Spoiler: Dieser Artikel entstand im Rahmen von Max´s Arbeit bei Spielverlagerung.de und erschien dort zuerst. (Foto: Köglmeier)
Strukturierter Ballbesitz: 2-4-Aufbau
Die erste zu betrachtende Spielphase ist das Agieren im strukturierten Ballbesitz – also der Spielaufbau. In dieser Spielphase gab es in der letzten Saison häufig Probleme. Die fehlende Flexibilität führte dazu, dass sich Gegner im Pressing stets auf kommende Szenarien vorbereiten konnten. Insbesondere die Außenverteidiger sind von entscheidender Bedeutung, da sie maßgeblich zur variablen Gestaltung des Spiels beitragen sollten. Beim Jahn wurde oft über das klassische flache Dreieck aus Innenverteidiger, Außenverteidiger und Flügelspieler ausgelöst. Gegner waren darauf vorbereitet und stellten den Passweg zum Flügelspieler zu. Die Alternative bestand darin, über den Spielmacher im zentralen Mittelfeld, Christian Viet, ins letzte Drittel zu gelangen. Gegner stoppten dies oft durch direkte Mannorientierung. Doch wie sieht es 24/25 aus?
Im strukturierten Ballbesitz ist nun häufig ein 2-4-3-1-System zu erkennen. Die beiden Innenverteidiger sind spielstarke Akteure, was sie durch häufige flache Seitenverlagerungen benötigen, unterstützt von zwei Außenverteidigern, die bereits frühzeitig im Angriffsaufbau die gesamte Spielfeldbreite nutzen. Die beiden Sechser positionieren sich hinter der gegnerischen ersten Pressinglinie und bewegen sich erst in Richtung des eigenen Tors, wenn der Gegner mit dem Pressing beginnt. Anfänglich agieren die Flügelspieler in den Halbräumen, weichen jedoch im weiteren Angriffsverlauf auf die gesamte Breite aus. Der Zehner agiert eher als zweite Spitze, während der andere Stürmer klassisch spielt, beide suchen jedoch häufig ballseitig die Flügel.
Unter Enochs werden die Flügel nominell nur einfach besetzt, da das Ziel darin besteht, die Abwehrkette des Gegners auseinanderzuziehen und die entstehenden Räume mit diagonalen Tiefenläufen aus dem Zentrum zu nutzen. Das erkennt man auch daran, dass die Außenverteidiger oft direkt den hohen Chip über die gegnerische Abwehrlinie auf den Stürmer oder den Flügelspieler suchen. Dieses Angriffsmuster sieht man aber gehäuft auf der rechten Seite, auf dem anderen Flügel versucht man, Dominik Kother in 1-gegen-1-Duelle zu befördern, indem man ihm direkt flach in den Fuß spielt.
Im Vergleich zur Vorsaison wurden auch situative Rotationen häufiger: Um gewisse Prinzipien an Spielsituationen anzupassen, tauschen Spieler situativ ihre Positionen. Damit Benedikt Saller nicht direkt angelaufen wird, stellt der eigentliche Innenverteidiger Robin Ziegele eine 4-gegen-4-Situation am Flügel her, was Saller Zeit und Raum für seinen Pass verschafft. Auf dem linken Flügel tauschen dazu Kother und der Außenverteidiger oft situativ die Position, indem Kother die Breite sucht und der Außenverteidiger einrückt. Diese Rotationen unterstützen auch die Idee, dass man am Flügel immer eine kurze sowie eine lange Anspielstation zur bestmöglichen Progression haben möchte.
Durch die weit außen positionierten Außenverteidiger bestünde theoretisch eine erhöhte Gefahr von Gegenkontern, da die Abstände in der Viererkette groß würden. Um dies restverteidigend abzusichern, lässt sich entweder der ballferne zentrale Mittelfeldspieler früh zwischen die Innenverteidiger fallen und stabilisiert so die Restverteidigung, oder es lässt sich der ballferne Außenverteidiger als äußerer Innenverteidiger fallen (wie in der Grafik).
Ballfern ist ein gutes Stichwort. Durch die Überladung des Flügels mit den vier Spielern (siehe Grafik) greift das Prinzip des Überladens und Isolierens. Der Sinn besteht darin, dass eine Mannschaft auf einer Seite des Spielfelds zusätzliche Spieler einsetzt, die weitere Gegenspieler auf sich oder die Seite ziehen. Auf der anderen Seite des Spielfelds bleibt ein Spieler – in der Regel ein Flügelspieler – auf der Außenbahn und ist bereit, eine Seitenverlagerung mit so viel Raum wie möglich anzunehmen. In diesem Fall ist es Dominik Kother, der sich bewusst vom eigentlichen Spielgeschehen isoliert.
Dabei ist es desgleichen auffällig, dass man sich die Dreierkette im Aufbau zunutze macht. Diese Dreierkette sieht man gerade gegen Teams, welche wie Blau-Weiß Linz mit zwei Stürmern im 4-4-2 anlaufen, wodurch man einen freien Spieler generiert. Durch den zusätzlichen Spieler in der Abwehr sind Spielverlagerungen aufgrund der geringen Abstände noch einfacher zu gestalten. In diesen Fällen kommt Kother früh entgegen und empfängt den Ball mit dem Rücken zum gegnerischen Tor. Auch hier wird dann über Christian Viet ein Dreieck eröffnet. Dabei ist es essenziell, dass Hein einen technisch sauberen Pass zu Kother spielt, damit dieser mit möglichst einem Kontakt zu Viet weiterspielen kann. Im weiteren Angriffsablauf tauchen Außenverteidiger und Flügelspieler, vor allem links, immer wieder in kleinräumigen Pärchenbildungen zusammen auf, die mit Klatschbällen und kurzen Doppelpässen grundsätzlich gut ausgespielt werden. Diese enge Positionierung entzieht sich etwas dem gegnerischen Zugriff im Angriffsspiel.
Aus der Zirkulation im eigenen Drittel heraus suchte Regensburg Pässe direkt in den gegnerischen Druck, um darüber Raum in anderen Positionen zu generieren. Hinter der gegnerischen ersten Pressinglinie bot der 2-4-Aufbau viele Optionen. Die Innenverteidiger rücken, wie bereits beschrieben, sehr breit auf und ködern mit dieser Breite das gegnerische Pressing. Infolgedessen wird der geschaffene Raum zentral von einem abkippenden Sechser genutzt, welcher oft durch eine Mannorientierung des Gegners aus dem Spiel genommen werden soll. Diese Orientierung nutzt der Jahn und der Sechser zieht den Spieler bewusst heraus, um genau in diesen Gegnerdruck zu spielen und infolge Räume gerade zwischen den Linien für Christian Viet zu öffnen.
In der Vergangenheit hatte Viet hier Probleme bei Aufdrehbewegungen, wenn Gegner aggressiv den Zweikampf suchen, aber in der kommenden Spielzeit wird es essenziell, inwieweit er sich aufdrehen kann und dazu das Tempo erhöht. Als ergänzende Bewegung im Rahmen dieses Passes in den Zwischenlinienraum suchen sofort Kother wie auch Ganaus die Tiefe, um die hoch aufgerückte Abwehrlinie des Gegners zu hinterlaufen. Dieser Angriffsablauf beruht einerseits auf der ergänzenden Rolle zu Viet und andererseits auf den vertikalen Beschleunigungsmomenten. Kother sucht insgesamt mehr die Nähe zu Viet und bevorzugt es, den Gegner mit Dribblings herauszufordern, während Ganaus eher darauf abzielt, tiefe Bälle in den Lauf zu erhalten. Dadurch entsteht eine solide Grundlage für die Fortsetzung von Vorwärtsaktionen, häufig durch Steil-Klatsch-Kombinationen und ähnliche Muster.
Insgesamt ist es für die Regensburger Spielweise nicht untypisch, dass längere Zirkulationsphasen eher selten vorkommen. Gegen die Stuttgarter Kickers setzte das Team besonders auf frühzeitige Diagonalbälle zu den Flügelspielern, bei denen intensiv auf mögliche Abpraller gegengepresst wurde. Dies hängt wiederum mit der frühzeitig hohen Orientierung der Außenverteidiger zusammen, die sich dadurch oft selbst isolieren und nicht aufgrund des Gegnerdrucks für die Innenverteidiger anspielbar sind. Letztlich werden die Anspielstationen für den Übergang dynamisch und situativ über Kreativspieler wie Viet, Kother oder Ouro-Tagba hergestellt, anstatt sich von vornherein klar aus der Struktur heraus zu ergeben. Bei diesen langen Bällen in die freien Räume spielt jedoch ein großer Zufallsfaktor eine Rolle. Um diesen zu minimieren, versucht man, bei diesen Ausführungen kleinräumige Pärchenbildungen mit kopfballstarken Spielern wie Bulic oder Ouro-Tagba zu suchen. Dazu neigte die Mannschaft anfänglich in der Vorbereitung auch dazu, zu ungeduldig den Weg nach vorne zu suchen und vermehrt frühzeitige, unnötige vertikale Aktionen zu starten, statt auf die Ballsicherung und -zirkulation zu setzen. Zwischenzeitlich bildete sich vermehrt ein Hin und Her heraus. Gerade Sebastian Ernst soll in diesen Phasen ein Sicherheitsfaktor sein und positioniert sich tiefer. Seine Spielweise ist konditionell sehr anspruchsvoll. Zudem verfügt er neben einer obligatorischen Passsicherheit.
Defensives Umschalten: Flexibeles Gegenpressing
Zumeist kann der Jahn verhindern, dass Gegner mit hohem Tempo nach einem Ballgewinn kontern. Vielfach genügen schon einzelne proaktive Bewegungen und aggressives Herausrücken von nahestehenden Jahnspielern nach Ballverlusten oder nach direkten langen Bällen des Gegners. In Situationen, in denen Regensburg den Ball im eigenen Angriffsdrittel hergibt, schalten sich in der Regel ein bis zwei Spieler direkt dahinter ein.
Dieses Verhalten ist systematisch bedingt: Durch das 2-4-3-1-Offensivspiel sind eigentlich alle Räume rund um den Ball besetzt. Dabei schieben zumeist zwei in der Kette nebeneinander Spielende auf den ballführenden Gegner, also zum Beispiel Kother und Ernst. Um den Druck so groß wie möglich zu halten, ist auch teils ein von hinten Attackieren aus bereits überspielten Linien notwendig wie hier von Viet. Der Druck auf den Gegner wird gerade in der Mittelfeldlinie erhöht, damit keine Zeit für Entscheidungen bleibt und die Entscheidungsfindung für den Pass in das letzte Drittel maximal gestört wird. Früh antizipiert man aus der Abwehrlinie heraus die Bewegungen des Gegners und rückt leicht heraus, um dann bei Ballanahme sofort reagieren zu können.
Beim Zurücklaufen orientiert man sich am gegnerischen Aufbautempo. Dabei sucht man seine Grundposition auf, agiert aber leicht ballseitig schiebend, um den Druck auf den ballspielenden Gegner zu erhöhen. Bei hohem Aufrücken im Ballbesitz und dem anschließenden Ballverlust setzt man teils Zeitdeckung ein, da man grundsätzlich versucht, so viele Spieler wie möglich im Pressing hinter den Ball zu bekommen.
Strukturierte Defensive: Ballseitige Verschiebungen erhöhen Druck enorm
Bei einem geordneten Spielaufbau des Gegners, wenn dieser von hinten heraus das Spiel eröffnet, formiert sich der Jahn häufig in einem 4-1-3-2 oder 4-4-2, abhängig davon, wie sich das gegnerische Mittelfeld gestaltet. Anders als im Ballbesitz sieht man in diesen Formationen eher flache Linien, was den Vorteil hat, dass beim Herausschieben einzelner Spieler die entstandene Lücke sofort geschlossen werden kann. Dabei setzt man im Pressing auf weniger Weiträumigkeit und agiert enger.
Zu Beginn wird der gegnerische Sechserraum von den Stürmern, Sechsern und Flügelspielern eng umkreist. Die Passwege in die Tiefe werden durch die Kompaktheit nahe des Balls und durch diagonale Stellungen, wie bei Ganaus im Anlaufen, zugestellt. Pässe auf dort befindliche Spieler werden vor allem durch Herausrücken von Geipl sowie durch Rückwärtspressing von Ganaus oder Viet verteidigt. Beide Flügelspieler neigen dazu, daraufhin weiter ins Zentrum einzurücken. Eine Spielfortsetzung aus dieser Position erscheint für den ballspielenden Gegner sehr komplex, weswegen das Zentrum gemieden wird.
Wie man auf der ersten Grafik der Grundstaffelung erkennen kann, schieben die Regensburger grundsätzlich eher ballseitig. Daraus lässt sich schließen, dass das Ziel eher darin besteht, den Ball auf den Flügel zu lenken. Enochs hat ein sehr balanciertes Konstrukt geschaffen, das erst auf bestimmte Trigger hin gezielt Druck ausübt.
Lenkt man den Ball von der Innenverteidigung zum Außenverteidiger, rückt der Stürmer in den Deckungsschatten des ballnahen Innenverteidigers und generiert so eine Überzahl gegen den Außenverteidiger. Eine Pressingfalle ist nur sinnvoll, wenn man Passoptionen für den Ballführenden minimiert. Dies erreicht man, indem man ballseitig verschiebt und so zentrale Optionen zustellt. Die ballferne Seite wird dabei fast komplett aufgegeben, indem Kother zentral agiert. Großes Augenmerk liegt dabei auf den Spielgestaltern, wie beispielsweise einem Sechser, den man besonders eng mannorientiert zustellt, wie in diesem Fall bei Ernst. Um keine Zweiteilung des Teams zu erzeugen, bleibt Geipl meist in einer zentralen Position leicht vor der Abwehrlinie. Würde jedoch in diesem Beispiel der diagonale Pass ins Zentrum erfolgen, würde Geipl aggressiv herausrücken.
Linz agierte in dieser Szene ohne direkten Flügelspieler, doch ist es erwähnenswert, was sich ändern würde: Gelingt es dem Außenverteidiger, den Deckungsschatten des Regensburger Flügelspielers zu überwinden, bedarf es eines aggressiven Herausrückens des Außenverteidigers. Hierbei würden die Sechser dann ballseitig hinausschieben bzw. Geipl noch tiefer agieren, um den freigewordenen Raum in der Abwehrkette zu füllen. Der überspielte Flügelspieler presst rückwärts und belauert Rückpässe, der Stürmer agiert im Handlungsbereich des sich freilaufenden Außenverteidigers.
Diese Pressingweise ist sehr stark von Momenten abhängig. Alle Spieler müssen im gleichen Moment synchron agieren, damit das System funktioniert. Teilweise fehlte noch die notwendige Schnelligkeit beim Halten des Deckungsschattens oder beim Durchsichern, weswegen selbst gegen Eltersdorf oft der Raum zwischen den Linien vom Gegner über die Außenverteidiger gefunden wurde.
Tiefes Verteidigen
Wurde das Pressing überspielt und griff das Gegenpressing nicht, lässt man sich in ein tiefes und kompaktes 4-5-1 zurückfallen. Die beiden Flügelspieler fallen weit in die zweite Linie zurück, positionieren sich breit neben den beiden zentralen Mittelfeldspielern sowie dem offensiven Mittelfeldspieler und bilden so einen Fünferblock. Ziel dieses Blocks ist es, einen kompakten Abstand zwischen der zweiten Linie und der Abwehrlinie zu halten, den Raum zwischen den Linien zu schließen und die Passwege vom Flügel ins Zentrum zu blockieren. Die zentralen Mittelfeldspieler bedrängen ihre direkten Gegenspieler oft Mann gegen Mann, während die Außenspieler tendenziell hochschieben, um die weit aufgerückten gegnerischen Außenverteidiger zu markieren. Der offensive Mittelfeldspieler deckt häufig den/die aufrückenden Sechser des Gegners ab.
Die Abwehrreihe agiert ähnlich etwas enger. Die Innenverteidiger kümmern sich insbesondere um Angreifer, die sich in der Box für Flanken positionieren. Die Außenverteidiger springen nach vorne, um auf die Flügelspieler Druck auszuüben, agieren hierbei aber grundsätzlich risikoreich und gehen auch weite Wege mit. Man versucht, ähnlich wie im Pressing, den Gegner nach außen zu drängen, um Flanken zu provozieren, die dann abgeblockt oder in der Box, wo man sich sehr eng staffelt, verteidigt werden sollen. Probleme ergeben sich aus dem tiefen Block jedoch ebenso. Mit diesem Block schenkt man dem Gegner schlichtweg zwei Drittel des Feldes und lässt ihm die Kontrolle über den Ballbesitz. Gegen technisch und individuell stärkere Teams könnte dies gefährlich werden.
Anders als bei vielen Teams arbeitet beim Jahn auch der alleinige Stürmer weit nach hinten mit und attackiert die andribbelnden Innenverteidiger, wodurch der Druck auf den Gegner steigt. Allerdings muss der Stürmer dadurch Abstriche beim Suchen von Räumen für Konter machen. Dahingehend ist das Umschaltspiel aus dem tiefen Block heraus aktuell noch ausbaufähig.
Fazit
Ihre Grundanlage gestaltet sich gut organisiert, wenn auch in den Details logischerweise nicht immer ganz sauber. In diesem Zusammenhang spielt auch das 4-2-3-1 als organisatorische Basis eine wichtige Rolle, da sie einerseits eine vielseitige Variante für den Kader, durch flexibele Spielertypen, darstellt und andererseits auch sehr flexibel in den verschiedenen Spielphasen anpassbar ist.
Der Klassenerhalt ist dem Team von Joe Enochs allemal zuzutrauen, auch wenn man sie vielleicht nach der Rückrunde nicht als Favoriten im Abstiegskampf einschätzen würde. Der Jahn verfügt über eine hohe Grundstabilität und eine gute Absicherung im Spielaufbau, ist gerade im Mittelfeld durch den Neuzugang von Sebi Ernst sehr präsent wie ballsicher und sowohl mit als auch ohne Ball mit verschiedenen Lösungsansätzen aufgestellt.
Wichtig in den entscheidenden Partien dürften ihre Lösungen in den Anschlussverbindungen von der Außenverteidigung zum Flügel und inwieweit man sich vom Gegner im Aufbau stressen lässt, sein. Ein weiterer Punkt wird sein, wie man die Intensität im Gegenpressing findet und wie man auf flexible Gegner gegen den Ball reagiert, also wie man die Prinzipien auch übertragen kann.