Einfach mangelhaft

Mit viel Hoffnung gingen alle Jahnfans in dieses Wochenende. Mit viel Diskussionen und einer Packung Ratlosigkeit geht man aus dem Wochenende. Der Bericht zum 0:3 gegen Preußen Münster. (Foto: Gatzka)

Der Spielfilm

An diesem spätsommerlichen Sonntag startete die Jahnelf mit einer Veränderung gegenüber dem 0:5 beim HSV: Nico Ochojski ersetzte den verletzten Robin Ziegele. Auf Seiten der Adler standen Amenyido, Nemeth und Makridis für Grodowski, Lorenz und den verletzten Bazzoli in der Startelf. Neuzugang Kirkeskov übernahm die Kapitänsbinde von der Münsteraner Vereinslegende Lorenz. Somit starteten die Preußen mit einer stark veränderten Offensivreihe in das viel beschriebene „6-Punkte-Spiel“. Durch eine Spieltagsaktion für die diesjährigen Meisterteams aus dem Raum Regensburg konnte auch die Nordtribüne neben dem Gästeblock gut gefüllt werden.

Erste Halbzeit: Abstiegskrampf pur und unglückliche Entscheidungen

Der Jahn begann das Spiel mit dem gewohnten Aufbau im 4-2-3-1. Vor dem Spiel betonte Chefcoach Joe Enochs, anders als in den letzten Spielen, speziell in der Anfangsphase hochkonzentriert zu verteidigen. Besonders Nico Ochojski stand auf der rechten Außenbahn zu Beginn tiefer als Schönfelder auf links. Erstgenannter kam in Hamburg in der Schlussphase sehr schlecht in die Zweikämpfe, was ihm gegen Münster bis zum Gegentor besser gelang.Schönfelder wiederum verletzte sich in einem Zweikampf mit Grodowski nach 23 Minuten unglücklich und musste mit einer Trage abtransportiert werden. Der Unglücksrabe erlitt einen Kreuzbandriss und wird der Jahnelf viele Monate fehlen. Wir wünschen ihm alles erdenklich Gute und eine sehr schnelle Genesung!

Auffällig waren einige mangelhafte Abstimmungen zwischen Geipl und Ernst. Beispielhaft hierfür ist eine Szene aus der 15. Minute, wo Ernst auf den links startenden Kother weiterleiten könnte, aber stattdessen flach auf den isolierten Viet passt. Szenen wie diese resultierten oft in unnötigen Ballverlusten im Spielaufbau, die unbedingt abgestellt werden sollten.

Es darf aber auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass der Jahn, wie schon so oft in dieser Saison, chancenlos gewesen wäre: Kother scheiterte zwei Mal, in der zweiten und 27. Minute, im 1-gegen-1 am Münsteraner Schlussmann Schenk.

Münster kam u. a. beim Gegentor und bei einigen weiteren Gelegenheiten zu 4-gegen-3-Situationen vor dem Jahn-Strafraum. Sobald die Westfalen im eigenen Ballbesitz waren, wurde eine offensive Dreierkette gebildet. Dabei konnte die Innenverteidigung des Jahn bei den Gegentoren einfach nicht mit dem Tempo dieser offensiven Reihe mithalten. Jeweils beim 0:1 und 0:2 wurden die rechte bzw. linke Verteidigungsseite überlaufen. Im Zentrum wurden die Anspielstationen gar nicht oder nur sehr mangelhaft gedeckt, weswegen die zwei Gegentore durch simples Einschieben erzielt werden konnten.Beim Anlaufen in der gegnerischen Hälfte zogen sich Pröger und Kother auf links und rechts zu Beginn hinter die Mittellinie zurück. Vorne versuchten Ernst, Kühlwetter und Viet Fehler zu provozieren. Durch das anfängliche tiefe Verhalten von Pröger und Kother gelang Münster wenig über die Außen. Da die Jahnelf im Verlauf des Spiels einen offensiveren Ansatz wählte, fielen die Tempounterschiede in der Hintermannschaft immer höher ins Gewicht.

Zweite Halbzeit: Fehlender Biss und Kapitulation

Auch nach der Halbzeitpause neutralisierten sich beide Mannschaften weitestgehend. Neue Impulse sollte deswegen ab der 55. Minute Ouro-Tagba liefern, der ebenso wie der baldige Torschütze Fridjonsson eingewechselt wurde. Somit zog sich Viet auf eine defensivere 6er-Position zurück, was in der Folge zu immer weniger guten Möglichkeiten nach vorne führte. Die vorher schon angesprochenen Tempounterschiede wurden in der 60. Minute gnadenlos ausgenutzt. Hein wurde von einem schnell ausgeführten Freistoß überrumpelt und kam in der Folge überhaupt nicht in den Zweikampf. Grodowski konnte so in die Mitte passen, wo die Ex-Rothose Makridis nur noch einschieben musste.

Als probates, aber eher ideenloses Mittel fungierten lange Flanken. Eine von diesen kam in Minute 68 auf den völlig freien Hein, der aber versuchte, den Ball akrobatisch mit dem Fuß unterzubringen. Danach folgten zwei weitere Münsteraner Chancen nach dem immer selben Prinzip: Fehlendes Zweikampfverhalten der Jahnelf, präziser Pass in die Mitte und Torabschluss. Ballas kann einmal noch dazwischengrätschen (69.), zwei Minuten später aber den Gegentreffer nicht mehr verhindern.Danach war die Messe gelesen: Durch die Einwechslung von Bulic kehrte defensive Stabilität ein, auf Kosten der offensiven Ideenfindung. Erwähnenswert ist noch, dass Leopold Wurm für den oftmals überforderten Ballas ins Spiel kam. Der Achtzehnjährige feierte damit sein Zweitligadebüt. Herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle.

Eindrücke aus der Mixed Zone

Die erneute Klatsche in der Liga sorgte bei allen Anwesenden, bis auf die beiden Moderatoren des Fanradios “Radio Mottekstrehle” aus Münster, für große Enttäuschung und Frust. Die anwesenden Reporter bemerkten sofort, dass Achim und Joe von ARD und Sky äußerst kritische Fragen gestellt wurden. Gerade deswegen ärgern mich Kommentare wie dieser hier auf YouTube: “Nicht mal eine Nachfrage. Schon peinlich irgendwie. Verletzung Schönfelder? Oder über das System? Nächstes Mal stell ich 2-3 Fragen.”

Es ist eine Frage der Höflichkeit, zunächst einige Sätze mit einer Person zu wechseln, bevor man ihre Position und ihren Job in Frage stellt. Wäre die Ausgangslage, da es mein erster Einsatz mit Akkreditierung war, eine andere gewesen, hätte ich sicher eine Nachfrage gestellt. Von Schnelldiagnosen unmittelbar nach dem Spiel halten Trainer bekanntlich sehr viel. Zu diesem Zeitpunkt war kein MRT durchgeführt worden, weswegen niemand sicher hätte beurteilen können, ob das Kreuzband bei Oscar durch ist oder nicht.

Frust und Wut standen allen Spielern ins Gesicht geschrieben. Vor allem Kühli und Andi Geipl waren wütend über die Mannschaftsleistung und den Tränen nah. Außerdem wurde klar, warum Poldi Wurm zu seinem Zweitligadebüt kommen durfte: Mit Saller, Bittroff und Ziegele sind schlicht und ergreifend alle Alternativen verletzt. Erstgenannter unterhielt sich zusammen mit Schönfelder noch minutenlang mit Mees und Makridis. Jede Unterstützung von ehemaligen Kameraden kann wohl gut gebraucht werden.

Die Stimmen zum Spiel

…über das Spiel: “Wir machen es denen viel zu einfach. Die müssen sich gar nicht anstrengen, Tore zu schießen. Wenn das 1:0 nicht fällt, sind wir nach wie vor gut im Spiel. Ich habe gehört, der Ball war beim 1:0 von Münster im Aus. Da frage ich mich, warum wir den VAR haben – und bei uns wird auf Abseits entschieden. Was wir vorne ackern müssen, um mal eine Torchance herauszuspielen.”

…über die Gegentore: “Da gehört nicht nur die Abwehr dazu. Wenn wir so viele Querpässe bekommen, hat das nicht immer etwas mit der Viererkette zu tun, sondern damit, ob alle umschalten. Da muss auch mal klar angesprochen werden, wer Schuld hat, und es muss auch mal eine Ansage in der Kabine passieren. So bekommst du jede Woche auf den Sack. Das ist nicht unser Anspruch.”

…über die kommende Woche: “Wir müssen drei Tage den Kopf frei bekommen, dann miteinander sprechen und uns diese Woche zusammenraufen. Wir müssen einfach das Glück auf unsere Seite ziehen.”

…über die Gegentore: “Es nervt gewaltig, dass wir jedes Mal ein Gegentor bekommen, dann gleich wieder eins – und vorne den Ball nicht über die Linie bringen. Wenn wir weiter solche Gegentore bekommen, wird es ganz schwer, in dieser Liga zu bestehen. Mir fehlt, dass wir uns aufbäumen, uns dagegenstemmen und das Gefühl haben: Das reißen wir.”

… über die eigenen Fehler: “Es geht nicht darum, Einzelne zu kritisieren. Wir haben genügend ältere Spieler, die wissen, dass es so nicht geht. Wir müssen wieder sehen, dass nicht jeder für sich spielt, sondern dass es nur zusammen, als Mannschaft, mit dem Trainerteam, mit den Fans, geht. Und dass jeder die Fehler des Anderen ausbügelt.”

…über die Lehren aus dem Spiel: “Die Phase ist, wie sie ist. Wir können uns nur in Zukunft anders präsentieren und schauen, dass wir Punkte sammeln. Wir müssen das jetzt aufarbeiten, besser verteidigen und einfach vorne den Ball über die Linie bringen – mit dem ganzen Team, mit allem, was wir haben.”

…über das Spiel: “Der Ärger ist groß, drei Gegentore sind zu viel. In der ersten Halbzeit sind wir gut ins Spiel gekommen. Dann bekommen wir ein Gegentor, von dem keiner weiß, ob es eins war. Für mich war der Ball klar im Aus. Da frage ich mich, wieso er das minutenlang checkt. In der zweiten Halbzeit haben wir versucht, den Ballbesitz zu übernehmen und werden dann ausgekontert. Wir hatten zu viele Eins-gegen-Eins-Situationen und müssen schauen, dass der Gegner den Ball nicht so einfach querlegt.”

…über den Weg zurück zum Erfolg: “Wir müssen länger die Null halten – wie gegen Bochum oder Ulm – und mal selbst in Führung gehen. Das gibt uns Auftrieb, der Gegner muss kommen und wir können umschalten. Das liegt uns vielleicht mehr.”

…über die Qualitätsfrage: “Wir müssen uns vor keinem in der Liga verstecken. Wir hatten viele gute Spiele, in denen wir aber zu viele Gegentore bekommen.”