er bekam das Vertrauen ausgesprochen und konnte 2015/16 den direkten Wiederaufstieg feiern. Der Abstieg in der Saison zuvor war ziemlich bitter, da der SC in vielen Spiele bis kurz vor Schluss führte, um dann noch einen Ausgleich zu kassieren. Erneut folgte der Abstieg auf eine Saison im Europapokal und das, obwohl man sich am letzten Spieltag gegen Schalke sogar für die Champions League qualifizieren hätte können. Letztlich feierten Fans und Mannschaft Platz fünf in der Bundesliga. Der Sport-Club war damit zum dritten Mal in seiner Vereinsgeschichte im Europapokal vertreten. Ein neu formiertes SC-Team belegte in der Europa-League-Gruppenphase Rang drei hinter dem FC Sevilla und Slovan Liberec und vor GD Estoril – danach sei diese Dreifachbelastung mit einem neuen Kader zu viel und zu wenig SC Freiburg gewesen, sagte man.
Doch Streich ließ sich mit seiner sympathischen Art nicht von seinem Weg abbringen. Zusammen mit dem neuen sportlichen Leitern Jochen Saier und Klemens Hartenbach mauserte er sich Stück für Stück weiter nach oben – zusammen schon den Jugendbereich aufgebaut, konnten sie auch den Profibereich in Freiburg bis nach Europa bringen. Seit der Saison 2019/20 ist der SC meist im Tabellenmittelfeld oder der oberen Tabellenhälfte zu finden. Man erreichte auch 2021/22 das DFB Pokalfinale, welches gegen RB Leipzig verloren wurde.
Immer wieder etablierten sie Scoutingmethoden zuerst in Freiburg, dann wurden sie von der Konkurrenz übernommen. Heute ist dieser Abstand geschmolzen, während Scouts früher in Georgien ohne Konkurrenz waren, kann man heute schon mal auf einen der AS Rom oder des VfL Wolfsburg treffen. Durch Daten- und Videoanalyse wurden Zielmärkte kleiner – jeder sieht jeden Spieler. Freiburg musste neue Wege gehen, anstatt sich zu fragen, wer ist der beste Spieler XY, fragt man sich, passt der Spieler in das System SC Freiburg? Passt er in diese Intensität, auch in diese Bodenständigkeit? Das ist der Schlüssel, wie man sich einen Vorsprung erarbeitet: Man ist, wer man ist, und weiß, was man braucht.
Christian Streich wird seine Trainerlaufbahn zum Ende der aktuellen Saison beenden. Hierfür wünschen wir ihm alles Gute.
Die Freiburger Fußballschule
Der SC Freiburg ist in Deutschland für seine sehr gute Jugendarbeit bekannt. Das in Freiburg entwickelte Modell um Nachwuchsleistungszentren prägte den gesamten europäischen Fußball. Denn dieses Konzept setzt, logisch zu Ende gedacht, nicht nur eine hohe Qualität bei der Ausbildung der Spieler voraus, also gute Trainer und eine ebenso gute Infrastruktur – mit allen Themen wie Medizin und Scouting. Es muss auch Sorge dafür getragen werden, dass die generierten Transfererlöse Stück für Stück für ein Wachstum sorgen, von dem sowohl die Qualität des Kaders als auch die Infrastruktur profitiert.
Um talentierte Jugendliche schon gut zu betreuen, bevor sie Kandidaten für die Fußballschule werden, unterhält der Verein seit einigen Jahren Kooperationen mit einer Reihe von Klubs im Umkreis von etwa 150 Kilometern. Von Freiburg aus gesehen sind also alle Himmelsrichtungen abgedeckt, sozusagen versucht man mittels Stützpunkten das SC-Gen zu verteilen. Talentierte Jugendliche im Alter zwischen 12 und 16 Jahren erhalten dort zusätzliche Trainingseinheiten von Trainern, die der Verein eigens geschult und auf die Philosophie fokussiert hat. Dazu kommen Einheiten in Freiburg. Jugendliche, die über all die Jahre herausragen, ziehen dann mit 16 Jahren in die Fußballschule um, auf deren Leitungsebene eine ähnlich große Kontinuität herrscht wie bei den Profis. Kommt euch bekannt vor? Der Jahn hat diese Konzepte als Vorbild genommen. Ähnlich ist das direkt bei den Spielern, man möchte Kontinuität walten lassen und nicht jedes Jahr neue Kader zusammenstellen: “Man stellt ja auch bei seiner Ehefrau nicht im fünften Ehejahr fest, welche Haarfarbe sie hat.” (Bundesliga anders)
Immer wieder klagen die erfahreneren Spieler bei allen Vereinen in Deutschland, dass heute schon 15-Jährige Siegprämien in ihren Verträgen haben und mit eigenen Ausrüsterverträgen von Nike oder Adidas ausgestattet seien, dabei werden sie mit tausenden Euros gelockt. Und wenn sich der große Traum von der glamourösen Profikarriere dann nicht erfüllt oder man plötzlich in der Bayernliga spielt, erleben sie die erste und dafür umso tiefere Sinnkrise ihres Lebens. Dieses Problem geht der SC mit einer frühzeitigen Sensibilisierung der Eltern und vor allem der Spieler an, dabei besteht kein kleines Angebot an sportpsychologischer Unterstützung.
Nicht umsonst war unser Gegner, der SC Freiburg II, auch Drittligameister. Gerade wir Jahnfans dürften das gut wissen. Ein Beispiel gefällig?
All diese Spieler sind zwischen Freiburg und dem Jahn gewechselt. Wobei eher von Freiburg zum Jahn. “Leider” konnte von diesen talentierten Spielern nur Konrad Faber fest verpflichtet werden, während Boukhalfa aktuell bei St. Pauli, Okoroji unter Sportdirektor Roger Stilz in St. Gallen und Föhrenbach mit Bene Gimber bei Heidenheim spielen.
Aber auch so ist der SC Freiburg eine große Talentschmiede und einige Spieler gingen Ihre ersten Schritte beim SC. Aber nicht nur das, auch einige große Spieler, wie Nils Petersen z.B., verbrachten ihre Karriere und beim SC. Namen wie Sebastian Kehl, Jörg Schmadtke oder Dennis Aogo stammen aus der Fußballschule, aber auch heutige Stammspieler wie Vincenzo Grifo oder Christian Günter wurden dort geprägt.
Die Freiburger Fanszene
Natürlich möchten wir an dieser Stelle auch einen kurzen Blick auf die aktive Fanszene des SC Freiburg werfen. Heimat der Freiburger Fans ist die Nordtribüne. Freiburg hat – wie einige andere Vereine in Europa (z.B. Prag oder Belgrad) – eine Geschichte, die auch Wurzeln im Konflikt des “Klassenkampfes” hat. So wie z.B. in Prag der eine Verein der von Akademiker und der andere von Arbeitern war. In Freiburg war der Freiburger FC wohl die Heimat der eher konservativen Bevölkerung während beim SC Freiburg eher die links-alternativen Persönlichkeiten eine Heimat fanden. Durch den Abstieg des FFC verlor die Rivalität allerdings an Bedeutung.
Umso weniger verwundert es, dass der SC Freiburg freundschaftliche Kontakte zum FC St. Pauli zu pflegen scheint. Kurioserweise sollen jedoch auch freundschaftliche Beziehungen zu Fans von Alemannia Aachen bestehen, welche ja weniger links sein sollen. Außerdem gab es eine lose Verbindung zu Borussia Dortmund. Ob diese noch so intakt ist, können wir an dieser Stelle nicht sagen. Interessanterweise wurde schon vor der Gründung der Gruppe “IWF 12” nach einem Schüleraustausch Kontakte zu Fans des FC Sydney gepflegt, es folgten zahlreiche Besuche am anderen Kontinent, heute hat man auch Freundschaftsschals und grüßt sich regelmäßig mit Banner.
Man könnte meinen, dass es zum Karlsruher SC eine große Rivalität gäbe. Jedoch traf man in den letzten Jahren so wenig aufeinander, dass es durch diese Seltenheit besonders prickelt und dieses “badische Duell” eher genießt. Eine richtige Rivalität gibt es mit dem VfB Stuttgart, welche sich wohl auf das Duell Baden gegen Württemberg zurückführen lässt, aber diese kleine Feindschaft wird mehr von den Freiburgern gepflegt als von den Stuttgartern.
Quellen: SWR, SC Freiburg, IWF, SC Freiburg Archiv
Bilder: SC Freiburg (Archiv), IWF