Der Spielfilm
Die Partie begann schwungvoll, mit Hannover 96, das sofort Druck ausübte. Bereits in der 2. Minute versuchte Jannik Rochelt sein Glück aus der Distanz, doch sein Schuss stellte keine Gefahr dar. Die erste nennenswerte Chance für Regensburg ergab sich in der 4. Minute, als Breunig nach einer Ecke zum Kopfball kam, der jedoch sicher von Hannovers Torhüter Zieler pariert wurde.
In der 11. Minute ging Hannover in Führung: Sei Muroya und Phil Neumann kombinierten sich auf der rechten Seite, und Nicolo Tresoldi schloss den Angriff mit einem flachen Schuss aus elf Metern ab. „Es war ein tolles Gefühl, das erste Tor der Saison zu schießen“, freute sich Tresoldi nach dem Spiel. Vor seinem Treffer spielte er einen schönen Doppelpass mit Håvard Nielsen und vollendete dann aus elf Metern. Der 19-jährige Mittelstürmer, welcher insgesamt mit 17 Ballkontakten zwar am wenigsten auf dem Feld hatte, verzeichnete aber auch beim 2:0 einen Scorer und wird schon früh in der Saison zu einem Hoffnungsträger. Die Gastgeber erhöhten in der 23. Minute auf 2:0. Eine halbhohe Flanke von Neumann wurde von Tresoldi verpasst, doch Jannik Dehm stand am zweiten Pfosten bereit und traf. „Ich hatte den Fans ja versprochen, dass ich wieder den Flic-Flac mache“, erklärte Dehm nach dem Spiel.
Regensburg kam vor der Pause noch zu zwei guten Chancen. In der 38. Minute prüfte Pröger Hannovers Schlussmann Zieler, der den Ball zur Ecke klärte. In der Nachspielzeit des ersten Durchgangs hatte Ganaus eine Möglichkeit aus kurzer Distanz, scheiterte aber erneut an Zieler.
Joe Enochs erklärte nach dem Spiel zu der Phase vor der Halbzeit: “Am Anfang hatten wir zu viel Respekt vor Hannover und haben sie zu zwei guten Chancen kommen lassen. Wir waren zu weit weg und haben ihnen zu viel Platz gelassen. Sie haben es gut herausgespielt. Bei den Toren waren wir zu weit weg. Anschließend haben wir uns gut reingekämpft. Kurz vor der Halbzeit könnten wir den Anschlusstreffer erzielen, könnten aber auch mit 0:3 in Rückstand geraten. Wir haben phasenweise das berühmte Lehrgeld bezahlt. (…) Ich bin froh, dass wir eine solche Reaktion gezeigt haben. Für die kommenden Partien wollen wir von Anfang an da und hellwach sein. (…) Die letzte Giftigkeit hat mir teilweise gefehlt.”
Ohne personelle Veränderungen starteten beide Teams dennoch in die zweite Halbzeit. Hannover blieb weiterhin die aktivere Mannschaft, doch auch Regensburg zeigte sich bemüht. In der 46. Minute musste Regensburgs Torhüter Gebhardt gleich zweimal gegen Nielsen retten.
Sebastian Ernst, der ehemalige 96er, hatte in der 55. Minute eine Chance, traf jedoch nur das Außennetz. In der 62. Minute verpasste Ganaus nach einer Flanke von Pröger eine gute Kopfballgelegenheit.
In der 70. Minute hatte Muroya für Hannover die wohl beste Chance der zweiten Halbzeit, als er per Volley-Direktabnahme nur die Latte traf. Eine Gelbe Karte für Hannovers Christiansen in der 85. Minute unterstrich die weiterhin intensive und kämpferische Partie. Regensburg konnte in den letzten 20 Minuten keine nennenswerten Chancen mehr kreieren, sodass der Jahn ohne Punkt da stand. Der Schiedsrichter Michael Bacher hatte die Partie gut im Griff und ließ sich von der Kulisse in der Heinz von Heiden Arena, die mit 31.800 Zuschauern, darunter 450 Jahnfans, mäßig gefüllt war, und der motivierten Stimmung am Feld durch den ersten Spieltag nicht beeinflussen.
„Speziell in der ersten Hälfte waren wir sehr dominant und haben kaum was zugelassen“, meinte Hannovers Trainer Stefan Leitl hinterher. Trotz der “Luft nach oben” in den zweiten 45 Minuten sprach er von einem “super verdienten Sieg” gegen unseren Jahn. Tresoldi ordnete den Stellenwert des Sieges von H96 ein: “Ich glaube, nach den letzten beiden Jahren, in denen wir einmal unentschieden gespielt und einmal verloren haben, ist es wichtig, jetzt mit drei Punkten anzufangen.”
Die Spieler-Stimmen zum Spiel
Noah Ganaus
F: Wie geht’s dir nach dem ersten Spiel der Saison?
A: In Hannover ist es sehr schwer zu spielen. Trotz der 2:0-Niederlage haben wir, mit Ausnahme der ersten Minuten, ein ordentliches Spiel gemacht und Chancen kreiert.
F: Spürst du den Unterschied zwischen 2. und 3. Liga sehr?
A: Ja, es ist alles noch einmal schneller und intensiver. Die kleinsten Fehler werden direkt bestraft.
F: Was ist deine Rolle, wenn du die Tiefe suchst?
A: Ich soll für andere Spieler Raum schaffen, vielleicht einen Innenverteidiger mit herausziehen.
F: Nach der doch stabilen Leistung habt ihr auch Hoffnung gegen Ulm, oder?
A: Klar, jetzt gilt es erstmal, das Spiel zu analysieren – sowohl die Fehler als auch das, was wir gut gemacht haben. Und dann bin ich natürlich am Freitag sehr optimistisch.
Louis Breunig
F: Wie zufrieden bist du mit deiner Leistung?
A: Ich finde es schwierig, über meine eigene Leistung zu reden. Bei dem ersten Tor komme ich, glaube ich, ein Stück zu spät raus, aber sonst fand ich es eigentlich okay.
F: Wie war für dich der Sprung von der 3. zur 2. Liga?
A: Für mich ist die 2. Bundesliga die beste Liga, was 2. Ligen angeht. Man merkt die höhere und bessere Qualität; die Fehler werden schneller bestraft, was man auch heute gesehen hat.
F: In der zweiten Halbzeit hast du Nielsen mannorientierter verteidigt. War das eine Anweisung von Joe oder hast du das im Spiel selbst gemerkt?
A: Wir haben etwas umgestellt und wollten auf dem ganzen Feld 1 gegen 1 spielen. Wir waren in der 2. Halbzeit allgemein viel stabiler und sind zu guten Ballgewinnen gekommen. Daran wollen wir uns auch nächste Woche orientieren.
Sebastian Ernst
F: Wie war es, wieder zurückzukommen?
A: Klar, hat mich gefreut, wieder hier zu spielen.
F: Bist du gut angekommen beim Jahn?
A: Ja, die Stadt ist schön, das Umfeld passt, ich fühle mich wohl.
F: Spielte der Rasen für euch eine Rolle?
A: Wir wussten schon Bescheid, aber da mussten beide Mannschaften darauf spielen.
F: Was traust du deinem Ex-Klub zu?
A: Gute Truppe, ich traue ihnen zu, da oben mitzuspielen, solange es geht. Wie weit es dann letztendlich reicht, wird man sehen.
Mitarbeit: Süß, Hübner
Die Taktikanalyse
Der Inhalt in wenigen Punkten
- Defensive Strategie von Hannover: Hannover spielte in einer kompakten 3-4-3-Formation, um die Räume für den Gegner eng zu machen und die Passwege ins Zentrum zu blockieren. Das Ziel war es, die flache Ballzirkulation von Jahn Regensburg zu stören, indem sie die zentralen Spieler unter Druck setzten und Passwege zustellten.
- Mannorientierung und Passwege: Hannover stellte sicher, dass ihre Spieler die Gegner eng deckten, besonders die Mittelfeldspieler und Außenverteidiger. Sie ließen den gegnerischen Innenverteidigern zwar Platz zum Dribbeln, waren aber immer bereit, diese sofort unter Druck zu setzen, um ihre Passmöglichkeiten einzuschränken.
- Probleme bei Jahn Regensburg: Regensburg hatte Schwierigkeiten, ihr übliches Spiel aufzuziehen, weil Hannover die Räume im Mittelfeld dicht machte und gezielt Druck auf bestimmte Passwege ausübte. Insbesondere im Zehnerraum (zentral vor dem gegnerischen Tor) fehlten oft die Anspielstationen, weil Hannovers Spieler die wichtigen Gegner abdeckten.
- Langsame Ballzirkulation bei Regensburg: Regensburg spielte oft zu breit und zu langsam, was ihnen wenig Möglichkeiten für schnelle, vertikale Pässe gab. Christian Viet, der als Spielgestalter agieren sollte, wurde durch Hannovers enge Deckung aus dem Spiel genommen, was zu einem statischen und wenig durchschlagenden Angriffsspiel führte.
- Hannovers flexible Offensive: Hannover nutzte ein variables Angriffsspiel, bei dem sich die Stürmer und Mittelfeldspieler ständig bewegten und Positionen tauschten. Dies verwirrte die Abwehr von Regensburg und öffnete Räume, die sie für gefährliche Angriffe nutzten. Sie spielten oft diagonal und suchten schnelle Pässe in die Tiefe, um die Abwehr zu durchbrechen.
Der Inhalt detailliert
Hannover im 3-4-3
Trotz einer teils unerwarteten Aufstellung mit Knight und Rochelt (der nach Verletzung trotz sämtlicher Prognosen spielte) von Beginn an änderte sich an der grundlegenden Systematik der Hannoveraner im Spiel ohne Ball wenig im Vergleich zu den Testspielen gegen Leeds oder Wolfsburg. Wie unter Stefan Leitl üblich, wurde in der Spielphase der strukturierten Defensive ein 3-4-3 gewählt. Gegen das aktuelle Spiel des SSV Jahn war dies prinzipiell eine gute Idee.
Anders als in den Testspielen agierte das Defensivkonstrukt noch kompakter und reduzierte die Räume zwischen den Linien, die eine Zielzone im Aufbauspiel des Jahns darstellen. Das intensive, sehr ballorientierte Verschieben, gerade in der Angriffs- und Abwehrlinie, sorgte ebenso für Probleme. 96 versuchte, gerade den Fokus auf die zweite Aufbaulinie des Jahns aus defensiven Mittelfeldspielern und Außenverteidigern zu setzen, die für die flache Ballzirkulation essenziell ist.
Unterbinden der flachen Zirkulation
Gerade das klassische Dreieck aus Außenverteidiger, auf die Seite verschiebendem Sechser und Innenverteidiger spielt beim SSV im frühen Aufbau eine Rolle. Um diese Möglichkeiten zu den Außenverteidigern oder den Sechsern zu unterbinden, versuchte man, die Passwege ins Zentrum, meist mit dem mittleren Stürmer, zuzustellen, während die äußeren Stürmer prinzipiell für die Innenverteidiger und Außenverteidiger zuständig sind. Das heißt in der Praxis, dass man Ballas und Breunig zwar viel Raum zum Andribbeln gewährte, aber stets mit einer leicht angewinkelten Körperhaltung bereit war, die Innen- oder Außenverteidiger anzulaufen.
Dahinter gab es einige Mannorientierungen. Leopold und Kunze gingen immer wieder mit Geipl oder Ernst mit, um deren Freilaufverhalten zu neutralisieren und bei Pässen ins Mittelfeld sofort Zugriff zu haben. Hierbei lockte man aber erst den Jahn ins Zentrum, indem man den Passweg, oft von Gebhardt zu Geipl, offenließ, aber dann beim Pass in diesen Raum plötzlich von verschiedenen Seiten kollektiv Druck ausübte. Somit wurde das Zentrum eher weniger bespielt. Ähnliches gab es auch bei den Außenverteidigern zu sehen: Durch die bewusst enge Positionierung der Flügelspieler des Jahns konnten diese ohne Probleme weite Wege nach vorne antreten und so für eine Präsenz am Flügel sorgen.
Frühe Lösungsansätze des Jahns
Allerdings hatte die Jahnelf einige Aktionen und Zirkulationsmöglichkeiten, wo durch teils aufgrund Positionierungsprobleme im Zehnerraum ein weites Abkippen von Christian Viet aus dem 2-4-Aufbau eine zusätzliche Anspielstation im Sechserraum geschaffen wurde, wonach Hannover phasenweise Probleme in der Zuordnung hatte. Eine weitere Schaffung einer Anspielstation sollte die hohe Torwartlinie sein (also wenn Gebhardt zwischen die Innenverteidiger rückte). Hierbei wollte man Räume öffnen, da der Gegner für ein hohes Pressing einen oder mehrere Spieler aus der Formation herauslösen muss, um den Torwart zu pressen. Jedoch ist man hier auf gegnerische Aktivität angewiesen, die Hannover so nicht lieferte, wodurch sich auch nicht diese großen, entscheidenden Räume öffneten.
Daraus ergaben sich einige lange Bälle und Versuche von Überladungen meist auf der linken Seite, wo Ganaus tendenziell etwas auf die Seite neigte, ein sich halbräumig positionierender Ernst und ein sehr hoch schiebender Hein für schnelle Durchbrüche und eine 4v3-Überzahl am Flügel. Diese Situationen brachten selbst gegen Hannovers kompaktes und intensives Pressing, ähnlich wie gegen Linz, einige gefährliche Angriffe, die jedoch einige Male an sehr gutem Umschalten nach hinten, Rotationen und Übergaben sowie guter End- und Boxverteidigung scheiterten. Ganaus und Pröger hatten dennoch gerade vor dem Halbzeitpfiff gute Chancen, die aber nicht genutzt wurden.
Im frühen Aufbauspiel fächerten die Innenverteidiger im Laufe des Spiels immer weiter auf, agierten also breiter. Dadurch versuchte man, die enge erste Pressinglinie der Niedersachsen auseinanderzuziehen und infolgedessen Räume im Mittelfeld zu öffnen. Hein und Saller konnten dadurch bei Bedarf weit nach vorne schieben. Dies mussten sie häufig auch, weil sich insbesondere Kother und Pröger immer wieder halbräumig bewegten und der Flügel offen war.
Zehnerraum wird zu spät nachbesetzt
Vielfach stand die Jahnelf in einer Art 2-4-0-4, wodurch der Ballbesitz träge war und es an Vertikalpassoptionen fehlte. Christian Viet, der den Zehnerraum nominell besetzte, wurde als zentraler Spielgestalter ebenso mit einer Mannorientierung (oder er wurde in den Deckungsschatten gestellt), gerade im zweiten und letzten Drittel, aus dem Spiel genommen. Infolgedessen hing er oft in der Luft, und der Zehnerraum wurde nicht adäquat besetzt. Das Zentrum der Hannoveraner bot im Mittelfeld allerdings nur mit Leopold und Kunze zwei Spieler, sodass sich einer für die Mannorientierung von Viet von seiner eigentlichen Aufgabe lösen musste. Dies gelang den Roten gut, da sich Geipl bewusst aus dem Angriffsablauf zur Absicherung zurückhielt, wodurch sich der Jahn aber Chancen zum Schaffen von freien Spielern in wichtigen Räumen beraubte. Prinzipiell ließen sich auch Nielsen und Rochelt weit zurückfallen, wodurch diese ebenso für Zugriff im Zentrum sorgten.
Neben Viet konnte sich auch Ganaus gelegentlich in diesen Räumen fallen lassen. Dadurch rückte einer der Flügelspieler zeitweise ins Sturmzentrum. Der Stürmer zeigte in Sachen Ballverarbeitung jedoch eine eher ausbaufähige Partie; so konnte er den Ball nur selten vertikal passen, und es fehlte schlichtweg oft der berühmt-berüchtigte letzte Pass.
Die größte Veränderung kam dann erst mit der Einwechslung von Rasim Bulic. Bulic agierte anders als gewohnt als offensiver Mittelfeldspieler und suchte bewusst die Nähe zum Gegner (4 Zweikämpfe geführt, was die Höchstzahl beim SSV über das gesamte Spiel darstellt), wodurch er zentrale Räume schuf und Mannorientierungen manipulierte. Dadurch konnten eigentlich alle Offensivspieler um Hottmann und Ouro-Tagba im Angriffsablauf früher die Tiefe suchen, gleichzeitig fand Ernst mehr zentrale Räume vor. Zwar fiel kein Tor mehr, aber in der Endphase bearbeitete der Jahn die Heimmannschaft sehr gut, und es taten sich Optionen auf, die in der Saison noch wichtig werden könnten.
Hannover bot dem Jahn wenig
Der Unterschied lag gleichzeitig aber auch in den Details: Hannovers Timing der Viererkette beim Attackieren im Zwischenlinienraum ist stark, ebenso wie die Absicherungsbewegungen der restlichen Spieler. Die Kompaktheit ist hoch und wird nach Ballverlusten schnell wiederhergestellt. Damit tat sich der Jahn offenkundig schwer.
Dabei lassen sich die Hannoveraner auch schnell im Kollektiv wieder hinter den Ball zurückfallen, wenn das Gegenpressing fehlschlägt oder nicht bzw. nur vereinzelt praktiziert wird. Dadurch verdichten sie die Räume, und der Gegner muss häufig zurück- oder auf die Seite spielen. Konterangriffe gegen Hannover durchzubringen oder kurzzeitige Desorganisation auszunutzen, ist somit äußerst schwierig.
Die Abstände sind gut, und Löcher vorzufinden erweist sich als ein Ding der Unmöglichkeit – besonders, wenn sie eine Führung verteidigen müssen. Nur die aufgerückten Außenverteidiger hinterließen oft große Räume am Flügel, die der Jahn zu bespielen versuchte. In diesen Szenen versuchte H96, die Dreierkette hinter den Ball zu bekommen und so den Weg ins Zentrum zu blocken. Situativ wurde am eigenen Strafraum auch aus dem 3-4-3 durch das Zurückfallen der Außenverteidiger und zweier Stürmer ein 5-4-1 kreiert, was sehr schwer zu bespielen ist.
3v3 in der Abwehrlinie
Gegen Hannover gab es auch bestimmte Gründe, weswegen lange Bälle durchaus ein Stilmittel sind. Wie bereits geschrieben, agierte die Jahnelf im Niedersachsenstadion etwas enger als gewohnt, was gerade die Flügelspieler betrifft, die oft auf gleicher Breite wie die Halbraumverteidiger standen. Wer gut im Rechnen ist, erkennt schnell, dass es dann mit den beiden Flügelspielern und den Stürmern eine 3v3-Situation gegen die Dreierkette von Hannover gibt.
Mit drei Spielern in der letzten Linie und einer engen Staffelung zwischen den Akteuren versuchte man, auf den abkippenden Ganaus oder die in der Breite durchschiebenden Außenverteidiger lange Bälle zu spielen. Daraufhin liefen die Flügelspieler diagonal in Richtung des Tores ein. Das Problem: Hannovers Innenverteidigung gewann etwa 80 % ihrer Duelle in der Luft, während die Offensive des Jahns nur ein Duell, durch den eingewechselten Ouro-Tagba, gewann. Dazu fehlte schlichtweg das Nachrücken der anderen Linien. Kam ein langer Ball in die Tiefe, wurde der Spieler oft nach außen gedrängt, und es fehlte daraufhin an Passoptionen außerhalb und innerhalb der Box.
Frühe Führung spielte ’96 in die Karten
Schon nach wenigen Minuten konnte die Heimelf das Führungstor erzielen. Ein fehlgeschlagenes Herausrücken von Kother bespielten sie mit einem schnellen, sauber zu Ende gespielten Angriff über eine Überzahlsituation am Flügel erfolgreich und konnten dadurch schon früh einen Effekt auf die Defensivtaktik des Jahns ausüben. Zwar blieben die Regensburger auch nach dem Rückstand in der Spielweise aus Mischung aus Raum- und Mannorientierung, doch der HSV (“Hannoverscher Sport-Verein”) konnte dank des 1:0 den Ball einfach locker in den eigenen Reihen laufen lassen und warten, bis sich die passenden Positionsstrukturen und Räume auftaten.
Die grundsätzliche Formation der Hannoveraner war ein 3-4-3, was sich allerdings im Angriffsablauf veränderte. Zwei Innenverteidiger, meist Neumann und Knight, bauten das Spiel von hinten auf und hielten den Ball oft auch sehr lange am Fuß, um das Pressing der ersten Pressinglinie aus Kother und Ganaus zu locken. Halstenberg schob oft in den Sechserraum vor, wonach er häufig versuchte, mit seiner Positionierung das Pressing des Jahns zu locken und Räume zu öffnen. Daneben agierte oft Kunze wie Leopold, der oft in die nächste Linie schob. Anders als beispielsweise gegen Leeds United setzte man aber gegen den Jahn, der in einem 4-1-4-1 anlief, auch teilweise auf eine Aufbau-Dreierkette: So kippte entweder Kunze oder Leopold zwischen die Innenverteidiger ab, die daraufhin aufgrund dieser zusätzlichen Absicherung im Zentrum breiter agieren konnten. Durch jene Breite konnten die Außenverteidiger noch höher schieben und so den Druck am Flügel erhöhen.
Verschiebungen im Angriff
Grundsätzlich bildeten Rochelt, Nielsen und Tresoldi das polyvalente Angriffstrio. In eigenem Ballbesitz ließen sich Rochelt sowie Nielsen weit neben Leopold oder Kunze (die dennoch etwas tiefer agierten) ins zentrale Mittelfeld fallen. Dort konnten sie sich sehr frei bewegen, weil sie mit der 3-1-Absicherung hinter sich nicht nur gut abgesichert waren, sondern auch starke Kombinationspartner hatten, die passend Räume öffneten und/oder besetzten.
So gab es zahlreiche Rotationen, bei denen Rochelt vom Zehnerraum kurzzeitig mit dem Innenverteidiger die Position tauschte, während Kunze und Leopold stets im Wechselspiel agierten. Grundsätzlich kann man also sagen, dass man schlichtweg die Mannorientierungen der Spielgestalter manipulieren wollte, indem man sich stets veränderte, rotierte und sich freilief. Christian Viet markierte Kunze, während Sebi Ernst so Enzo Leopold mannorientiert deckte; hierbei ging er teils weite Wege mit und musste der defensive Mittelfeldspieler oft als Stürmer (!) agieren, wenn Leopold zwischen den Innenverteidigern agierte. Hierbei ließ er die Mannorientierung nicht wenige Male zu spät los.
Der vielversprechendste Weg für die Gastgeber in dieser Gesamtstruktur lief indirekt über diese Mannorientierung hinaus diagonal zu Nielsen. Man lockte, wie bereits beschrieben, den Jahn zum Pressing und machte gleichzeitig das Spiel mit dem Dreieraufbau sehr breit. Dabei machte man die Zwischenräume sehr groß und versuchte, die Mannorientierung von beispielsweise Ernst zu Kunze und Geipl zu Rochelt zu nutzen, um Räume zu schaffen, in denen sich einer der Stürmer dann aufdrehen und folglich den Ball nach vorne treiben kann. Gleichzeitig hatte man so viele Spieler im letzten Drittel, dass man sofort die Tiefe suchen konnte. Nielsen oder, wie im Beispiel, auch Tresoldi wurden so oft direkt diagonal vom Halbraumverteidiger gesucht, und man konnte mit einem einfachen Pass sehr viel Raum überbrücken, was beim 1:0 und 2:0 jeweils entscheidend war.
Einige Male entstanden Staffelungen, bei denen z. B. Muroya und Neumann Bindung zueinander am Flügel hatten und dazu Zentrumsspieler zum Bilden von Dreiecken und einer 3v2-Überzahl auf den Flügel rückten, während jeweils der ballferne Außenverteidiger die Breite suchte und so nach Seitenverlagerungen anspielbar war. Auch ausweichende Bewegungen der Achter oder Vorstöße in Richtung Sturmzentrum waren keine Seltenheit.
Auffällig war aber auch, dass das Spiel über den Flügel eine Option darstellte und so das Aufbauspiel von Hannover 96 sehr flexibel war. Einige Male, auch beim 2:0, waren z. B. Aktionen sichtbar, bei denen Neumann und Muroya auf dem rechten Flügel beide sehr weit nach vorne schoben und damit Räume in der Mitte öffneten, um dann oft über Dreiecke mit verschiebenden Mittelfeldspielern sich in noch gefährlichere Zonen zu bringen. Beim 2:0 war auch zu sehen, wie geschickt Hannover die Seite über mehrere Stationen verlagern konnte. Damit hatte die Jahnelf in ihrer sehr engen Herangehensweise viele Probleme, denn der Weg von einer Seite zur anderen ist dann umso größer.
Umstellungen zur zweiten Halbzeit
Trotz des frühen 2:0-Rückstands stellte Enochs erst zur Halbzeit auf Plan B um. Regensburg begegnete dieser lockenden und manipulierenden Spielweise der Hannoveraner aus dem 3-1-Aufbau heraus zwar weiter mit einem nominellen 4-1-4-1, jedoch interpretierte man das Pressing nun mit 1v1-Duellen auf dem gesamten Spielfeld. Im Wesentlichen hatte diese Art des Pressings den Vorteil, dass der Jahn sich nicht mehr manipulieren lassen konnte, da man den Zwiespalt zwischen Raum- und Mannorientierung aus dem Weg ging. Zudem ging Breunig infolgedessen auch weitere Wege mit dem abkippenden Nielsen mit, wodurch der Effekt seiner Abkipp- und Freilaufbewegungen stetig abnahm.
Daraus fand Hannover weniger Lösungen beim Überbrücken des Raumes, da sofort der direkte Gegenspieler im Rücken war und einige lange Bälle gewählt wurden. Nachteilig war allerdings, dass der Jahn so teils in der Abwehrlinie 2v2 gegen die Stürmer der Gastgeber stand und man sich so einem enormen Risiko aussetzte, was aber zum Ende des Spiels auch notwendig war. Dazu zeigte die Mannschaft in Sachen Zweikampfverhalten eine unglückliche Partie, was sich auch in den direkten Zuordnungen im Pressing widerspiegelte und so dennoch zu vereinzelten Durchbrüchen kam. Der Plan, die Zirkulationsmöglichkeiten vor allem über das Zentrum zu unterbrechen, funktionierte.
Fazit
Aus dieser Perspektive mag diese Niederlage auch einen gewissen Gewinn liefern. Das Ergebnis dieser Begegnung resultierte aus einer besonderen Konstellation, in der mehrere ungünstige Umstände zusammenkamen: direkt am ersten Spieltag auf Schlüsselspieler verzichten zu müssen, gegen einen starken, aufstrebenden Gegner anzutreten und sich als Mannschaft erst in einer neuen Liga zurechtzufinden. Besonders der letzte Punkt ist ein entscheidender Kontext für den Verlauf und die Einordnung der Partie, denn hier trafen ein Kandidat für den Auf- und Abstieg aufeinander.
Fraglos schmerzt die Niederlage, doch bei diesem Gastspiel in Niedersachsen deuteten sich teilweise Lichtblicke und neue Ansätze an, insbesondere im Hinblick auf die Mannorientierungen auf dem gesamten Feld oder das Einsetzen von Bulic als raumdeutende Zehn. Dennoch geht es in der Liga immer um die Gesamtsituation und nicht nur um ein Einzelspiel gegen einen stärkeren Gegner. Daher wird es entscheidend sein, wie man diese Niederlage in wertvolle Erkenntnisse umwandelt.
Mit geschickter Spielfortsetzung innerhalb der zweiten Linie und insgesamt gelungener Restabsicherung waren die Hannoveraner gut in der Partie. Die starken Leistungen der meisten Akteure im Bewegungsspiel und insbesondere in der Vororientierung zum Ball steigerten den Zugriff. Auch die Flexibilität mit und gegen den Ball bildet eine solide Grundlage für diese Saison.
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