Der Spielfilm
Hertha BSC übernahm von Beginn an die Kontrolle und zeigte bei sommerlichen Temperaturen im Olympiastadion erste Vorstöße. Der beste davon: In der 5. Minute legte Scherhant für Schuler ab, der im Strafraum jedoch über das Tor zielte. Jahn Regensburg meldete sich in der 8. Minute erstmals zu Wort: Kühlwetter nahm eine Hereingabe von Ernst an, sein Versuch stellte jedoch keine Gefahr für Ernst im Tor der Berliner dar. In der Folge kam Jahn Regensburg besser ins Spiel und gestaltete es ausgeglichener. Eine große Chance bot sich dann in der 21. Minute: Kother scheiterte mit einer starken Einzelaktion zunächst an Ernst. Im Nachsetzen hätte er gut und gerne selbst noch einmal abschließen können, entschied sich aber für einen Querpass zu Kühlwetter, der gerade noch geklärt werden konnte. Glück für die Heimmannschaft!
In dieser Phase der ersten Halbzeit war Jahn Regensburg das bessere Team. In der 32. Spielminute wurde ein Schuss von Kühlwetter geblockt, den Abpraller schnappte sich Ernst, doch sein Versuch war etwas zu schwach. In der 36. Minute sah Kühlwetter, dass Ernst zu weit vor dem Tor stand, und versuchte es frech von der Mittellinie – knapp vorbei. Vor der Pause kam die Heimmannschaft noch einmal auf, doch mehr als eine Hereingabe von Zeefuik, die Ballas zum Querschläger abfälschte, sprang nicht heraus.
Ohne Wechsel ging es in die zweite Halbzeit. Hertha hatte zwar weiterhin mehr vom Spiel, doch Jahn Regensburg verteidigte leidenschaftlich und konzentriert und setzte ab und an Nadelstiche. Die beste Gelegenheit der Herthaner war ein Kopfball von Maza nach einer Flanke aus dem Halbfeld, doch das Berliner Toptalent zielte am langen Pfosten vorbei. Schließlich kam die Zeit der Wechsel – und einer davon sollte das Spiel entscheidend beeinflussen: Der für Kühlwetter eingewechselte Ouro-Tagba flog nur acht Minuten später mit glatt Rot vom Platz (76.). Was war passiert? Beim Nachsetzen spitzelte Niederlechner den Ball weg, Ouro-Tagba kam zu spät und traf den Berliner voll am Schienbein. Auch wenn keine Absicht im Spiel war, ist die rote Karte vertretbar.
Jahn-Trainer Joe Enochs äußerte sich zur roten Karte: „Natürlich ist jeder enttäuscht, wie wir das Spiel verloren haben. Aber ich glaube nicht, dass ich ihn aufbauen muss. Sie wissen: ‚Okay, wir haben in Berlin, in dem Stadion, gespielt.‘ Das ist schon mit 42.000 Zuschauern eine Macht. Dass wir sehr gut dagegengehalten haben, dass wir selbst unsere Torchancen hatten und dass wir, glaube ich, 13 Torschüsse gehabt haben – mehr als Hertha. Also von daher gibt uns das Mut. Trotzdem soll uns das zeigen, dass wir an unsere Leistungsgrenze gehen müssen, wenn wir bestehen wollen.“
Hertha investierte in Überzahl noch einmal viel. Mit einem Dreifachwechsel versuchte Jahn-Trainer Enochs, die Defensive in der Schlussphase zu stärken. Doch mehr als eine Doppelchance in der 83. Minute durch Cuisance und Mama schien, für die Gäste nicht herauszuspringen – bis das Spiel aus Sicht von Jahn Regensburg eine bittere Wendung nahm: Ein eher verzweifelter Versuch von Maza in der letzten Minute der regulären Spielzeit rutschte dem in dieser Saison bislang so starken Felix Gebhardt durch die Beine ins Netz (90.). Bitter, weil Jahn Regensburg aufgrund seines aufopferungsvollen Auftritts eigentlich einen Punkt verdient gehabt hätte – und auch deshalb, weil Gebhardt bis dahin im Spiel kaum gefordert war. Den gebrauchten Tag für den Jahn-Schlussmann krönte schließlich Niederlechner: Seinen strammen, aber unplatzierten Schuss in der Nachspielzeit konnte Gebhardt nicht festhalten, und der Ball trudelte über die Linie. Insgesamt ein unglücklicher Auftritt für eine gut kämpfende Jahn-Elf, die sich bei besserer Chancenverwertung und ohne rote Karte für einen couragierten Auswärtsauftritt beim haushohen Favoriten hätte belohnen können.
Mitarbeit: Flo1889fm
Die Stimmen zum Spiel
Dominik Kother
Frage: Wie findest du, habt ihr ins Spiel gefunden, vor allem in den ersten Minuten? Mit dieser Stimmung in diesem Stadion?
Antwort: Ich denke, wir sind relativ gut ins Spiel gekommen. Ab der 10. bis 15. Minute waren wir richtig gut drin. Wir haben den Gegner gut vom Tor ferngehalten und uns Chancen kreiert. Es fehlte eigentlich nur das Tor. In der zweiten Halbzeit sind wir auch super aus der Kabine gekommen. Bis zur roten Karte waren wir die bessere Mannschaft, würde ich sagen. In Unterzahl wird es dann auch schwer, die Null zu halten.
Frage: Du hattest die Chance zur Führung. Was hat das mit dir im Spiel gemacht? Es war bestimmt bitter. Muss man da sofort abschalten, oder wie ist das am Platz?
Antwort: Ich habe mich schon geärgert danach. Aber ich habe weitergemacht und mir dann noch andere Chancen herausgespielt. Es sollte heute irgendwie nicht sein mit dem Tor. Jetzt heißt es, daran zu arbeiten und nach Fürth zu fahren (empfangen, Anm. d. Red.).
Frage: Du hast die Rote Karte bereits angesprochen. War es deiner Meinung nach eine rote Karte?
Antwort: Aus meinem Blickwinkel habe ich es gar nicht richtig gesehen. Ich habe nur einen Zweikampf gesehen, bei dem er am Boden lag (Niederlechner, Anm. der Redaktion), und dann hat der Schiedsrichter eine rote Karte gegeben. Aber ich konnte es nicht genau sehen.
Andreas Geipl
Frage: Diese Niederlage ist bitter. Wie war der Beginn des Spiels für dich, mit dieser Stimmung in diesem Stadion?
Antwort: Ich glaube, die erste Riesenchance hatte Hertha (wo sie, glaube ich, 6 Meter übers Tor schossen). Danach haben wir immer besser ins Spiel gefunden. Auch mit dem Ball haben wir gute Ansätze gezeigt und uns gut befreit. Teilweise haben wir uns Chancen in der ersten Halbzeit erspielt, bei denen wir in Führung hätten gehen können, wenn nicht sogar müssen, sage ich. Es war ein Spiel auf Augenhöhe, wir haben super dagegengehalten bis zur roten Karte. Dann waren wir in Unterzahl, und wenn man so ein Gegentor kurz vor Schluss bekommt, ist das natürlich bitter.
Frage: Thema rote Karte: War es deiner Meinung nach eine?
Antwort: Ich habe es selbst noch nicht gesehen. Von meiner Perspektive aus sah es so aus, als hätte er ihn nicht getroffen. Aber ich habe es selbst nicht gesehen, daher möchte ich es nicht beurteilen.
Frage: Der Gegner hat individuelle Klasse. Wie war deine Rolle als Sechser vor der Innenverteidigung?
Antwort: Dass ich die Abstände halte, die Löcher stopfe, gegen den Mann spiele und die Bälle verteile. Ich glaube, das ist uns heute allgemein sehr gut gelungen, sowohl gegen den Ball als auch mit dem Ball.
Christian Kühlwetter
Frage: Bittere Niederlage natürlich. Trotzdem fand ich, der Start war sehr gut von euch. Wie schätzt du das ein?
Antwort: Ja, ich glaube, wir haben ein bisschen gebraucht am Anfang. In der ersten Viertelstunde standen wir schon unter Druck, aber wir haben uns da super herausgekämpft. Was wir bis zur roten Karte gemacht haben, war wirklich gut. Wir haben richtig guten Fußball gespielt, mit allem, was wir haben dagegengehalten und auch richtig gute Torchancen gehabt. Ich glaube, es wäre zu diesem Zeitpunkt eher verdient gewesen, wenn wir das Spiel gewonnen hätten, als Berlin. Die rote Karte habe ich bis jetzt nur einmal kurz gesehen. Vom Spielverlauf hätte man vielleicht auch eine gelbe Karte geben können. Ist halt so, wir müssen damit leben. Wir haben trotzdem versucht, dagegenzuhalten und bekamen dann zwei Tore. Das kann halt passieren gegen einen so großen Verein. Wir müssen einfach das mitnehmen, was wir am Anfang gespielt haben, bis zur roten Karte, und das richtig gut machen. Es hat auch richtig Spaß gemacht, auf dem Platz zu stehen.
Frage: Gegen den Ball war es sehr stabil. Du lenkst oft den Gegenspieler nach außen. Kannst du deine Rolle beschreiben und wie es heute funktioniert hat?
Antwort: Ja, gut, es hat mit mir und Christian Viet angefangen. Wir haben versucht, Demme, den sie stark gesucht haben, aus dem Spiel zu nehmen, und das ist uns sehr gut gelungen. Von da aus wollten wir die Innenverteidiger ablenken. Ich finde, das haben Chrille und ich richtig gut gemacht. Aber auch, wie Sebi und Sepp nachgeschoben sind. Wenn wir das nicht kompakt hinbekommen hätten, wäre es für uns vorne schwer geworden. Man muss sagen, als Mannschaft haben wir es kompakt richtig gut gemacht und dann, wenn wir den Ball erobert haben, nicht immer direkt lang geschlagen, sondern ruhig am Ball geblieben und richtig guten Fußball gespielt.
Frage: Mit dieser Leistung muss man sich vor niemandem in dieser Liga verstecken. Wie ist dein Ausblick für die kommenden Wochen?
Antwort: Ja, du hast recht. Mit dieser Leistung brauchen wir uns nicht zu verstecken. Wir haben richtig guten Fußball gespielt. Jetzt kommt Greuther Fürth am Freitag. Das wird auch noch ein anderes Spiel, die haben ebenfalls individuelle Qualität. Aber wenn wir diese Leistungsbereitschaft und den Kampf auf den Platz bringen und guten Fußball spielen, dann müssen wir uns vorne nur noch belohnen. Dann glaube ich, werden wir vielen Gegnern große Sorgen bereiten.
Joe Enochs
Frage: In der ersten Halbzeit fand ich die Bewegungen der Halbraumspieler Maza und Karbownik extrem interessant. Ihr habt das gut verteidigt, hattet aber anfangs noch etwas Probleme. Oft konntet ihr sie über die Außenverteidiger im 2-gegen-1 ausspielen. Warum?
Antwort: Letztendlich ist ein Spiel immer so, dass man es nicht immer genau sagen kann, wie es sich entwickelt, vor allem so früh in der Saison. Wir brauchen schon etwas mehr Zeit, um den Gegner ganz genau zu analysieren. Insgesamt haben wir erkannt, dass wir die beiden Achter, aber auch Demme aus dem Spiel nehmen müssen. Ich finde, die Kommunikation mit den Außenverteidigern und äußeren Mittelfeldspielern hat immer besser geklappt. Natürlich mussten Chrille und Kühli viele Wege gehen. Nach der 10. Minute haben wir es immer besser gemacht. Unsere Innenverteidiger haben diese tiefen Läufe der Achter immer besser übernommen, sodass es für Sebi und Sepp nicht mehr so lange Wege waren. Wir waren in der Lage, Berlin sehr weit von unserem Tor fernzuhalten.
Frage: Ich fand es mit dem Ball sehr gut. Im tiefen Aufbau war Bene oft in dieser Halbraumposition als dritter Innenverteidiger, sage ich mal. Oscar hat dann immer recht früh den Weg nach vorne gesucht. Liegt ihm das?
Antwort: Wir haben gesagt, dass wir nicht auf Teufel komm raus von hinten herausspielen wollen, gerade hier in Berlin. Besonders in den ersten 25 Minuten wollten wir darauf achten, dass wir sicher stehen. Deswegen war das Spiel auf den zweiten Ball ausgelegt. Ich glaube, wir haben Hertha vor eine Aufgabe gestellt, weil sie dachten, dass wir eine Dreierkette spielen. Deshalb ist Kenny ganz nach vorne zu Oscar gegangen. Aber wir haben in der ersten Halbzeit immer wieder Sebi und Sepp anspielen können, nachdem wir die langen Bälle gespielt haben. Das hat mir sehr, sehr gut gefallen. Die Mannschaft war in der Lage, sich spielerisch zu lösen. Das ist natürlich die Qualität von Kai, Sebi, Sepp, Chrille, Kühli und Domme, von allen, die wir haben. Wir hatten sogar am Ende der ersten Halbzeit das Gefühl, dass wir zu leichtfertig waren, weil wir ein paar Ballverluste hatten und zu leichtsinnig waren.
Frage: Ich fand Chrille einen extrem guten Spieler in der ersten Halbzeit. Wollt ihr ihn in diese Abkippbewegungen bringen?
Antwort: Ja, absolut. Chrille hat sehr viele gute Lösungen mit dem Ball. Er bekommt den Ball immer in diesen Halbräumen und ist in der Lage, mit seinen technischen Fähigkeiten den Ball nach vorne zu nehmen. Das tut unserem Spiel sehr gut, da nicht nur Kühli mit dem Rücken zum Tor steht, sondern Chrille diese Bälle sichert und weiterleitet. Natürlich wünschen wir uns von ihm Klarheit über das gesamte Spiel. Ich finde auch, dass er überragende Aktionen gehabt hat, aber manchmal ein bisschen zu leichtsinnig war. Insgesamt war es ein sehr, sehr gutes Spiel von Chrille.
Mitarbeit: Süß
Die Taktikanalyse
Der Inhalt in wenigen Punkten
- Regensburgs Pressing: Der SSV Jahn Regensburg setzte gegen Hertha BSC ein flexibles Pressing aus einer 4-1-2-3-Formation ein. Christian Viet rückte situativ in die vorderste Pressinglinie neben Christian Kühlwetter auf, während sich Geipl und Kühlwetter in einer flachen Doppelsechs positionierten. Diese Taktik zielte darauf ab, Diego Demme im Zentrum des Hertha-Spiels zu isolieren und seine Spielaufbauarbeit zu stören. Durch gezieltes Pressing und Deckungsschatten wurde Demme häufig vom Ball ferngehalten, was Hertha BSC in Schwierigkeiten brachte und zu Frustration führte.
- Isolation von Diego Demme: Regensburgs Strategie konzentrierte sich auf die Isolation von Demme, dem zentralen Aufbauspieler von Hertha. Das Pressing von Viet und Kühlwetter verhinderte, dass Demme effektiv am Spielaufbau teilnehmen konnte. Durch diese gezielte Pressingarbeit und die Blockade der Passwege zu Demme wurde seine Wirkung auf das Spiel stark reduziert, was zu vermehrten Fehlpässen und einer eingeschränkten Spielgestaltung von Hertha führte.
- Überladungen auf den Flügeln: Hertha BSC versuchte, durch Überladungen auf den Flügeln Überzahlsituationen zu schaffen. Insbesondere wurde versucht, den Raum auf der Seite von Demme zu nutzen. Die Regensburger Abwehr, insbesondere die Außenverteidiger und das zentrale Mittelfeld, passten ihre Positionen flexibel an, um diese Überladungen zu neutralisieren. Sie verschoben sich geschickt, um die Passwege zu schließen und die Flügelangriffe der Herthaner zu stoppen.
- Probleme bei der Progression: Hertha hatte Schwierigkeiten, die Regensburger Abwehr durch präzise diagonale Pässe zu durchbrechen. Viele der Pässe in das Zentrum waren ungenau und schwer zu kontrollieren. Dadurch musste Hertha BSC das Spiel häufig beruhigen, anstatt schnelle Fortschritte zu machen. Diese Ungenauigkeiten führten dazu, dass Hertha oft nicht die gewünschten Verbindungen und Progressionen im Spiel aufbauen konnte.
- Reaktion auf die Rote Karte: Nach der Roten Karte für Regensburgs Mansour Ouro-Tagba stellte sich der SSV Jahn Regensburg in einem 5-3-1-Defensivblock auf, um die Räume zu verdichten und die Abwehr zu stabilisieren. Diese Anpassung führte jedoch dazu, dass Hertha BSC mehr Raum für sich nutzen konnte, insbesondere auf den Flügeln. Die Herthaner nutzten diese Räume effektiv aus und konnten so das Spiel zunehmend kontrollieren und letztlich mit 2:0 gewinnen. Die Anpassung von Regensburg war nicht ausreichend, um die Überzahl effektiv zu verteidigen und die heranrückende Hertha-Offensive zu stoppen.
Der Inhalt detailliert
Die Hertha begann die Partie im Vergleich zum überzeugenden 5:1-Sieg im DFB-Pokalspiel in Rostock mit zwei Änderungen in der Startaufstellung. Neuzugang Schuler ersetzte als zentraler Stürmer den zu Hoffenheim abgewanderten Tabakovic, während Ernst wieder als Torhüter für den Pokalkeeper Gersbeck zwischen die Pfosten rückte. In der 4-3-3-Grundordnung übernahm Demme die Rolle des tiefstehenden Spielmachers vor den Innenverteidigern Gechter und Kempf, wobei er als Verbindungsspieler zwischen Abwehr und Mittelfeld agierte. Im Spielaufbau lastete die Hauptverantwortung auf den beiden Innenverteidigern Gechter und Kempf, die breiter als üblich positioniert waren, um das Spiel von hinten heraus zu gestalten. Unterstützung erhielten sie dabei durch die abkippenden Halbraumspieler Karbownik und Maza, die durch ihre Bewegungen das Aufbauspiel in das zweite Drittel unterstützten.
Bei den Regensburgern gab es einen Wechsel in der Startformation: Benedikt Saller ersetzte Robin Ziegele. Saller positionierte sich im Gegensatz zum linken Außenverteidiger Schönfelder deutlich tiefer und halbräumiger, um sich stärker in den tiefen Spielaufbau einzubringen. Diese Anpassung half, den weniger aufbaustarken Innenverteidiger, in der Aufbau-Dreierkette, Ballas zu entlasten und ermöglichte Schönfelder, früher und häufiger in die Tiefe zu stoßen. Insgesamt blieb die Grundformation der Mannschaft von Trainer Joe Enochs im Vergleich zum 1:0-Sieg gegen Bochum unverändert.
Keine Fünferkette gegen den Ball
Von Beginn an bereitete das flexible und aggressive Pressing des SSV Jahn Regensburg der Hertha erhebliche Probleme und zwang die Berliner zu einem geduldigen Spielaufbau. Aus einer 4-1-2-3-Grundordnung heraus passten die Regensburger ihr Pressing im Spiel gegen den Ball kontinuierlich an: Christian Viet, der nominell neben Geipl im Mittelfeld agierte, rückte situativ in die vorderste Pressinglinie neben Christian Kühlwetter auf. Gleichzeitig bildete sich im zentralen Mittelfeld eine flache Doppelsechs, in der sich Geipl neben Ernst positionierte.
Die taktische Umstellung von einer Fünferkette auf eine Viererkette ermöglichte es dem SSV Jahn, einen zusätzlichen Spieler in der zweiten Pressinglinie breiter zu positionieren. Angesichts des breiten und tiefen Aufbauspiels der Herthaner war dies notwendig, um den Raum zu verengen und die Passwege zu schließen. Der ballnahe Flügelspieler, in diesem Fall Pröger, antizipierte frühzeitig die Bewegungen der Innenverteidiger und rückte in engen Räumen diagonal auf den ballführenden Gegenspieler heraus, in diesem Fall den Außenverteidiger Kenny. Dieses diagonale Anlaufverhalten der Flügelspieler ermöglichte es, die Passwege zu den Halbraumspielern zuzustellen und den Außenverteidiger zu einem schnellen Pass auf den Flügelspieler zu zwingen. Dadurch konnten auch die Außenverteidiger der Regensburger frühzeitig herausrücken und direkt in den Zweikampf mit dem gegnerischen Flügelspieler gehen, sobald der Ball auf ihn gespielt wurde.
Demme wird isoliert
Das zentrale Element im Defensivspiel der Regensburger war jedoch die Isolation von Diego Demme. Demme war in den vorangegangenen Spielen häufig der zentrale Aufbauspieler bei Hertha BSC. Um seine Wirkung zu minimieren, wurde er im Pressing gezielt von Viet markiert. Gleichzeitig positionierten sich Kühlwetter und Viet eng und flach zueinander. Wenn Kühlwetter dann bogenförmig auf den ballführenden Innenverteidiger anlief, erzeugte er einen Deckungsschatten, der die Anspielstation zu Demme im Sechserraum blockierte. Diese doppelte Absicherung führte dazu, dass Demme im Spiel weitgehend isoliert wurde. In seiner Frustration suchte er häufiger halbräumige Positionen auf, doch auch hier reagierte der Jahn flexibel und passte seine Markierungen entsprechend an.
In diesen Situationen orientierte sich der Flügelspieler, der auf Demmes Seite agierte, näher an Demme, um ihn situativ zu markieren. Gleichzeitig hielten Kühlwetter und Viet ihre Doppelfunktion aufrecht: Viet sicherte den Deckungsschatten zu Demme ab und agierte dabei höher, während Kühlwetter weiterhin die Innenverteidiger anlief und sie auf eine Seite drängte. Durch die gezielte Fokussierung auf Diego Demme im Zentrum schuf Hertha BSC zwei Überzahlsituationen an den Flügeln. Einerseits konnte Kenny durch seine halbräumige Positionierung weit aufrücken und zusammen mit Winkler eine 2-gegen-1-Überzahl gegen Schönfelder erzeugen. Diese Überzahl wurde jedoch durch ein geschicktes horizontales Verschieben der Regensburger Viererkette und Innenverteidigung neutralisiert. Andererseits ergab sich ballfern eine 3-gegen-2-Überzahl durch den breiten Kempf sowie Zeefuik und Scherhant. Diese breite Staffelung verschaffte ihnen zwar Abstand zu Pröger und Saller, sorgte aber auch dafür, dass der Weg zum Ball zu lang war, um schnell und effektiv zu verschieben.
Kühlwetters Druck beim bogenförmigen Anlaufen auf den ballführenden Innenverteidiger verhinderte eine direkte Verlagerung über einen Diagonalball in die Überzahl hinein. Gleichzeitig gelang es den Berlinern nicht, den Ball schnell genug über den breit positionierten Kempf zu verlagern, wodurch Jahn Regensburg immer wieder rechtzeitig auf die Ballseite verschieben konnte, und die Überzahl so neutralisierte. Zusätzlich lösten Ernst und Geipl ihre ballfernen Mannorientierungen, wenn Hertha den Flügel bespielte, frühzeitig und verschoben sich mehr zur ballnahen Seite, was es dem Jahn ermöglichte, die eigentlich am Flügel postierten Spieler zu entlasten und die nötigen Räume, gerade zentral, zu besetzen und auch die Herthaner direkt zu markieren.
Keine Progression über Überladungen
Wie bereits erwähnt, ist eine immer wiederkehrende und durchaus logische taktische Maßnahme von Hertha BSC die Flügelüberladung, die durch die mannorientierte Verteidigung des Gegners Räume im Zentrum schaffen soll. Diese Strategie war für Hertha grundsätzlich vielversprechend, da Kombinationen zwischen den technisch versierten Spielern im tiefen Aufbau oder Momente individueller Durchbruchsqualität eine erhebliche Raumüberbrückung hätten ermöglichen können.
Doch dazu kam es kaum. Demme und die Halbraumspieler zogen zwar bei der tiefen Überladung weit ins Zentrum und nahmen dabei ihre direkten Gegenspieler mit, aber sie versuchten selten, gemeinsam einen Raum effektiv zu überladen. Es fehlte nahezu völlig an einer Anbindung untereinander, obwohl sich eine Dreiecksbildung zwischen diesen Akteuren angeboten hätte. Erschwert wurde dies durch die Intensität, mit der das Regensburger Mittelfeld die Hertha-Mittelfeldspieler attackierte, sobald diese zwischen den Linien oder in den Überladungsmomenten an den Ball kamen. Besonders hervorzuheben ist hier Andreas Geipl, der in dieser Partie in defensiver Hinsicht eines seiner besten Spiele zeigte. Er verhinderte, dass Karbownik Raum hatte, um den Ball anzunehmen und sich aufzudrehen, wodurch der Halbraumspieler seine Stärken im Verbindungsspiel zwischen dem zweiten und letzten Drittel nicht zur Geltung bringen konnte und gezwungen war, den Ball zurückzuspielen.
Die Regensburger verstanden genau, wann ein Herausrücken sinnvoll war und wann es lediglich Räume öffnen würde. Sie waren optimal auf die möglichen Aktionen der Hertha-Spieler vorbereitet. Ein gutes Beispiel dafür ist Scherhant, der sich zwar immer sehr breit für mögliche Seitenverlagerungen bei einer Überladung auf der rechten Seite positionierte. Doch Saller erkannte, dass der Druck auf der bespielten Seite so groß war, dass eine direkte Seitenverlagerung unwahrscheinlich und eine breite Positionierung daher unnötig war.
Ernst und Pröger hatten als ballferner zentraler Mittelfeldspieler und als ballferner Flügelspieler jeweils eine Absicherungsrolle und rückten dafür ein, um raumorientiert jeweils zwei Spieler abzudecken. Sollte Hertha das Spiel verlagern, würde Pröger seine Mannorientierung auf Zeefuik priorisieren und Ernst auf Maza. Aufgrund des Deckungsschattens von Kühlwetter auf den ballfernen Innenverteidiger kam es jedoch nur selten zu diesen Seitenverlagerungen. Sollte es dennoch gelingen, erwies sich diese Priorisierung als sinnvoll. Zwar konnte Kempf in solchen Situationen infolge einer Verlagerung und des vieles Raumes nach vorne dribbeln, aber durch die Verschiebung der Kette des SSV Jahn und die Mannorientierung von Pröger auf Zeefuik gab es keine freien Anspielstationen auf der ballnahen Seite. Das Umschalten von der Überladung auf die isolierte Seite erfolgte bei Hertha zu langsam und zu wenig dynamisch, was es dem SSV Jahn ermöglichte, schnell wieder genügend Spieler hinter den Ball zu bringen.
Fehlende Koordination des Offensivspiels
Hertha BSC war am Samstagnachmittag besonders dann gefährlich, wenn Maza und Scherhant durch gezielte Rotationen und Bewegungen in engen Räumen gemeinsam mit Schuler die Mannorientierungen des SSV Jahn Regensburg gezielt ausmanövrierten. Diese drei Spieler zeigten bereits beim ersten Ballkontakt nach einem Zuspiel klare und präzise Auftaktbewegungen, was den Jahn zu einem intensiveren Pressing zwang und es Hertha ermöglichte, mehr Dynamik und Tiefenstaffelung in das eigene Spiel zu bringen.
Allerdings litt das Offensivspiel der Hertha insgesamt unter einer unzureichenden Vernetzung der einzelnen Spieleraktionen. In den meisten Situationen waren nur zwei oder drei Spieler aktiv in die Ballzirkulation eingebunden, wodurch es an Verbindungen in den nächsten Spielfeldabschnitt fehlte. Es mangelte an Unterstützung durch ein nachrückendes Mittelfeld sowie an explosiven Bewegungen in den ballnahen Raum, was die Angriffe berechenbarer machte. Besonders auffällig war dies auf den Flügeln, wo vor allem Zeefuik versuchte, ins letzte Drittel vorzurücken und Druck auf die Defensive auszuüben. Diese Aktionen wurden jedoch oft durch die defensive Zuordnung des Jahn neutralisiert.
Die offensive Flexibilität der Hertha war zwar vorhanden, doch die Koordination der Laufwege ließ zu wünschen übrig. Die Bewegungen der Spieler ergänzten sich selten optimal, sodass auf die erste Aktion eines Spielers nur selten eine unterstützende Anschlussbewegung folgte. Häufig zogen die Flügelspieler in das Zentrum, während die Spieler im Strafraum sich eher auf Hereingaben einstellten, anstatt dynamische Laufwege zu kreuzen oder Räume zu besetzen. Erst in der zweiten Halbzeit war eine Verbesserung in Form von häufigeren überkreuzenden Laufwegen zu beobachten, die die Regensburger Defensive stärker forderten.
Regensburg setzt erneut den Halbraumfokus
Wie schon im Spiel gegen den VfL Bochum setzte der SSV Jahn Regensburg erneut auf eine sehr breite Positionierung der Außenverteidiger. Im Detail wich diese jedoch von den vorherigen Wochen ab: Saller rückte häufiger in das Zentrum ein und agierte als Halbraumverteidiger in einer Dreierkette neben Ballas. Diese taktische Anpassung überraschte die Mannschaft von Christian Fiel, die sich eher auf ein Aufbauspiel über zwei breit aufgestellte Innenverteidiger eingestellt hatte.
Durch diese taktische Modifikation musste Winkler nicht nur den Flügel gemeinsam mit Schönfelder abdecken, sondern auch Breunig in Schach halten, sofern Schuler nicht den Deckungsschatten halten konnte. Im Gegensatz zur anderen Seite, wo Maza Ballas markierte und Scherhant Saller zugeteilt war, musste Winkler eine anspruchsvolle Doppelrolle übernehmen. In der Praxis stellte dies zwar weniger ein Problem dar, theoretisch ergab sich jedoch die Gefahr einer 2-gegen-1-Situation: Da Breunig und Schönfelder beide sehr breit spielten, wurde Winkler gezwungen, ebenfalls weit nach außen zu rücken. Dies vergrößerte die Abstände zwischen den Verteidigungsreihen und öffnete Passwege in die Zwischenräume zu einem zurückfallenden Kother. Zudem positionierte sich Winkler aufgrund seiner Rolle etwas höher, was Schönfelder bei seinen frühen Läufen in die Tiefe einen Vorteil verschaffte.
Regensburg versuchte auch, die Mannorientierungen der Hertha im Zentrum im eigenen Aufbauspiel zu nutzen, indem sie durch explosive, vertikale Bewegungen diagonal in Richtung Gebhardt abkippten, um so die diagonalen Passwege für Gebhardt in die Zielräume zu vergrößern.
Auf der rechten Seite zeigte sich ein ähnliches taktisches Muster: Durch die Positionierung von Saller im Halbraum rückte Scherhant diagonal auf, wodurch dieser Raum bespielbarer wurde. Im Gegensatz zur linken Seite lag hier der Fokus des Flügelspielers jedoch weniger auf dem Eindringen in die Tiefräume, sondern vielmehr auf dem Manipulieren der gegnerischen Abwehrkette: Pröger konnte durch seine Bewegungen immer wieder Zeefuik mitziehen und ein Loch hinter dem Außenverteidiger aufreißen. Viet wurde, ähnlich wie Kother, bewusst in engen Räumen eingesetzt, um sich aufzudrehen, weitere Gegenspieler auf sich zu ziehen und schnell den tiefen Pass oder das Dribbling zu suchen.
Probleme in der Progression
Ein Problem stellte jedoch die Qualität der diagonalen Pässe von Gebhardt oder den Außenverteidigern in das Zentrum dar. Diese waren oft schwer zu kontrollieren, was die Ballverarbeitung in engen Räumen erschwerte. Anstatt mehrere Linien des Gegners direkt zu überspielen, musste Regensburg das Spiel häufig wieder beruhigen, da die Pässe nicht die gewünschte Präzision hatten. Ein ähnliches Problem ergab sich, wenn Halbraumverteidiger Saller seine typischen langen Bälle auf die isolierte Seite spielte, sprich der Jahn suchte durch Verschienen von bspw. Ernst und Viet die rechte Seite, wodurch man so viele Herthaner auf die Seite zog, dass gerade Schönfelder auf der anderen Seite enorm viel Platz hatte und immer wieder von Saller gesucht wurde.
Allgemein tat man sich aber mit den Überladungen auf den Flügeln schwer, denn um eine Zirkulation zu ermöglichen, mussten sich sehr viele Regensburger fallen lassen und sich in der Nähe des Balles positionieren, was einerseits Ruhe und einen flüssigen Ballfluss ermöglichte, aber andereseits fehlten oft die Anspielstationen in der Höhe, weswegen es oft am Spielübergang oft hakte.
Hertha zeigt wenig Gnade gegen 10 Regensburger
Die Rote Karte für Mansour Ouro-Tagba veränderte die Dynamik des Spiels erheblich, da sie die taktischen Zuordnungen im 11-gegen-11 und die mannorientierte Ausrichtung beider Mannschaften stark beeinträchtigte. Da die Rote Karte zu einem späten Zeitpunkt fiel, stellte sich der SSV Jahn Regensburg in einem konservativen 5-3-1-Defensivblock auf, der darauf abzielte, die Räume zu verdichten und die Lücken zwischen den Linien zu schließen.
Mit dem Verlust eines Stürmers, der für den hohen Druck auf die beiden Innenverteidiger in der ersten Pressinglinie entscheidend war, konnte Regensburg nicht mehr den gewohnten Druck auf die ballführenden Spieler der Hertha ausüben. Dies führte dazu, dass Hertha BSC ihre Aufbauhöhe deutlich erhöhen konnte, was es ihnen ermöglichte, ein strukturierteres Spiel von hinten aufzuziehen und leichter ins zweite Drittel vorzudringen. Regensburg fokussierte sich nun stark auf die ballnahe Seite, wobei das Dreiermittelfeld die direkten Gegenspieler im Zentrum und den ballnahen Außenverteidiger konsequent markierte. Diese Fokussierung führte jedoch zu einer Vernachlässigung des ballfernen Außenverteidigers der Hertha, der nach schnellen Seitenverlagerungen immer wieder freistehend angespielt werden konnte.
Da Regensburg in Unterzahl agierte, konnten sie sich nicht mehr auf eine strikte mannorientierte Deckung verlassen. Die Spieler waren so spät in der Partie gezwungen, flexibler und positionsbewusster zu agieren, ständig ihre Positionen zu überprüfen und sich besser zu verschieben, um die Räume zu schließen – verbunden mit der schwindenden Energie war das schlichtweg nicht einwandfrei lösbar. Diese notwendige Anpassungen führten zu einer reduzierten Intensität und weniger Aggressivität in den direkten Zweikämpfen, was die defensive Stabilität weiter schwächte und es Hertha ermöglichte, das Spielgeschehen zunehmend zu dominieren und am Ende das Spiel zu gewinnen.
Fazit
Die ursprüngliche Taktik des SSV Jahn Regensburg war gut auf die Spielweise von Hertha BSC abgestimmt, aber auch mutig und ambitioniert: Nach einer schwierigen Anfangsphase fand der Jahn zunehmend besser ins Spiel und konnte durch Ballgewinne und ein effektives Gegenpressing an Intensität gewinnen, wodurch sich vermehrt Umschaltmomente gerade über Kother ergaben.
Auf die Rote Karte gegen den Gegner reagierte die Mannschaft von Trainer Joe Enochs jedoch nicht optimal: Im Spiel gegen den Ball rückte das Team, gerade das Dreiermittelfeld, oft entweder zu zögerlich oder an einigen Stellen zu unkontrolliert auf und verschob in gleicher Weise horizontal auf die Flügel, wodurch sie anfällig für Seitenverlagerungen und das Flügelspiel der Hertha wurden. Hertha BSC nutzte die daraus resultierenden Räume und die defensiven Schwächen des Jahn nach einer zuvor eher verhaltenen Leistung konsequent aus und agierte in der wenig verbliebenen Folgezeit souverän, was schließlich zu einem 2:0-Sieg gegen Regensburg führte.